Gladbeck. Die Gladbeckerin übt Kritik gegenüber dem Stadtverbandsvorsitzenden Drosdzol. Sie rügt zudem den rechtskonservativen Flügel der örtlichen CDU.

Müzeyyen Dreessen hat aus Protest alle Ämter bei der CDU Gladbeck niedergelegt. Dies betrifft ihr Ratsmandat, ihren Vorsitz im CDU-Ortsverband Mitte, im Vorstand der Frauen Union und ihren Posten als Beisitzerin im Stadtverband. Die 59-Jährige informierte die Fraktion und einige ihr wichtigen CDU-Mitglieder in einem internen drei DIN A 4 Seiten langen Schreiben (das der WAZ vorliegt) über ihre Beweggründe. Darin übt sie deutliche Kritik am Stadtverbandsvorsitzenden Dietmar Drosdzol und dem aus ihrer Sicht zu rechtskonservativen „Flügel“ der CDU Gladbeck sowie dessen Position gegenüber Migranten und Flüchtlingen.

Stadtverbandsvorsitzender Dietmar Drosdzol weist die Vorwürfe zurück.
Stadtverbandsvorsitzender Dietmar Drosdzol weist die Vorwürfe zurück. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Drosdzol habe sie nicht angeschrieben, teilt Dreessen im Schreiben mit, weil er auf ihre Bitte um ein Gespräch seit Monaten nicht reagiert habe. Bei ihr habe sich viel angestaut. Alle Flügel der Partei, ob wertkonservativ, liberal oder sozial, müssten „gleichberechtigt miteinander schlagen können“. In Gladbeck sei die CDU aber „in erheblichen Teilen so rechtskonservativ, dass man sich manchmal fragen muss, wofür das „C“ im Namen überhaupt noch steht, und wo das Herz geblieben ist“, schreibt Dreessen.

Um ein paar AfD-Wähler zu erreichen, werde die CDU noch mehr aus der Mitte verlieren

Sie störe schon lange „der ständige defizitorientierte Blick von einem erheblichen Teil der Fraktion und Partei auf Menschen mit Zuwanderungsgeschichte und Flüchtlinge“. Dies sei „nicht unser Klientel“, heiße es immer, „aber wenn die CDU sich nicht breiter öffnet, ihren religiösen Wurzeln entsprechend Nächstenliebe lebt und diese ausstrahlt, wird sie in einer Stadt wie Gladbeck keine Mehrheiten bekommen. Um ein paar AfD-Wähler zu erreichen, wird sie noch mehr aus der Mitte und der Vielfalt verlieren. Klientelpolitik ist nicht zukunftsfähig“, kritisiert Dreessen, die als Kind aus der Türkei zugewandert ist.

Mit Ev. Pfarrer verheiratet

Müzeyyen Dreessen, Jahrgang 1961, ist Diplom-Sozialpädagogin (Universität Essen). Sie kam an der türkischen Schwarzmeerküste zur Welt und im Alter von 8 Jahren nach Deutschland, wuchs in Duisburg auf. Seit 1984 ist sie mit dem Ev. Pfarrer Thomas Dreessen verheiratet, hat mit ihm drei Kinder, zwei Töchter und einen Sohn, das Paar lebt seit 1991 in Gladbeck. Vielen Gladbeckern wurde sie zunächst über ihr Engagement im Frauenbeirat der Ditib-Moschee oder bei der Initiative zum Erhalt der Zechensiedlung Phönixstraße bekannt.

2003 schloss sich Dreesen der Partei Bündnis 90 / Die Grünen in Gladbeck an, wurde dort als Migrationspolitische Sprecherin aktiv. Nach einigen Jahren verließ sie die Partei, wurde 2009 Mitglied der CDU. Sie kandidierte erfolgreich für den Stadtrat, leitete den Ausschuss für Soziales, Senioren und Gesundheit. Sie ist Initiatorin des interkulturellen Frauenfrühstücks, Vorsitzende des Freundeskreises Gladbeck-Alanya. Im Jahr 2001 wurde Müzeyyen Dreessen die erste Appeltatenmajestät mit Migrationshintergrund.

Sie ärgere zudem, dass Frauen im Stadtverband nicht gleichberechtigt behandelt würden. „Die aktuelle Kungelei und Verteilung von Posten, die durchsickert, wo wieder alle entscheidenden Positionen unter den Männern verteilt werden, war nur noch der Tropfen, der das Fass bei mir zum Überlaufen gebracht hat.“ Sie hätte gerne „das Amt der stellv. Bürgermeisterin übernommen“ und sich „eine weiblichere und jüngere Erneuerung in der Außendarstellung der Partei gewünscht“.

Stadtverbands-Chef weist die „an den Haaren herbei gezogenen“ Vorwürfe zurück

Stadtverbandsvorsitzender Dietmar Drosdzol sagt gegenüber der WAZ, dass mit diesem Schritt keiner gerechnet habe und weist zugleich „die Vorwürfe zurück“. Die Medaille habe immer zwei Seiten und vieles im Schreiben sei „an den Haaren herbei gezogen“. Es gebe in der Partei „keine Kungelei und Pöstchenvergabe“. Es sei nun mal so, „dass der gewählte Fraktionsvorsitzende wie in jeder anderen Partei auch seine Mannschaft zusammenstellt“. Und starke Frauen, die in der Partei etwas bewirken wollten, „schaffen das auch ohne Frauenquote“.

Auf Anfrage der WAZ teilt Dreessen mit, dass sie ihren Rückzug eigentlich nicht öffentlich machen wollte. Sie bleibe CDU-Mitglied (seit 2009), „weil ich mit der Politik im Land und im Bund zufrieden bin“. Als Ehrenamtliche wolle sie auf verschiedenen Feldern weiter aktiv bleiben. Um kritischen Denkansätzen aus der Stadtgesellschaft außerhalb der Parteipolitik Gehör zu verschaffen, denkt Müzeyyen Dreessen über einen Bürger-Rat nach, „in dem Themen, die unsere Stadtgesellschaft bewegen, offen thematisiert werden, Anregungen aufgenommen, gemeinsam entwickelt oder an Problemlösungen gearbeitet wird“.