Gladbeck. Aloys Buhl, der in Schultendorf groß wurde, erlebte als Kind die Luftangriffe mit. Jagdflieger beschossen ihn im Garten des Zechenhauses am Brinskamp, im Erdbunker harrte er mit seiner Familie aus, als die Bomben flogen. Schlimmste Erinnerungen hat der heute 77-Jährige daran.

Das Brummen der herannahenden Geschwader und das Pfeifen der herabfallenden Bomben sind Aloys Buhl noch heute im Gedächtnis. Wenn der 77-Jährige heutzutage die JU 52 hört, die im Sommer manchmal über Gladbeck kreist, beschleicht ihn immer noch ein ungutes Gefühl. „So ähnlich war das Brummen der Bomber, das vergisst man nicht.“ Als Kind, nicht mal ganz neun Jahre alt, hat er im März 1945 den schlimmsten Bombenangriff auf Schultendorf miterlebt. Und es kommen ihm noch heute Tränen, wenn er daran denkt.

Eineinhalb Jahre waren er, seine jüngere Schwester und sein Mutter evakuiert gewesen, nach Schlesien, „in Mutters alte Heimat“. Aber im Oktober 1944 kamen sie zurück, „Mutter hatte Angst vor den Russen“. In Gladbeck gerieten sie in den Bombenkrieg, als sie nach Schultendorf, an den Brinskamp, wo sie zu Hause waren, zurückkehrten. Der Vater war abkommandiert zum Schanzen (Gräben ausheben) am Niederrhein. „Ich hatte immer ein Köfferchen mit dem Nötigsten parat stehen, um schnell in den Bunker rennen zu können.“ Anfang Februar 1945 wurde direkt neben ihrem Zechenhaus ein Erdbunker gebaut – von russischen Kriegsgefangenen, erinnert sich Aloys Buhl. Etwa 80 Leuten bot er Platz.

Dann kam der 23. März 1945: Am späten Vormittag tönte aus dem Volksempfänger: „Großangriff auf Gladbeck“. Die Flak am Bahnhof West schoss nicht, „von weitem war das Brummen zu hören“. Soeben schafften Aloys Buhl, Mutter und Schwester es in den Erdbunker. „Das Pfeifen der Bomben kam immer näher.“ Dann traf eine Bombe den Bunker, schlug durch, „es gab eine große Erschütterung“.

Als sich der Staub einigermaßen legte, der angstvolle Blick in die Runde – und die traurige Wahrheit: 15 Tote, „die waren graugrün im Gesicht, es war eine Gasbombe.“ Draußen ging das Bombardement weiter. „Eine Stunde mussten wir ausharren, dann zogen sie ab, wir durften raus.“ Draußen ein Bild der Verwüstung, noch mehr Trümmer als vorher. Das Haus gegenüber hatte einen Volltreffer abbekommen. Auch das eigene Zuhause war getroffen und schwer beschädigt. „Es war beängstigend.“

Die Familie kam bei Nachbarn unter, fand bei den Bombenangriffen der nächsten zwei Tage in deren Keller Unterschlupf. „Einmal hob sich durch eine Druckwelle die Kellerdecke gefährlich“, erinnert sich Aloys Buhl, der schon Tage zuvor von Jagdfliegern im Garten beschossen worden war. Nur 1,50 Meter entfernt schlugen die Geschosse ein. „Ich hatte damals immer Angst, wie kommen wir da nur durch.“

Vier Tage später war der Krieg in Gladbeck aus, auch der Vater kam gottlob zurück. Ab Sommer ‘45 ging Aloys Buhl wieder zur Schule, absolvierte eine Maurerlehre und war später nach einer Weiterbildung im Tapeten- und Glasgroßhandel tätig. Bekannt ist Aloys Buhl u.a. als Chef der Eucharistischen Ehrengarde von St. Lamberti (1983 bis 2006).

Und so erinnert sich Erna-Johanns Fiebig an die Bombardierung Schultendorfs

„Am 23. März 1945 gegen 13 Uhr wurde Schultendorf zerstört“, schreibt die ehemalige WAZ-Redakteurin und Lokalchefin Erna-Johanns Fiebig, die als Jugendliche den Bombenkrieg in Gladbeck erlebte, in ihren Erinnerungen. „Die Angriffe des Vortages hatten die Sirenen außer Betrieb gesetzt. So können viele Menschen nicht rechtzeitig gewarnt werden. Wer nicht rechtzeitig einen Stollen oder Bunker hatte erreichen können, aber im Bombardement nicht getötet worden war, rennt durch das Feuer der Phosphorbomben um sein nacktes Leben. Die Zahl der Toten ist um ein vielfaches höher. Allein in einem einzigen Erdbunker an der Gonheidestraße sterben 34 Menschen.“

Und an einer anderen Stelle: „Sie ging durch die Schultenstraße, musste mal nach rechts, mal nach links ausweichen. Schuttberge versperrten den Weg. Nur vereinzelt standen noch Wohnhäuser, ragten als armeselige Überbleibsel aus den Trümmern heraus. Frauen, Kinder und alte Männer schleppten Mörtel und Ziegelsteine fort, um sich einen Weg zu ihren Haustüren frei zu räumen. Andere trugen Kübel voller Wasser herbei, denn das Leitungsnetz gab keinen Tropfen her. In roh gezimmerten Särgen sind die Bombenopfer gebettet. Während der Trauerfeier auf dem Friedhof Stadtmitte rasen alliierte Bomber heran und lassen einen Bombenteppich auf den Friedhof niederfallen.“