Gladbeck. Die Grundsteuerreform könnte vor allem für Gladbecker mit älteren Immobilien böse Überraschungen bereithalten. Das ist der Grund dafür.

Viel ist über die Grundsteuerreform gesprochen worden, viel geschrieben, viel geschimpft. In Gladbeck, einer Stadt mit einem sehr hohen Hebesatz von 850 Prozent, könnte die Reform potenziell sozialer Sprengstoff sein, sollte die Grundsteuer ab 2025 für einzelne Gladbecker extrem ansteigen. So geschehen in Duisburg, wo ein Hausbesitzer statt 103,82 Euro in Zukunft 887,66 Euro zahlen muss – sollte die Stadt ihren Hebesatz nicht nach unten korrigieren.

+++ Folgen Sie der WAZ Gladbeck auch auf Facebook+++

Diese Gegebenheit hängt mit dem Baujahr der Duisburger Immobilie zusammen, sie wurde vor 1964 errichtet, dem Jahr, in dem in Westdeutschland das letzte mal die Grundsteuer angepasst wurde. Auch in Gladbeck stehen etliche Häuser, die in diese Kategorie fallen. Könnte der unerbittliche Grundsteuerhammer also auch Gladbecker treffen? Wie wird die Grundsteuer eigentlich berechnet? Und was ist überhaupt ein Hebesatz? Fragen und Antworten.

Wie wird die Grundsteuer berechnet?

Auch die „neue“ Grundsteuer, die ab 2025 in Kraft treten soll, wird mit drei Faktoren berechnet, die miteinander multipliziert werden. Der erste davon ist der Grundsteuerwert. Die Angaben, die Immobilienbesitzer dem Finanzamt machen müssen, beeinflussen diesen Wert. Der wortwörtliche Wert des Bodens und die Nettokaltmiete, die vom Mietniveau der Stadt abhängt, sind entscheidend. Außerdem zählen auch Art und Größe des Grundstück, genau so wie das Alter des Gebäudes.

Dann kommt die Steuermesszahl ins Spiel. Die soll die Wertsteigerung ausgleichen, die ja seit 1964 nicht mehr angepasst wurde. Dafür wurde die Steuermesszahl massiv von 0,35 Prozent auf 0,031 Prozent gesenkt. Dritter und letzter Faktor, und gemeinsam mit dem Grundsteuerwert Ursache für potenziellen Gram bei Besitzern alter Immobilien: der Hebesatz der Stadt Gladbeck. Der liegt momentan bei 850 Prozent, ein Topwert im Bundesland, und wird vom Rat der Stadt bestimmt. Eine Beispielrechnung für dieses abstrakte Konstrukt könnte so aussehen: Grundsteuerwert 300.000 Euro multipliziert mit Steuermesszahl 0,031 Prozent multipliziert mit dem Hebesatz 850 Prozent ergibt eine zu zahlende Grundsteuer von 790,50 Euro im Jahr

Wieso kann die Grundsteuer für Gladbecker mit alten Immobilien so stark ansteigen?

Prinzipiell, das teilt die Oberfinanzdirektion (OFD) Nordrhein-Westfalen auf WAZ-Anfrage mit, könne die Grundsteuer für jeden Grundstückseigentümer steigen, fallen oder sinken. Weil der Faktor Grundsteuerwert nun erstmalig seit 1964 neu bemessen wird, könnte dieser Wert für Nachbar A steigen, der für Nachbar B aber fallen. Das hängt mit den oben beschrieben Kriterien zum Wert des Landes, Grundstücksgröße, Bebauung und mehr zusammen. Das ist gleichzeitig auch der Anlass, die Grundsteuer überhaupt zu reformieren: Grundstücke und Gebäude unterschiedlicher Beschaffenheit wurden gleich bewertet, und damit eben auch: ungerecht.

Mehr Nachrichten aus Gladbeck:

Häuser, die vor 1964 erbaut wurden, könnten nun also einen ganz anderen Grundsteuerwert erhalten, so geschehen im Fall in Duisburg. Wenn dieser Wert viel höher liegt als bisher, steigt logischerweise auch die zu zahlende Grundsteuer. Eine leise Hoffnung bliebe in diesem Fall aber: der Hebesatz.

Hebesatz: Was bedeutet Aufkommensneutralität?

Denn die Absicht des Bundesfinanzministeriums als Mahatma Gandhi der Grundsteuerreform ist, „aufkommensneutral“ zu reformieren. Soll heißen, dass zum Beispiel die Stadt Gladbeck nach der Grundsteuerreform nicht mehr oder weniger damit einnehmen soll als davor. „Das Ministerium der Finanzen wird daher sämtliche Kommunen öffentlich über den jeweiligen Hebesatz informieren, der zur Aufkommensneutralität in der jeweiligen Kommune führt. So wird Transparenz darüber ermöglicht, ob seitens der Kommune mit den Hebesätzen Steuern erhöht, gesenkt oder gleich gelassen werden,“ erklärt OFD-Sprecherin Jessica Jasper.

Die Städte und Kommunen in Deutschland haben bereits angekündigt, diese Aufkommensneutralität anzustreben. Das heißt im Umkehrschluss aber auch: Sollte die zu erwartende Grundsteuer für die Stadt nach der Reform niedriger sein als zuvor, wird der Hebesatz angehoben, darüber entscheidet der Rat der Stadt. Steigt nun also der Grundsteuerwert einer Immobilie und der Hebesatz wird angehoben, muss ein Grundstücksbesitzer mehr zahlen. Sind die Vorzeichen umgekehrt, sinkt die Grundsteuer. Welches Szenario eintritt, hängt davon ab, ob die Mehrzahl der Gladbecker Immobilien niedrigere Grundsteuerwerte bekommt – oder höhere.

Ob der Hebesatz Gladbecks nun steigt oder fällt, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht klar. Möglicherweise kann erst 2024 entschieden werden, erst dann, wenn die Daten zu den neuen Grundsteuerwerten vorliegen. Ein höherer Hebesatz bedeutet natürlich generell, dass die Grundsteuer steigt, deswegen ist für Immobilienbesitzer der Grundsteuerwert die entscheidende Zahl. Und so gilt vor allem für Besitzer von Häusern, die vor 1964 erbaut wurden: Zittern, bis der Steuerbescheid kommt.