Gladbeck. Ärger in Gladbeck: Privatstellflächen in Vorgärten vernichten öffentlichen Parkraum am Straßenrand. Anwohner fordern Stellungnahme der Stadt.
Der soziale Frieden in der Siedlung an der Enfieldstraße in Gladbeck ist gestört. Ein erheblicher Teil der dortigen Nachbarschaft ist stinksauer. Neu hinzugezogene Anwohner haben ihre Vorgärten mit Stellplätzen zugepflastert. Durch die so benötigten Zufahrten sind viele der einstigen öffentlichen Parkflächen am Straßenrand weggefallen. Die Suche nach einem freien Parkplatz dauert nun oft, und der Parkdruck steigt mit jeder neuen Pkw-Stellfläche auf privatem Grund. Die Anwohner verstehen nicht, warum die Bauaufsicht der Stadt diese Ausbauten zugelassen hat, und erheben einige Vorwürfe.
Man müsse doch auch an die hier in Rentfort-Nord alt gewordenen Menschen denken, sagt Barbara Holt. „Wenn wir eingekauft haben und keinen Parkplatz in der Nähe unseres Hauses finden, fällt es mir und meinem Mann zunehmend schwerer, die Einkäufe weit zu schleppen“, erzählt die 84-Jährige. Sie hat sich mit mehr als zehn Anwohnern eingefunden, um gegenüber der WAZ ihren Ärger loszuwerden. Darunter Kathrin Bauernschmidt (40) mit Töchterchen Emma, die oft zwei Mal lange Wege gehen müsse, um ihr Kind und die Einkäufe heimzubringen. Nachbarin Christel Stockhaus, ebenfalls im 84. Lebensjahr, erzählt vom Schlaganfall ihres Mannes vor zwei Jahren. Jede Woche komme jetzt eine Ergotherapeutin ins Haus. „Die ihren großen Korb mit Übungsutensilien teils von der Marcq-en-Baroeul-Straße herüberschleppen muss, weil sie hier keinen Parkplatz findet.“
„Im Bebauungsplan von 1968 waren nur Gärten vor den Häusern vorgesehen“
Die enge, zugeparkte Straße biete auch kaum Platz zum Ausweichen. Ein zu einem Notfall gerufener Krankenwagen habe, da alle Standstreifen besetzt waren, auf der Straße stehen müssen, „der Linienbus ist so nicht durchgekommen“, musste lange warten. Als sie vor 33 Jahren zugezogen sei, so Christel Stockhaus weiter, sei niemand so egoistisch gewesen, an einen weiteren privaten Stellplatz zu denken. „Zu jedem Haus gehört doch auch eine Garage. Mit allen weiteren Autos haben wir uns ganz selbstverständlich auf die öffentlichen Stellplätze an der Straße gestellt.“ Und als die neue Siedlung 1968 entstanden sei, ist sich Barbara Holt sicher, „waren laut Bebauungsplan nur Gärten vor dem Haus vorgesehen“. Mit jedem Auto, das privat vor der Haustür stehe, „fallen durch die abgesenkte Zufahrt über den Bürgersteig zwei öffentliche Stellplätze am Straßenrand weg“, schimpft Gerhard Horus (75).
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Mit dem Verschwinden der grünen Vorgärten, dem Zuwachs der Privatstellplätze und dem Verlust des öffentlichen Parkraums ist der Unmut gewachsen. Denn das erste Beispiel habe Schule gemacht, so dass mehr und mehr Anwohner der Enfieldstraße sich das Exklusivparkrecht einrichten würden. „Im Bereich zwischen der Haltestelle Theodor-Heuss-Straße und der Einmündung zur Marcq-en-Baroeul-Straße sind so schon zahlreiche öffentliche Stellplätze weggefallen“, sagt Markus Landwehr. Er zeigt auf einen in einem Vorgarten stehenden offenen Container, „wenn es so weitergeht, gibt es hier immer weniger Parkraum für die Allgemeinheit“. Der Realschullehrer hat sich bereit erklärt, als Beschwerdeführer zu fungieren.
Die Nachbarn haben eine Beschwerdebrief an die Bauaufsicht geschickt
Die „Enfielder“ Nachbarn habe Unterschriften gesammelt, einen langen Beschwerdebrief an die Bauaufsicht der Stadt geschickt, mit Bitte um Überprüfung und Antworten zur Sachlage. „Wir wollen wissen, ob diese Maßnahmen, beziehungsweise Genehmigungen, einer eingehenden Prüfung auf Basis des Bebauungsplanes standhalten“, so Landwehr. Sollten Ausnahmegenehmigungen erteilt worden sein, wolle man wissen, auf welcher Grundlage, nach welchen Kriterien diese bewilligt wurden. Und ob für einen Parkausgleich gesorgt werde, angesichts der hier hohen Anwohnerdichte und der vielen betagten Anwohner, die aufgrund der schlechten Infrastruktur auf einen Pkw angewiesen seien.
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Ob es von der Stadt auch gewünscht sei, dass die einst festgelegte Vorgartengestaltung an beliebiger Stelle verändert werde? Wenn dies so einfach möglich sein sollte, dann sei ja zu erwarten, dass viele weitere Gladbecker mit ihren Vorgärten so verfahren. „Und wie der Wegfall dieser Grünflächen in Zeiten des Klimawandels und beim von der Stadt ausgerufenen Klimanotstand zu rechtfertigen ist, das möchte ich gerne auch von der Stadt wissen“, fordert Inge Kühnemann (68).
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Eine Stellungnahme der Stadt steht noch aus
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Da die Anwohner bislang keine Antwort auf ihr Schreiben von 12. Februar erhalten haben, bat die WAZ die Stadtverwaltung um eine Stellungnahme. Man sei im Fachamt zurzeit dabei, „die Genehmigungen und Sachverhalte zu prüfen“, so Pressesprecher David Hennig. Dabei gehe es um viele Einzelfälle. Man bitte um Verständnis, „dass wir uns vor Abschluss dieser Prüfungen noch nicht zu der Sachlage äußern können“.