Gladbeck. Ende März 1945 warteten die Menschen in Kellern und Bunkern auf den Einmarsch der Alliierten. Als sie kamen, war die Erleichterung groß.
Verwüstete Häuser, demolierte Werksanlagen, Trümmer auf den Straßen, die öffentliche Ordnung in Auflösung: Vor 75 Jahren, in den letzten Märztagen, ging in Gladbeck der Zweite Weltkrieg zu Ende. Die Menschen harrten in Kellern und Bunkern aus, während ihre Heimat in Zerstörung versank. Die Front rückte langsam, aber unaufhaltsam von Nordwesten heran. Bis es am 29. März 1945, dem Gründonnerstag des Jahres, soweit war, die Amerikaner einrückten, Bombenhagel und Kriegseinwirkungen ein Ende hatten, erlebten die Gladbecker schreckliche Kriegstage.
Erste Luftalarme hatte es in Gladbeck schon 1941 gegeben, vereinzelte Bomben waren 1942 aufs Stadtgebiet gefallen. Eine der ersten größeren Bombenangriffe traf Anfang Mai 1943 die Innenstadt. Alliierte Bomber legten Teile der Bismarckstraße (heute Friedenstraße), Hermannstraße und Sandstraße in Schutt und Asche. Ende Mai wurde bei einem weiteren Angriff das St.-Barbara-Hospital getroffen: Mehr als 100 Menschen kamen ums Leben, allein unter den Trümmern des Isolierhauses starben 98 Menschen, darunter 41 Kinder.
Im September 1944 wurde das Krankenhaus zerstört
Ende September 1944 wurde das Krankenhaus bei einem zweiten, vernichtenden Angriff vollkommen zerstört. Große Teile des Hospitals konnten zuvor in ein Ausweichquartier, das Stollenkrankenhaus unter der Moltke-Halde, gebracht werden. Eine Fünf-Zentner-Bombe traf die Lambertikirche und beschädigte sie schwer. Immer häufiger wurden derweil Jugendliche als Luftwaffenhelfer bei der Flak eingesetzt. Die Schulen waren seit Juli 1943 geschlossen.
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Im Juli 1944 überstand die Stadt einen Angriff mit Abwurf von 209 Sprengbomben ohne Tote und Verletzte. Bei den Angriffen im September 1944 zählte man hingegen über 100 Tote. Immer häufiger waren nun auch Jagdbomberangriffe im Tiefflug über Gladbeck im Einsatz. Ende 1944 wurde der Vestische Hof, einer der repräsentativsten Gebäude der Stadt, verwüstet. Bei einem weiteren Angriff wurde das Rathaus demoliert, der Ostflügel war zerstört, mit ihm der Ratssaal.
Am 22. März 1945 begann eine dreitägiges Dauerbombardement
Zur Jahreswende 1944/45 war erneut die Innenstadt Ziel eines Luftangriffs. Kurz vor Kriegsende, im März 1945, intensivierten die Alliierten noch einmal ihre Angriffe. Mitte des Monats fielen auf Brauck über tausend Bomben - in der Stinneskolonie, an Kösheide und Horster Straße gab es große Schäden. Die Marienkirche war schwer zerbombt. Luftminen fegten auch in der Innenstadt Häuser an Hoch-, Zweckeler- und Kirchhellener Straße weg. Die Villa Küster lag in Trümmern, zerstört wurde auch die Christuskirche durch einen Treffer.
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Doch der weitaus schlimmste und intensivste Angriff aus der Luft sollte den Gladbeckern noch bevorstehen: Vom 22. bis 24. März mussten sie ein verheerendes dreitägiges Dauerbombardement ertragen. Ellinghorst und Rentfort waren erste Ziele, ganze Straßenzüge wurden zerstört. Ins Visier nahmen die alliierten Bomber vor allem die Gleisanlagen nördlich des Bahnhofes West, auf denen Militärtransporte vermutet wurden.
Phosphor löste verheerende Brände aus
Es wurden aber auch gezielt Wohnquartiere bombardiert, um die in den Kellern hausende Bevölkerung weiter zu demoralisieren. Die Kampfflieger warfen Sprengbomben ab, danach Brandbomben und schließlich das gefürchtete Phosphor, das verheerende Brände auslöste. Am 23. März wurde vor allem Schultendorf getroffen. Aber auch die Innenstadt brannte lichterloh, vor allem die westliche Hochstraße zwischen Horster Straße und Rathaus bot ein Bild der Verwüstung, auch Post und Mädchengymnasium waren Ruinen.
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Am dritten Tag des Dauerbombardements, am 24. März, wurde vor allem die Innenstadt angegriffen, viele Geschäfte waren danach verwüstet, auch das Rathaus wurde erneut getroffen, ebenso das Marthaheim und das heutige Ratsgymnasium. Zerbombte Straßenbahnwaggons reckten nach dem Angriff ihre Stahlgerippe in den Himmel. Allein an den drei Tagen des Dauerbombardements starben in Gladbeck mehrere hundert Menschen.
Das Kriegsende kam endlich in der Karwoche
Die Karwoche 1945 brachte Gladbeck schließlich das Kriegsende. Die Luftbombardements ließen nach, dafür kam der Kanonendonner näher. OB Bernhard Hackenberg hielt im Stollen der Moltke-Halde mit 30 Mitarbeitern die letzte Amtsbesprechung ab. Er erklärte die Verwaltung für aufgelöst und das Stadtgebiet Gladbeck zum Operationsgebiet. Gleichzeitig unterstellte er die Stadt den Befehlshabern der Wehrmacht, die inzwischen in Dorsten ihren Kommandostand hatten. Die 9. US-Armee unter Generalleutnant Simpson stand vor Kirchhellen und Dorsten. Hackenberg, der ahnte, was auf die Stadt zukam, flüchtete augenblicklich aus dem Kriegsgeschehen und überließ Gladbeck und seine Bürger ihrem Schicksal.
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Am Montag, 26. April, formierte sich ein allerletzter Volkssturm, die Wehrmacht schickte aus Buer ein letztes Aufgebot nach Gladbeck. Mitte der Karwoche 1945 hörten die Menschen, die in Kellern und Bunkern ausharrten, einem ungewissen Schicksal entgegen zitterten und das Kriegsende herbeisehnten, ununterbrochenen Geschützdonner. Ihre Heimat versank in Zerstörung.
Am Mittwochabend lag die Front mitten auf dem Stadtgebiet
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Aus westlicher und nördlicher Richtung rückte die Front unaufhaltsam näher, Wehrmachtssoldaten wurden beobachtet, wie sie Richtung Buer und Horst flüchteten. Am Mittwoch, 28. März, rückte eine US-Panzereinheit von Dorsten nach Gladbeck aus. Stoßtrupps tauchten zunächst in Zweckel und Rentfort auf und wagten sich bis zum Abend bis zu den Möllerschächten vor – die Front lag jetzt mitten auf dem Stadtgebiet.
Am Gründonnerstag, 29. März, rückte die US-Infanterie weiter Richtung Süden vor. Inzwischen mutlose Wehrmachtsangehörige überließen die Innenstadt fast kampflos den überlegenen und motivierten GIs. Auf ihrem Rückzug sprengten die deutschen Soldaten die Autobahnbrücke an der Heilig-Kreuz-Kirche. Was die Alliierten allerdings nicht aufhielt: Brauck und Butendorf erreichten Kampftruppen auch von Bottrop kommend über die Welheimer Straße und die Brauckstraße.
Am 29. März wehte die weiße Fahne an der Lambertikirche
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Die vorrückenden amerikanischen Kämpfer stießen nur vereinzelt noch auf Widerstand. Zu Fuß, überängstlich und mit entsicherten MPs, rückten die GIs Haus um Haus vor und durchsuchten sie, weil sie dort versteckte deutsche Kämpfer vermuteten. In den Kellern hörten derweil die Menschen zitternd die „knirschenden und mahlenden Geräusche” der vorbeifahrenden Sherman-Panzer und blickten den feindlichen Soldaten angstvoll in die Augen, wenn sie in die Schutzräume vorstießen.
Um 17 Uhr galt Gladbeck an diesem 29. März schließlich als eingenommen, vom Turm der Lambertikirche wehte, wie an vielen Häusern, eine weiße Fahne. Es war letztlich ein bitterer, aber auch erlösender Gründonnerstag, der Tag, an dem der Krieg in Gladbeck endete.
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Verheerende Kriegsbilanz für Gladbeck
Die Kriegsbilanz für Gladbeck war schrecklich: Über 820 Tote Gladbecker durch den Bombenkrieg, mehr als 1800 tote Männer an den Fronten. Rund 40.000 Bomben waren auf Gladbeck niedergegangen, mehr als 5100 Häuser mit über 16.000 Wohnungen wurden völlig zerstört. Weitere 450 Häuser waren abbruchreif, nochmals über 1000 Wohnhäuser so stark beschädigt, dass zunächst niemand darin wohnen konnte. 29 der insgesamt 48 öffentlichen Gebäude lagen in Trümmern.
Gladbeck war zu 44,8 Prozent zerstört und zählte zu den am stärksten betroffenen Gemeinden im Lande. Die Bevölkerungszahl lag Ende März 1945 – auch wegen vieler Evakuierungen – bei nur noch etwa 40.000. Zu Kriegsbeginn waren es 61.000 gewesen. Es sollte einige Zeit dauern, bis sich die Stadt, die zunächst unter Militärverwaltung stand, aus Not und Depression befreite und aus den Trümmern heraus eine neue, junge Demokratie entwickelte und zu neuer Blüte brachte.