Gladbeck. Wenn bei Kröten & Co. die Leidenschaft erwacht, begeben sie sich auf eine lebensgefährliche Wanderung. Gladbecker wollen sie schützen.
Fast wäre es wieder soweit gewesen: Die ersten Kröten und Molche hätten sich auf Wanderschaft begeben. Für die Winterzeit ungewöhnlich milde, ja beinahe frühlingshafte Temperaturen entfachen bei Amphibien nämlich die Leidenschaft, die sie auf die Straßen drängt – ein gefährliches Treiben. Aber was tut Kröte nicht alles für die Liebe und zur Arterhaltung? Dass es aktuell doch noch einmal empfindlich kalt geworden ist, hindert Umwelt-Fachleute in Gladbeck nicht daran, sich über den Schutz der Tiere Gedanken zu machen.
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Schließlich kann das Wetter von einem Tag auf den anderen umschlagen. Und dann werden die wechselwarmen Tierchen munter. Sie wandern aus ihren trockenen Refugien, beispielsweise Wäldern, zu Teichen und anderen Gewässern, um dort zu laichen. „Wir haben in Gladbeck hauptsächlich Erdkröten. Doch auch Grasfrösche und Molche sind hier zuhause, allerdings keine Teich- oder Bergmolche“, sagt Michael Korn vom Naturschutzbund (Nabu) Gladbeck und erklärt: „Die Weibchen schleppen die Männchen auf dem Rücken zum Laichgewässer.“ Das bedeutet: Bei einem „Autounfall“ eines solchen tierischen Doppeldeckers werden gleich zwei Tiere auf einen Schlag getötet.
Hunderte tote Kröten pflasterten den Asphalt in Wittringen
Korn hatte im Jahr 2021 über die WAZ-Lokalredaktion Gladbeck drastische Fotos an die Öffentlichkeit gebracht, die das Krötensterben auf dem Asphalt in Wittringen dokumentierten. „Im ganzen Stadtgebiet werden Tiere überfahren“, weiß der Nabu-Mann, in Wittringen konnte man hingegen getrost von einem Massensterben sprechen. Hunderte tote Amphibien pflasterten dort die Straße. Um das zu ändern, kamen diverse Maßnahmen – von Tempolimit bis Straßensperrung – in die Diskussion. Umgesetzt wurde ein so genannter Krötenzaun – wie an der Berliner Straße.
Ob die Barrieren (siehe Infobox), die in Gladbeck zeitgleich installiert wurden, tatsächlich Amphibien-Leben gerettet haben? „An der Berliner Straße haben wir in den Auffangeimern 523 Tiere registriert, in Wittringen 133“, berichtet Jürgen Harks, „zahlenmäßig dominant waren die Erdkröten.“
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Eine Differenzierung nach Weiblein oder Männlein kann der Leiter der städtischen Umweltabteilung nicht vorlegen. Grund: „Es ist schwierig, die Geschlechter zu erfassen.“ Dem stimmt der Nabu-Experte Michael Korn zu: „Bei Erdkröten ist das Weibchen größer. Bei Grasfröschen zum Beispiel ist die Geschlechterbestimmung nicht so einfach.“
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Wie viele Amphibien auf ihrer „Hochzeitsreise“ ihr Leben unter Autoreifen lassen mussten, ist ebenfalls nicht dokumentiert. Harks begründet dies: „Wir wollten die freiwilligen Helfer, die auch mit Kindern unterwegs sind, nicht mit totgefahrenen Tieren konfrontieren.“
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Sowohl der Experte der Stadtverwaltung als auch der Nabu-Fachmann finden: Krötenzäune machen Sinn und zahlen sich aus, weil Amphibien vor einem Ende auf der Straße bewahrt werden. Harks findet: „Mehr als 600 gerettete Tiere, das ist schon ein Erfolg, auch ein naturschutzmäßiger Erfolg.“ Michael Korn betont: „Jedes Lebewesen hat ein Recht auf Leben. Amphibien sind wichtig für ihren Lebensraum, weil sie zum Beispiel Insekten fangen und als Regulator fungieren. Alles steht im Tierreich in einem Zusammenhang und darf nicht isoliert betrachtet werden.“
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Stichwort: „Krötenzaun“
Bei Krötenzäunen handelt es sich um eine etwa einen halben Meter hohe Barriere in Kombination mit eingegrabenen Eimern entlang von Straßen, die die Tiere auf ihrem Weg zu einem Laichgewässer queren müssen. In die Behältnisse plumpsen die Amphibien.
Menschliche Retter fischen Kröten & Co. aus den Eimern und spielen Taxi, indem sie die aufgefangenen Tiere von hüben nach drüben bringen. Jürgen Harks, Chef der städtischen Umweltabteilung in Gladbeck, berichtet: „Im vergangenen Jahr hatten wir insgesamt etwa 20 freiwillige Helfer an der Berliner Straße und in Wittringen, unterstützt von Kollegen des ZBG.“
Korn meint: „Wenn ich eine Empfehlung abgeben dürfte, wäre es diese: den Zaun an der Berliner Straße verlängern, eventuell am Waldrand entlang.“ Harks Überlegung geht genau in diese Richtung. „An der Berliner Straße den Schutzzaun im Bereich der Kita verlängern.“ Wie viel „Kröten“ – finanziell gesehen – in solch ein Projekt fließen, kann er beziffern: „Ungefähr 100 Meter Zaun kosten 600 Euro. Dieser Schutz ist eine normale Haushaltsposition.“ Er wisse derzeit von keiner weiteren Stelle in Gladbeck, an der eine Amphibien-Barriere notwendig wäre.
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Der Nabu-Experte Korn kann sich ergänzend – für Wittringen – eine klitzekleine Kröte vorstellen, die Menschen mit motorisierten Untersätzen zu schlucken hätten: ein Tempo-Limit. Dann hätten die tierischen Huckepack-Liebespaare wenigstens eine Chance, wegzuhopsen und sich in Sicherheit zu bringen.
Es könnte sein, dass Amphibien sich bald wieder auf den Weg machen. Und zwar, wenn die Temperaturen dauerhaft nachts nicht kälter als bei fünf Grad liegen.