Gladbeck. Gladbecker retten und verteilen Lebensmittel aus Supermärkten oder Bäckereien, die weggeworfen werden sollen. Das steckt hinter der Bewegung.

In Gladbeck noch nicht so bekannt, könnte man sie als eine Art Robin Hoods, oder besser gesagt „Robin Foods“ bezeichnen. Eine Anzahl Engagierter, die sich ehrenamtlich darum bemühen, Lebensmittel zu retten und zu verteilen, die sonst in der Mülltonne landen würden. Sie haben sich in der Gruppe Foodsharing Gladbeck organisiert und sind damit Teil einer deutschlandweiten Bewegung. Warum die aktiven Foodsaver momentan besonders viel zu tun haben, berichtet die Botschafterin für Gladbeck, Jacqueline Hell.

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„Wir sind jetzt regelmäßig auf viel mehr Touren unterwegs, weil wir versuchen, den momentanen Ausfall der Tafel zu kompensieren, indem wir die Betriebe abfahren, die sonst Lebensmittel für den Tafelladen zur Verfügung stellen.“ Mit der sozialen Institution, die nachweislich bedürftige Menschen mit Lebensmitteln versorgt, wolle man aber keinesfalls konkurrieren. „Wenn die Tafel wieder selber fährt, hat sie Vorrang. Wir würden uns aber über eine Kooperation freuen, um die Lebensmittel verteilen zu können, die die Tafel nicht verwertet.“

Etwas gegen die Verschwendung von Lebensmitteln tun

In das Fairteiler-Regal an der Fußstraße werden die geretteten Lebensmittel einsortiert, die sich jeder Interessierte kostenlos abholen kann.
In das Fairteiler-Regal an der Fußstraße werden die geretteten Lebensmittel einsortiert, die sich jeder Interessierte kostenlos abholen kann. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

Denn das ist das Ziel der Foodsaver, also Lebensmittelretter: „Etwas gegen die Verschwendung von Lebensmitteln in der Wegwerfgesellschaft zu tun“. Denn in Bäckereien, Supermärkten oder Betrieben würden tagtäglich Lebensmittel entsorgt, die aus den Verkaufstheken und -regalen aussortiert werden. „Gemüse, Obst, Fleischwaren, Molkereiprodukte oder Konserven, die, auch wenn sie nicht mehr ganz frisch sind oder das Mindesthaltbarkeitsdatum knapp abgelaufen ist, für den Verzehr noch geeignet sind“, kritisiert Hell.

Dabei denken die Foodsaver nicht nur an sich selbst, sondern wollen der Allgemeinheit etwas Gutes tun. „Wir haben einen so genannten Fairteiler, ein überdachtes Regal an der Fußstraße 31 in Schultendorf aufgestellt“, so Jacqueline Hell. „Dort werden von uns gerettete Lebensmittel einsortiert, die sich jeder – vom Obdachlosen bis zum Professor – abholen kann.“ Das sei für ihn eine prima Sache, sagt ein Besucher am Fairteiler, der sonst den Tafelladen besucht hat. „Die kostenlosen Lebensmittel helfen mir und meiner Frau sehr“, so der 58-jährige Langzeitarbeitslose, „da wir nach Abzug aller Kosten monatlich nur 250 Euro zum Leben haben“.

654 Mitglieder hat die Foodsharing-Gruppe in Gladbeck bereits

Publik gemacht werden die neuen Befüllungen über die Facebook-Gruppe der Gladbecker Foodsharer, die sich 2019 gegründet und mittlerweile 654 Mitglieder, davon 164 bei Sammeltouren aktive Foodsaver, haben. Hinzu kommen Menschen aus der Nachbarschaft, die über keinen Internetzugang verfügen, aber vom regelmäßigen Angebot wissen und fast täglich am Fairteiler vorbeischauen. Darunter Senioren oder auch Schulkinder auf dem Weg nach Hause, die sich einen Apfel oder eine Banane schnappen.

Wunsch: Mehr Betriebe und Fairteiler im Stadtsüden

Die Foodsharer berichten von Menschen aus dem Stadtsüden, die beklagen, dass sie aufgrund längerer Anfahrt bis zum Fairteiler in Schultendorf oft zu spät kommen, vieles schon weg sei, wenn Aufrufe zur Abholmöglichkeit erfolgen. Wunsch ist, auch ein Fairteiler-Regal in Brauck zu installieren. Dafür müsste Privatgrund mit Zugangs- und Anfahrtmöglichkeit zur Verfügung gestellt werden.

Weiterer Wunsch der Foodsharer: Dass sich mehr Betriebe in Gladbeck wie der inhabergeführte Supermarkt, Bäcker, Café-Betreiber, Restaurants oder Werkskantinen beteiligen und übrig gebliebene Lebensmittel zur Verfügung stellen. In Gladbeck konnten bereit 3567 Kilogramm gerettet werden. Kontakt: gladbeck@foodsharing.net

„Kommt schnell vorbei, wir haben viele tolle Kühlwaren, die es schnell zu retten gilt“, postet Jacqueline Hell dann mal über das soziale Netzwerk. „Wir fordern aber als Regel eine gewisse Solidarität, an die anderen zu denken und nicht etwa alle geretteten 30 Schokoriegel in die eigene Tasche zu packen.“ Jeder in der Foodsharing-Gruppe könne darüber hinaus selbst Lebensmittel anbieten, die zu retten sind. Wie kürzlich geschehen mit einer größeren Menge Konserven, „mit denen sich eine Foodsaverin im Corona-Lockdown eingedeckt hatte, deren Haltbarkeitsdatum jetzt langsam ablief“.

Aktive Foodsaver werden in die Hygienevorschriften eingewiesen

Auch diese Lebensmittel konnten von den Gladbecker Foodsavern vor der Mülltonne gerettet werden und werden nun an Lebensmittelretter zum Verzehr verteilt.
Auch diese Lebensmittel konnten von den Gladbecker Foodsavern vor der Mülltonne gerettet werden und werden nun an Lebensmittelretter zum Verzehr verteilt. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

Jacqueline Hell berichtet auch von Aktionen, die wie ein vorgezogenes Weihnachtsfest gewesen seien: „Als in einem Supermarkt ein großes Kühlregal ausgefallen ist und wir massenweise Produkte abholen konnten.“ Es sei ein schönes Gefühl, „zu sehen, wie es mit unserem Aufruf gelingt, die vielen Lebensmittel zu retten“, denn die Schlange der Abholer sei 120 Meter bis ans Ende der Fußstraße lang gewesen. Die Foodsaver freuen sich über weitere Aktive, die sich an den Abholungen beteiligen möchten, deren Termin-Slots via Internet bekannt gemacht werden. „Zunächst muss als Qualifikation via Internet ein Fragen-Antwort-Katalog als Quiz beantwortet werden. Anschließend begleiten die Neuen erfahrene Foodsaver, die sie weiter in die Behandlung der Lebensmittel, Hygienevorschriften und Beachtung von Kühlketten einweisen“.

Abholung und Verteilung passieren rein ehrenamtlich, Kosten etwa für Benzin werden privat getragen, oder das Lastenfahrrad per pedes bewegt. Jacqueline Hell: „Es geht uns um die Sache als Herzensangelegenheit, der Vernichtung von wertvollen Lebensmitteln entgegen zu wirken und anderen Gutes zu tun, in einer Welt, in der viele Menschen hungern müssen“.