Gladbeck. Gladbecks neu gewählte Bürgermeisterin Bettina Weist sieht Chance auf Stunde Null im Rat. Auch Stärkung der Bürgerbeteiligung ist ihr wichtig.
Die neue Bürgermeisterin Bettina Weist (SPD) will im künftigen politischen Miteinander einen „anderen Umgang“ pflegen. „Wir haben die große Chance auf eine Stunde Null im neuen Rat, in dem viele neue und viele junge Leute Politik machen werden“, sagte das frisch gewählte Stadtoberhaupt in Gladbeck bei einem Gespräch in der WAZ-Redaktion. „Das kann ein Neustart für uns alle werden“, beteuerte die 52-jährige noch amtierende Schulamtsleiterin, die sich selbst als „Newcomerin“ in der Politik bezeichnet und künftig dem Rat vorsitzt.
Vor allem im Rat, wo es in der Vergangenheit nicht selten zu Konfliktsituationen zwischen Mehrheitsfraktion und Bürgermeister auf der einen und den Oppositions-Fraktionen auf der anderen Seite gekommen ist, wolle sie einen neuen Stil etablieren. „Mein großes Bestreben ist es, sich im politischen Diskurs sachlich auseinanderzusetzen, auch zu streiten, aber so, dass man sich hinterher noch in die Augen blicken kann.“
Fünf Wochen Übergangsfrist
Gewählt – aber noch nicht im Amt: Offiziell wird Bettina Weist erst am 1. November Gladbecks Bürgermeisterin. „Diese Übergangszeit tut gut, man kann sich gedanklich daran gewöhnen, dass jetzt das eingetreten ist, worauf man so lange hingearbeitet hat.“ Aber auch ganz handfest gilt es, sich umzugewöhnen: Inzwischen sei erste Post mit der Anrede „Frau Bürgermeisterin“ eingetroffen.
Neben dem eigentlichen Job im Schulamt werde sie nun mehr und mehr in die Arbeit im Bürgermeisterbüro mit eingebunden. Aber auch die politischen Verbindungen vertiefe sie nun und suche erste Kontakte zu den Gladbeckerin als neue erste Bürgerin der Stadt.
Bettina Weist will eigene Akzente auch in der Ausrichtung der Verwaltung setzen
Es gebe oft gemeinsame Schnittmengen, so dass ein größter Konsens auch mit dem politischen Gegner möglich sein sollte. Weist: „Wir stehen in der Verantwortung, auch gerade jetzt in schwierigen Zeiten, sachlich zu debattieren – zum Wohle der Stadt.“
Eigene Akzente wolle sie auch in der strukturellen Ausrichtung der Verwaltung setzen – aber behutsam. Es gelte, die Verwaltung, die unter Bürgermeister Ulrich Roland bereits umfassend und gut umgebaut wurde, weiter zukunftsfähig aufzustellen. Jede Zeit habe ihre Herausforderung, denen müsse man begegnen können. Schnittstellen im Rathaus sollten optimal genutzt werden.
Bettina Weist wird voraussichtlich am 5. November im Rat vereidigt
Vieles hänge von der finanziellen Ausstattung der Stadt ab, die nach den Steuereinbrüchen durch die Corona-Pandemie alles andere als zukunftssicher ist. „Die Stadt muss ihre Handlungsfähigkeit behalten, darf nicht allein gelassen werden“, so die neue Bürgermeisterin, die am 1. November formal die Aufgabe übernimmt und voraussichtlich am 5. November im Rat vereidigt und in ihre neues Amt eingeführt wird. „Es kann doch nicht anders gehen, als dass die Regelung, dass die coronabedingten Steuerausfälle ausgeglichen werden, verlängert wird.“
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Die Herausforderungen der Corona-Pandemie sieht Weist als die dringendste Aufgabe, die sie zu Beginn ihrer Amtszeit angehen müsse. „Es wird die erste Aufgabe sein, diese Krise zu begleiten und zu managen“, so Weist. Corona habe Auswirkungen auf viele Bereiche, wie etwa Schule, Wirtschaft aber auch das Zusammenleben. „Wir haben in Gladbeck gute Netzwerke und Strukturen sowie einen guten Zusammenhalt. Wir müssen sehen, dass Corona uns nicht auseinandertreibt.“ Die Schließung von Begegnungsstätten sei etwa für viele Senioren ein harter Einschnitt gewesen. „Wir werden neue Formen finden müssen.“
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Als Bürgermeisterin will Weist Stadtteil-Konferenzen in Gladbeck etablieren
Ein großes Thema für Weist ist die Bürgerbeteiligung. „Die Zeiten sind vorbei, in denen per Order von oben etwas entschieden wird.“ Der ausscheidende Bürgermeister Roland habe damit begonnen, das Rathaus zu öffnen, etwa immer wieder Kinder und Organisationen eingeladen. Weist will das ausweiten. „Ich war im Wahlkampf viel bei den Menschen vor Ort, und die haben sich so gefreut, dass ich mir ein Bild von der Situation draußen machte.“ Sie habe gemerkt, dass es ein großes Bedürfnis gebe, im Ortsteil etwas anzusprechen. Idee der neuen Bürgermeisterin ist es, Stadtteil-Konferenzen zu etablieren. „Die Menschen sollen gehört werden. Ich möchte nicht, dass sich einzelne Stadtteile abgehängt fühlen. Da möchte ich ganz viel Kraft reingeben.“ In welchem Rhythmus und nach welcher Priorität die Konferenzen stattfinden sollen, ist noch unklar.
Zunächst komme es für die frisch gewählte Bürgermeisterin darauf an, sich einen Überblick zu verschaffen. „Ich werde gucken, wie die Prozesse laufen, und dann sehen, wo es Handlungsbedarf gibt.“