Gladbeck. Im Rat der Stadt Gladbeck lösten CDU-Bedenken gegen eine „Pax-Europa“-Resolution einen Streit aus. Wie die Parteien dennoch einen Ausweg fanden.
Überraschende Kontroverse am Donnerstagabend im Gladbecker Rat: Erst lehnte die CDU-Fraktion einen Beschluss gegen die am 12. November in Gladbeck geplante Kundgebung der ultrarechten Bewegung „Pax Europa“ und zur Teilnahme an der Gegenveranstaltung als „rechtswidrig“ ab, am Ende stimmte sie einem anderen, ähnlichen Vorschlag zu. Dazwischen: Zwei Sitzungsunterbrechungen, ein heftiger politischer Schlagabtausch und eine frustrierte Bürgermeisterin.
Der Unterschied zwischen den beiden Beschlussvorschlägen: Der eine Vorschlag kam von der Verwaltung mit Bürgermeisterin Bettina Weist an der Spitze, der zweite aus der Politik, getragen von den fünf Fraktionen SPD, Grüne, FDP, Linke und ABD. Für die CDU-Ratsfraktion ein feiner, aber juristisch wichtiger Unterschied, wie Rymann vor dem Rat erläuterte.
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CDU: Bürgermeisterin darf nicht lenkend in den Meinungsbildungsprozess eingreifen
Die Stadtverwaltung mit Bürgermeisterin Weist als Verwaltungschefin sei „zu strenger Schlichtheit“ verpflichtet, Amtsträger dürften sich nicht in den Meinungsbildungsprozess mit Empfehlungen „lenkend oder steuernd“ einmischen, so CDU-Fraktionsvorsitzender Rymann. In einem ähnlichen Fall in Düsseldorf sei zuletzt der dortige OB vom Bundesverwaltungsgericht zurückgepfiffen und getadelt worden. „Das brauchen wir hier nicht.“ Die Politik mit ihren Fraktionen – statt der Bürgermeisterin – dürfe allerdings sehr wohl als Teil des Meinungsstreits inhaltlich Position beziehen, merkte der Fraktionschef der CDU abschließend an.
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Trotz des Hinweises auf diesen „politischen Ausweg“ aus der juristischen Sackgasse sei seine Fraktion, beklagte Rymann im Nachgang im Gespräch mit der WAZ, bei der anschließenden Sitzungsunterbrechung und Suche nach einer Lösung von den anderen Fraktionen übergangenen worden. Die wiederum zeigten sich von der CDU enttäuscht, allen voran die SPD-Fraktion. Deren Chef, Wolfgang Wedekind, warf den Christdemokraten vor, sich mit „irrigen juristischen Grundsätzen in die Büsche schlagen zu wollen“, anstatt der „hohen demokratischen Pflicht“ nachzukommen, ein einstimmiges Zeichen gegen Rechts zu setzen.
SPD-Fraktionschef Wedekind: CDU begibt sich in „Dunstkreis extremer Kreise“
„Das ist beschämend“, so Wedekind aufgebracht. Die CDU begebe sich damit in den Dunstkreis extremer Kreise, warf er der Fraktion vor, was Rymann als „wortverdrehend“ zurückwies. Dennoch stimmte seine Fraktion nach einer weiteren Sitzungsunterbrechung und internen Beratung dem neuen Beschlussvorschlag zu, da die Positionierung gegen „Pax Europa“ nun aus der Politik gekommen sei. Nur die AfD mit ihren fünf Ratsleuten votierte gegen den Beschluss (41 dafür). Deren Vorsitzender Marco Gräber sagte, der Rat dürfe sich grundsätzlich nicht gegen die Versammlungs- und Meinungsfreiheit stellen, die „höchsten Güter des Grundgesetzes“.
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FDP-Fraktionschef Michael Tack vertrat dagegen die Meinung, der Rat dürfe sich sehr wohl als Teil einer wehrhaften Demokratie zum Versammlungsrecht positionieren. „Wir dürfen uns nur nicht bekloppt machen lassen.“ SPD-Ratsherr Jens Bennarend sagte, die Stadtgesellschaft dürfe nicht mit üblen Parolen bedroht werden, „das hat nichts mehr mit Meinungsfreiheit zu tun“. Es sei notwendig, „dass wir Farbe bekennen.“
Bürgermeisterin Bettina Weist fühlt sich von der CDU öffentlich vorgeführt
Zuvor hatte sich auch Grünen-Ratsfrau Ramona Karatas enttäuscht von der Debatte gezeigt und eine eindeutige Abgrenzung gegen Rechts und „Pax Europa“ gefordert. Die Freiheit, seine Meinung zu äußern, dürfe nur soweit gehen, solange man nicht andere beschädigt. Linke-Fraktionschef Rüdiger Jurkosek warnte, dass sich trotz der „schnellen Einigung“ der Fraktionen auf einen neuen Resolutionstext „solche Leute“ wie die von „Pax Europa“ nicht aufhalten ließen. „Die Arbeit fängt erst an, das System Demokratie zu verteidigen.“
Bürgermeisterin Bettina Weist (SPD) fühlte sich durch das taktische Vorgehen der CDU-Fraktion als Verwaltungschefin und Vorsitzende des Rates belehrt und vorgeführt, wie sie am Ende der Diskussion kritisch anmerkte. „Und das nicht zum ersten Mal“, sagte sie sichtbar enttäuscht. Sie hatte zu Beginn der Debatte den Rat dazu aufgerufen, gemeinsam gegen Rechts, gegen die Kundgebung von „Pax Europa“ Position zu beziehen. Die Parolen und die Wortwahl der Bewegung seien „zutiefst erschütternd“. Weist: „Wir müssen uns wehren und Hand in Hand Zivilcourage zeigen.“