Gladbeck. Regionaler Energieversorger und IHK machen in einer Pressekonferenz deutlich, was auch in Gladbeck droht, wenn nicht genug Gas eingespart wird.
Mit dem Beginn des Oktobers hat die erste Heizperiode seit der Energiekrise mit Russland und Putins Gasstopp für Deutschland begonnen. Auch der lokale Gasversorger, die Emscher-Lippe-Verteilnetz-Gesellschaft (EVNG), sowie die regionale IHK Nord Westfalen blicken mit Sorge auf den Winter. Denn mit Beginn der Heizperiode steigen die Verbräuche, und die Gasmangellage droht auch in Gladbeck. In einer gemeinsamen Pressekonferenz machten EVNG und IHK jetzt deutlich, wann, warum und wem das Schreckenszenario droht, dass die Gasversorgung zwangsweise abgedreht werden muss. Beide stellten auch die Gründe dar, warum jede höher aufgedrehte Heizung in Privatwohnungen die Gasmangellage verschärft und Solidarität mit individueller Energieeinsparung von rund 20 Prozent so wichtig ist.
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Grundsätzlich mag zunächst beruhigen, dass auch alle Gladbecker Privathaushalte als geschützte Kunden gelten, denen der Gashahn nicht zugedreht werden darf. Anders sieht es für Gewerbe- und Industriegaskunden aus. Sie stehen ab einem bestimmten Gasverbrauch quasi auf der schwarzen Liste der nicht geschützten Kunden und müssen mit Zwangseinsparungen rechnen, die ihre Produktionsprozesse beeinträchtigen können.
Im Versorgungsgebiet der ELE sind 66 Unternehmen vom Gasstopp direkt betroffen
Christoph Queens, Leiter des Gasbetriebes bei der EVNG, nannte dazu Zahlen. Betroffen seien Unternehmen „mit einem Gasverbrauch ab 1,5 Millionen Kilowattstunden pro Jahr“. Das könnte auch energie-intensive Einrichtungen wie große Krankenhäuser oder Senioreneinrichtungen schrecken. Daher gut zu wissen, dass solche Großverbraucher „verschont“ werden, die das Gas zur Wärmeversorgung von privaten Haushaltskunden oder als soziale wie systemrelevante Einrichtung benötigen. Unterm Strich blieben im EVNG-Versorgungsgebiet mit den Städten Gladbeck, Gelsenkirchen und Bottrop 66 Unternehmen übrig, denen im konkreten Krisenfall die Gasreduktion droht. In der Regel zumindest mittelständische Firmen, „die mit energieintensiven thermischen Prozessen produzieren“, so Queens.
Städtespezifisch stehen in Gelsenkirchen 37, in Bottrop 17 und in Gladbeck zwölf Unternehmen auf der „schwarzen Liste“. Dabei wird weiter unterschieden bei den Unternehmen, die mehr als zehn Megawatt Gas im Jahr verbrauchen. Im Städtedreieck sind es 14 Unternehmen. „Diese sind direkt an das deutsche Ferngasnetz angeschlossen und werden nicht über uns als Regionalversorger bedient“, so Queens. In Gladbeck sind es zwei Unternehmen, etwa Flachglashersteller NSG (Pilkington). Im akuten Krisenfall erhalten Letztere eine individuelle Verfügung der Bundesnetzagentur, „welche Gasmenge das Unternehmen einsparen muss“. Für die Großverbraucher unter zehn Megawatt werde eine allgemeingültige Einsparquote festgelegt.
Ein Druckabfall im Gas-Fernleitungsnetz muss verhindert werden
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Der Leiter des EVNG-Gasbetreibers erklärte weiter, welche Parameter die Bundesnetzagentur im Blick hat, um über die Gasbremse zu entscheiden. Dabei gehe es darum, den Druck im deutschen Fernleitungsnetz mit einer Gesamtlänge von rund 40.000 Kilometern konstant zu halten, das die regionalen Netze mit Gas versorgt. Und sinke die Einspeisungsmenge, drohe ein Druckabfall mit der Gefahr von höheren Luftanteilen und somit der Entstehung leichter zündfähiger Gemische, so Queens. Der Druckerhalt sei für die Bundesnetzagentur somit wichtig. Die dazu kritische Heizphase hat jetzt begonnen. Sie geht bis zum März, eben bis die Temperaturen wieder steigen. Es droht nach Putins Gasstopp, dass der nun steigende Gasverbrauch trotz neu erschlossener Quellen (z.B. Norwegen/entstehende LNG-Terminals) nicht mehr über das täglich neu hinzuströmende Gas gedeckt werden kann. Hier kommt der mittlerweile wieder gut gefüllte Gasspeicher (zu 96 Prozent) ins Spiel, über den fehlendes Gas ersetzt und „hinzugebuttert“ werden kann.
Deutlich wurde dazu aber auch, dass die Bundesnetzagentur hier wohl haushalten muss, um die Winterperiode zu überstehen und die Gasspeicher nicht komplett leer zu fahren. Queens nannte als Grundlage ein Rechenmodell, das etwa für zehn Tage im Voraus die Wetterprognose auswerte und zu erwartende Verbräuche gegenrechne, um die benötigte Gasmenge zu ermitteln. Übersteige der Bedarf und Gasspeicherzuschuss eine kritische Grenze, sei zu erwarten, dass der Gasstopp verhängt werde. „Wobei davon ausgegangen wird, dass bei anhaltender starker Kälte dieser Stopp bis zu 14 Tage andauern könnte.“
Die Privatgaskunden sitzen letztlich am Hebel, um den Gasstopp zu verhindern
Am längeren Hebel, um den Gasstopp zu verhindern, sitzen die Privatgaskunden. Denn sie machen unterm Strich den Großteil des Gasverbrauches in der Region aus, da sie 75 Prozent dieses fossilen Brennstoffes verbrauchen und die Industriegaskunden „nur“ 25 Prozent (bundesweit ist das Verhältnis 60 zu 40 Prozent). Im Gegensatz zur Industrie, die im Jahresverlauf durch gleichlaufende Produktionsprozesse so gut wie keine Verbrauchsschwankungen hat, somit sehr gut berechenbar sei, sehe das bei den Privatkunden ganz anders aus. Denn komme eine plötzliche Kältewelle mit satten Minustemperaturen, sei bislang kräftig die Heizung aufgedreht worden, und der Gasverbrauch schnelle drastisch in die Höhe. Um den Gasdruck zu stabilisieren, berechnete die Bundesnetzagentur, dass ein Einsparpotenzial von rund 20 Prozent bei den Privatgaskunden ausreichen müsste, den Gasstopp zu verhindern.
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Jochen Grütters, Geschäftsführer der IHK Nord Westfalen, führte dazu das bundesweit beachtete „Gelsenkirchener Modell“ an. Dieses sei nach Krisengesprächen auf Einladung der IHK mit regionalen Unternehmen und Befragungen entstanden, wobei auch beantwortet worden sei, „was mindestens an Gas ankommen muss, um die Produktion einigermaßen zu retten“. Mit dem weiteren Ergebnis, „Solidaritätsvereinbarungen auf regionaler Ebene zu treffen“, um durch Einsparungen innerhalb der Unternehmen den Gasstopp zu verhindern, was nun überregionalen Modellcharakter habe. Letztlich deutlich wurde bei der Pressekonferenz, dass es, um das Einsparziel von 20 Prozent zu erreichen, jetzt aber auch auf jeden Privathaushalt ankomme. „Mit der Faustregel“, so Christoph Queens, „dass schon ein Grad weniger bei der Raumtemperatur in der Heizperiode rund sechs Prozent des Erdgasverbrauches einspart“.