Gladbeck. Bisher gab es in Gladbeck noch drei Bäckereien. Nach 55 Jahren schließt Markus Walinski nun seinen Betrieb. Er sieht keine andere Chance.
Einer der wenigen noch verbliebenen heimischen Bäckermeister zieht die Reißleine. Markus Walinski schließt seine Backstube und sein Geschäft an der Gildenstraße Ende dieses Jahres. „Arbeit haben wir genug“, sagt der 55-Jährige, „aber die enorm gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise lassen uns keine andere Wahl.“
Noch im Oktober zeigte sich Markus Walinski im Gespräch mit der WAZ zumindest verhalten optimistisch und auch kämpferisch. „Wir geben alles, damit wir nicht schließen müssen“, sagte er. Arbeitsabläufe wurden, wo immer es ging, optimiert, sogar Einnahmeverluste habe er in Kauf genommen. Inzwischen aber sieht er keine Möglichkeit mehr, den Betrieb zu erhalten.
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Zu den Kunden des Familienbetriebs gehören Menschen aus der Umgebung und auch Seniorenheime
Der Strompreis ist von 1000 Euro auf 2000 Euro pro Monat gestiegen, für Gas müsste er, wenn er Ende des Jahres aus der Grundversorgung fällt, statt ca. 1000 Euro 5500 Euro monatlich bezahlen. Die Rohstoffpreise haben sich deutlich erhöht, für Papier und Plastiktüten muss er das Siebenfache bezahlen. „Solche Steigerungen können wir nicht an unsere Kunden weitergeben.“ Zu denen gehören, neben vielen Menschen aus der Umgebung, die „ihrer“ Bäckerei schon viele Jahre die Treue halten, neun Seniorenheime.
Bäckerei Kiefer eröffnet zweite Filiale in Gladbeck
Während die Familienbäckerei Walinski zum Jahresende ihren Betrieb aufgibt, eröffnet die Bottroper Traditionsbäckerei Kiefer in Gladbeck eine zweite Filiale – an der Heinrichstraße 47.
Bäckermeister Siegfried Kiefer hat indes seine Filiale am Firmensitz an der Gladbecker Straße 189 in Bottrop geschlossen. Am Standort werden in der Backstube aber weiterhin Backwaren produziert. Kiefer betreibt wie zuvor vier Filialen, zwei in Bottrop und zwei in Gladbeck (darunter die bereits bestehende an der Kirchhellener Straße 51).
Markus Walinski ist Bäckermeister in der dritten Generation. Seine Großeltern machten sich 1936 selbstständig, Vater Klaus (82) und Mutter Ingrid (76) folgten ihrem Beispiel 1967, übernahmen als Pächter die Bäckerei Bugzel ein paar Häuser vom heutigen Standort entfernt, kauften 1988 das Wohnhaus Gildenstraße 5, bauten das Erdgeschoss als Backstube und Geschäftslokal um. 2003 übernahm Markus Walinski, der vor 25 Jahren die Meisterprüfung abgelegt hat, den Betrieb. Die Eltern helfen noch mit, Markus Walinskis Schwester Barbara Fleischer steht hinter der Theke. Zudem arbeiten bei Walinski vier weitere Verkäuferinnen, zwei Gesellen in der Backstube und zwei Fahrer. Fast alle haben glücklicherweise eine neue Beschäftigung gefunden.
Markus Walinski: Der Spaß bei der Arbeit habe zuletzt nachgelassen
Und wie geht es für den Chef weiter? „Ein paar Jahre muss ich noch in die Rentenkasse einzahlen“, sagt er. „Und Fachkräfte werden ja überall händeringend gesucht. Wenn wir hier alles abgewickelt haben, kümmere ich mich um eine neue Stelle.“ Klar, er werde sich umstellen müssen als Angestellter, „aber damit habe ich kein Problem. Ich kann mich unterordnen.“ Natürlich gebe er den Betrieb nicht leichten Herzens auf, sagt er, aber: „Ich arbeite an sieben Tagen in der Woche je zwölf Stunden, stehe jeden Morgen um halb eins in der Backstube, fahre um neun Uhr nach Hause, schlafe drei Stunden, arbeite dann wieder und gehe abends um 19 Uhr ins Bett. Bei so viel Arbeit muss es auch Spaß machen, und der hat in der letzten Zeit nachgelassen.“
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Ein bisschen tröstet sich der Bäckermeister auch damit, „dass in zehn Jahren ohnehin Schluss gewesen wäre“. Sohn Moritz (21) habe zwar mit dem Gedanken gespielt, in seine Fußstapfen zu treten, „aber das habe ich ihm ausgeredet. Auch angesichts der Konkurrenz in Supermärkten und bei Discountern haben Bäckereien unserer Größenordnung keine Perspektive.“ Der Sohn folgt jetzt stattdessen dem Beispiel seiner Mutter Sandra, die als selbstständige Steuerberaterin arbeitet.
Als Klaus Walinski sich vor 55 Jahren selbstständig machte, gab es in Gladbeck 24 backende Betriebe, erinnert er sich. In wenigen Wochen bleiben mit Zimmermann und Hudde zwei übrig. Zu dieser Entwicklung des Bäckerhandwerks, vor allem aber natürlich zum Ende des von ihm gegründeten Betriebs fällt dem Seniorchef spontan nur dieses Wort ein, das seine Gefühlslage sehr deutlich macht: „Schlimm, schlimm, schlimm!“
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