Gladbeck. Jonas Vennemann aus Gladbeck absolviert eine exotische Ausbildung zum Tierpräparator. Bei der Europameisterschaft erkämpfte er den zweiten Platz.

Wer unvorbereitet das Domizil von Jonas Vennemann in Gladbeck betritt, mag möglicherweise überrascht etwas zurückschrecken. Denn an den Wänden hat der 25-Jährige keine Poster von Musikbands oder Fotografien mit Urlaubsmotiven hängen, sondern das Fell von Dachsen, einem Fuchs oder Marder. Und in Regalen finden sich als Stehrümchen diverse Schädel einstiger Bewohner von Wald und Forst, die zudem, in Gänze ausgestopft, vom obersten Regalbrett den Besuchern aus dunklen (Kunst)Augen entgegenblicken. Das ungewöhnliche Sammelsurium ist schnell erklärt und weist auf eine Profession, die der junge Gladbecker schon so gut beherrscht, dass er jetzt einen zweiten Platz bei Europameisterschaften errungen hat.

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Für Jonas Vennemann ist sein Wohnumfeld auch ein Stück private Werkstatt, denn er absolviert eine dreijährige Ausbildung zum Tierpräparator. Genauer gesagt zum Präparationstechnischen Assistenten im Fachbereich Biologie/Zoologie. Sie erfolgt am Walter-Gropius-Berufskolleg der Stadt Bochum. Die Berufsfachschule für präparationstechnische Assistenten ist die einzige Ausbildungsstätte für diese Berufe in Deutschland. Dreht sich bei Jonas Vennemanns Ausbildungsschwerpunkt alles um die Konservierung und Präparation von Tieren, so beschäftigen sich dort Mitschüler mit Schwerpunkt Geologie mit der Bearbeitungen von Mineralien, Gesteinen und Fossilien für Forschung und Lehre. Im Fachbereich Medizin liegt der Fokus der Präparatoren auf dem menschlichen Körper und einer späteren Anstellungen in Kliniken, medizinischen Forschungsinstituten oder der Gerichtsmedizin.

Auf Umwegen zum Traumberuf gefunden

Zweiter Platz auf der Tierpräparatoren-EM in Salzburg. Stolz zeigt sich Jonas Vennemann mit den erreichten Auszeichnungen vor seinem Exponat, einem Rehbock. Auch das von ihm hergestellte Podest-Habitat wurde gut bewertet.
Zweiter Platz auf der Tierpräparatoren-EM in Salzburg. Stolz zeigt sich Jonas Vennemann mit den erreichten Auszeichnungen vor seinem Exponat, einem Rehbock. Auch das von ihm hergestellte Podest-Habitat wurde gut bewertet. © Privat | Vennemann

Der junge Gladbecker erzählt, dass er auf Umwegen zu seinem Traumberuf gefunden habe. Sein Opa, ein passionierter Jäger mit Pacht in der Eifel, habe schon früh sein Interesse an der Natur, dem Wald und seinen Bewohnern geweckt. Nach dem Schulabschluss an der Ingeborg-Drewitz-Gesamtschule und dem Fachabi am Berufskolleg „wollte ich Forstwissenschaften studieren“, sagt Vennemann. Die Wartezeit auf den Studienplatz in Göttingen hab er dann nutzen wollen, „und so den Jagdschein gemacht“, wobei er auch Kontakte zur Kreisjägerschaft in Bottrop knüpfte. Dies führte dann wieder dazu, dass in ihm die Idee gewachsen sei, „Berufsjäger zu werden“.

Nach einem Jahr Ausbildung zum Waidmann habe er aber gemerkt, dass dieses Berufsfeld nichts für ihn sei und ihn ein Bereich viel mehr fesselte, den er dabei kennenlernte: Tierpräparate. „Die handwerkliche und kreative Arbeit, mit dem Ziel, das präparierte Tier so lebensecht wie möglich aussehen zu lassen, fand ich faszinierend“, sagt Vennemann. Den Entschluss, in diese Ausbildung zu wechseln, habe er nicht bereut. Und dass er offensichtlich Talent hat, beweist der Erfolg bei der Tierpräparatoren-Europameisterschaft Mitte Februar in Salzburg. Im Berufskolleg habe er davon erfahren, sich dann zur Teilnahme entschieden, mit seinem ersten, selbst erlegten jungen Rehbock als Wettbewerbs-Exponat.

Präparatoren können wie Modellbauer auf Katalogware zugreifen

Kaum sechs Zentimeter groß ist das flauschige Küken einer Virginia-Wachtel, das Jonas Vennemann präpariert hat.
Kaum sechs Zentimeter groß ist das flauschige Küken einer Virginia-Wachtel, das Jonas Vennemann präpariert hat. © FUNKE Foto Services | Heinrich Jung

Wenn es auch selbstverständlich ist, respektvoll mit dem Präparat umzugehen, so darf man in dem Job sicherlich nicht zimperlich sein, denn jemandem das Fell über die Ohren ziehen, ist für Tierpräparatoren keine Redewendung, sondern Berufsrealität.

Tierpräparatoren-EM gibt es seit 25 Jahren

Die Europäische Vereinigung der Tierpräparatoren mit Sitz im niederländischen Leiden veranstaltet seit rund 25 Jahren die Europameisterschaft der Tierpräparatoren.

Bereits zum zweiten Mal nach 2018 wurde sie in Salzburg im Rahmen der vom 16. bis 19. Februar stattfindende Messe „Hohe Jagd & Fischerei“, ausgerichtet.

Tierpräparatoren aus mehr als 30 Ländern ermittelten dabei die Besten ihrer Branche. Die rund 200 präsentierten Exponate reichten von Säugetieren über Vögel und Reptilien bis zu Amphibien.

Der Azubi hat so bereits eine Reihe von Präparaten erstellt, vom winzigen Flaum-Küken einer Virginia-Wachtel, über einen Fasan mit schillerndem Federkleid, bis hin zum bisher größten Objekt, der kompletten Rekonstruktion des Rehbocks. Verwendet wird für das Präparat quasi nur noch die Hülle des Tieres, sprich das vom Gerber zuvor bearbeitete Fell. Das Innenleben, Fleisch wie Knochen werden komplett entfernt.

Die Präparatoren könnten für die Rekonstruktion des Tieres dann auf Kataloge wie im Modellbau zurückgreifen, „in denen diverse Basiskörper aus PU-Schaum in unterschiedlichen Größen je Tierart angeboten werden“, erzählt der Gladbecker. Ebenso die Läufe, um das Tier nach der Idee des Präparators, oder dem Wunsch des Kunden, in laufender oder stehender Position darzustellen. Mit Modellierton und handwerklichem Können liegt es dann am Geschick des Präparators, das Tier so lebensecht wie möglich zu präsentieren. Dies gelang Jonas Vennemann bei seinem Rehbock so gut, dass er in der Anfängerklasse in seiner Kategorie, der Präparation eines großen kompletten Säugetieres, Vize-Europameister wurde.

Der Weg in die Selbstständigkeit ist schon geplant

Das Handwerkszeug des Tierpräparators mit Skalpell, Nadeln und Scheren erinnert an die Instrumente eines Mediziners.
Das Handwerkszeug des Tierpräparators mit Skalpell, Nadeln und Scheren erinnert an die Instrumente eines Mediziners. © FUNKE Foto Services | Heinrich Jung

Sich in der Branche einen Namen zu machen, trägt dazu bei, bei den Honoraren als Tierpräparator später entsprechend mehr oder weniger verlangen zu können. Über seine Kontakte in der heimischen Jägerschaft hat Jonas Vennemann schon erste Aufträge erhalten. Er geht davon aus, seinen Lebensunterhalt später durch den selbstständigen Job bestreiten zu können. Für das Präparat eines Fuchses etwa, könnten, „je nach bestellter Pose und Aufwand, 400 bis 700 Euro berechnet werden“. Kunden können auch Museen, Jägerschulen oder Waldpädagogische Zentren sein, die präparierte Tiere aus der heimischen Fauna als Anschauungsbeispiele benötigen. Eine weitere Einkommensquelle „mit steigender Nachfrage“, sei die Präparation von zu Lebzeiten sehr geliebten Haustieren.

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Dass der Beruf eher ungewöhnlich ist und teils suspekt betrachtet werde, liege sicherlich auch daran, dass in Film-Psychothrillern einige dargestellte menschenmordende Täter, fiktionale wie tatsächliche, „auch mit Vorliebe Tiere oder Insekten präparieren“, weiß Jonas Vennemann. Im Freundeskreis werde er entsprechend gerne mal mit dem Spitznamen „da kommt der Dahmer“ aufgezogen. Frei nach dem Serienmörder Jeffrey Dahmer, der seit seiner Jugend Tierkadaver sammelte und sezierte und dessen Leben und Taten in einer 2022 veröffentlichten Netflix-Serie verfilmt wurden.

Auch junge Frauen finden den ungewöhnlichen Job eher interessant

Die Schädel-Sammlung in Jonas Vennemanns Regal mag uneingeweihte Besucher erschrecken, erklärt sich aber schnell aufgrund seiner beruflichen Profession.
Die Schädel-Sammlung in Jonas Vennemanns Regal mag uneingeweihte Besucher erschrecken, erklärt sich aber schnell aufgrund seiner beruflichen Profession. © FUNKE Foto Services | Heinrich Jung

Im Privatleben habe er bislang aber keine Nachteile empfunden, wenn er in der Freizeit auf Partys oder in Kneipen, darauf angesprochen, von seinem Job erzählt, sagt der Präparator. Auch junge Frauen fänden das Thema eher interessant als abstoßend. Und was dann vielleicht weniger erstaunen mag, das Metier des Präparation ist offensichtlich eine Frauen-Domäne. Zumindest bezogen auf die Ausbildungsklasse von Jonas Vennemann. Von seinen 13 Mitazubis sind zehn weiblich. Und das Menschen auch gleichen beruflichen Interesses gut zusammenpassen, weiß der 25-Jährige selbst: Seine Freundin besucht auch das Präparatoren-Berufskolleg in Bochum, allerdings im Fachbereich Medizin.