Gladbeck. Die Militärregierung verwaltete Gladbeck rigoros. In der zerstörten Stadt herrschte große Wohnungsnot. Die SPD siegte bei der ersten Wahl 1946.
Die ersten Nachkriegswochen waren für die meisten Gladbecker vor allem von Essensbeschaffung und Enttrümmerung geprägt. Nur ganz langsam begann der Wiederaufbau. Zunächst sorgten die Amerikaner für Ordnung in den Ruinen. Sie fuhren mit ihren Jeeps Patrouille, suchten nach Nazis und brachten sie in Internierungslager.
Die Militärregierung residierte in der Jovy-Villa. Die Amerikaner wurden schnell von englischen Militärs abgelöst, die die Stadt rigoros verwalteten. An der Spitze: Major Dr. Knight, der von 1945 bis 1949 als Stadtkommandant das Sagen hatten. Ein von der Militärregierung zusammengestellte Gruppe von Nazi-Gegnern bildete eine erste neue Verwaltung. Sie war anfangs nur mitarbeitend tätig für die Militärregierung. Zu den Männern und Frauen der ersten Stunde, die nach dem Krieg wieder Verantwortung für ihre Stadt übernahmen, zählten Johannes Schulte und Wilhelm Olejnik, der im KZ war, aber auch Hans Boden, Fritz Lange, Elisabeth Brune, Hans Wuwer und Artur Schirrmacher.
Johannes Schulte wurde kommissarisch erster OB nach dem Krieg
Johannes Schulte wurde von der Militärregierung zum Oberbürgermeister ernannt. Da das Rathaus schwer beschädigt war, fand die neue Verwaltung zunächst im Polizeigebäude am Jovyplatz einen Unterschlupf, wechselte wenig später in die Villa Peliceus, die gegenüber der Jovy-Villa lag, in der die Militärregierung saß. Hauptthemen anfangs: Einhalten der Anordnung der Militärregierung, Schutz der Bevölkerung vor Raub und Plünderung, Versorgung der Bürger mit Lebensmitteln. Und: Wohnraumbeschaffung. Da viele funktionstüchtige Wohnungen von den Amerikanern und Briten beschlagnahmt waren und gleichzeitig immer mehr Evakuierte zurückkehrten, wurde die Wohnungsnot immer schlimmer.
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Erstaunt waren die Gladbecker, mit welchem Gerät und Material die Amerikaner ausgerüstet waren. Selbst Bulldozer waren vorhanden, um die Straßen von Trümmern frei zu räumen. Dennoch wurden, auch von Kindern, lange Zeit Ziegelsteine von Hand geputzt und so wieder genutzt. Handwagen, Pferdekarren – alles wurde zum Transport genutzt. Bald wurde wieder gebaut, sogar schon parallel zur Enttrümmerung. Auch am Wiederaufbau der Schulen wurde gearbeitet. Verhindert wurde vom neuen „Verwaltungs- und Stadtausschuss“ das Abholzen des Wittringer Waldes, dessen Holz die Engländer für Haus-Instandsetzungen nutzen wollten. Offiziell wurden 1945 allein von Juli bis September 1388 Bauanträge gestellt.
Im Spätsommer 1945 wurden Partien und Gewerkschaften wieder zugelassen
Ein Aufatmen ging am 21. April 1945 durch Gladbeck, als es die Massenkapitulation deutscher Soldaten im Ruhrkessel gab. Täglich versammelten sich viele Menschen vor dem Polizeigebäude, wo es eines der wenigen funktionierenden Radios gab, das Beamte ins geöffnete Fenster stellten. Dort erfuhren die Gladbecker am 8. Mai auch von der Kapitulation Deutschlands. Im Herbst 1945 konnte in elf Schulgebäuden wieder unterrichtet werden, dort wurden auch warme Suppen ausgegeben. Der Blechnapf war das wichtigste Schulutensil.
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Im Spätsommer 1945 wurden wieder Gewerkschaften und Parteien zugelassen. Die Engländer setzten für die neue Selbstverwaltung der Stadt ihre Gemeindeordnung mit einer Doppelspitze in Kraft – Wilhelm Olejnik wurde zunächst zum Stadtverordnetenvorsteher, 1946 zum Oberbürgermeister ernannt. Der bisherige kommissarische Oberbürgermeister Johannes Schulte wurde zum Oberstadtdirektor bestellt.
Die ersten freien Kommunalwahlen fanden am 13. Oktober 1946 statt
Die ersten demokratischen Kommunalwahlen fanden am 13. Oktober 1946 statt und endeten mit einer Überraschung: Statt wie von vielen erwartet gewann nicht die neu gegründete CDU, sondern die SPD mit 45 Prozent. Die Christdemokraten kamen nur auf 38 Prozent, die KPD erhielt 15,8 Prozent. Neuer Oberbürgermeister, vom Rat der Stadt gewählt, wurde der Bergmann Fritz Lange (SPD). Wilhelm Olejnik, der die SPD-Fraktion führte, wurde Abgeordneter für Gladbeck im neuen Landtag in Düsseldorf. Im August 1947 löste Hans Boden, Sohn eines Rentforter Sozialdemokraten, Johannes Schulte als Oberstadtdirektor ab. Er ging in Pension, setzte sich aber als CDU-Fraktionsvorsitzender im Rat weiter für die Belange der Stadt ein.
Als wichtiges Zeichen der Demokratisierung erschienen alsbald nach Kriegsende in Gladbeck wieder Zeitungen. Angefangen hatte die Nachkriegsgeschichte der Tageszeitungen in Gladbeck schon 1945, als die „Ruhr-Zeitung“ als erste Tageszeitung nach dem Krieg erschien – mittwochs und samstags. Ein Blatt, das noch von der britischen Militärbehörde herausgegeben wurde und nur 20 Pfennige kostete.
Gladbeck erlebte in der Nachkriegszeit eine Pressevielfalt
1946 war auch die Gladbecker Volkszeitung wieder erschienen – Gladbecks älteste Zeitung von 1888. Sie residierte im Haus neben dem heutigen Rathauscafé. Von 1946 bis 1956 existierte die Neue Volkszeitung, herausgegeben von der KPD, die eingestellt wurde, nachdem die Partei verboten worden war.
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Am 3. April 1948 erblickte die WAZ das Licht der Welt. Ein knappes Jahr später, am 1. März 1949, erschienen erstmals die Ruhr Nachrichten, die 1951 die Volkszeitung übernahmen. Ende 1949 kam die „Morgenpost“ auf den Markt, ein Ableger der Essener Allgemeinen aus dem Hause Giradet. Sie wurde wiederum 1954 von der WAZ übernommen. Gladbeck erlebte eine Zeit der Pressevielfalt – die Menschen hungerten nach Krieg und Trümmerzeit offenbar nach Neuigkeiten.
Frauen gingen auf Hamsterfahrt
In den ersten Tagen der Besatzung wurde Brot verteilt, auch Maismehl, ebenso Soja und Hafer. Vor den wenigen Geschäften, die (noch) Essbares anboten, bildeten sich lange Schlangen. Die Molkerei an der Sandstraße war die einzige, die Milch wenigstens für Schwangere hatte.
Schon wenig später gab es Lebensmittel nur auf Marken, die es wiederum nur mit Arbeitsnachweis gab. Viele hungerten, hatten Tagesrationen von nicht mal 1000 Kalorien. Es dauerte Wochen, bis die neue Stadtverwaltung 1100 Kalorien zuteilen konnte.
Viele Frauen gingen auf Hamsterfahrt, vor allem ins Münsterland, und versuchten dort bei Bauern Essbares im Tausch gegen das wenige Wertvolle, das den Familien geblieben war, zu organisieren. Ab Oktober 1945 durfte nach jahrelangem Verbot erstmals wieder getanzt werden.