Gladbeck. . Franziska Riesener schildert der WAZ den vernichtenden Bombenhagel am 27. September 1944. In den umgebauten und komplett ausgestatteten Moltkestollen zogen die Patienten des St. Barbara-Krankenhauses während des 2. Weltkriegs um. Die ehemalige Krankenschwester feiert am 9. März ihren 90. Geburtstag
Wenn Franziska Riesener an den Bombenhagel in Gladbeck denkt, dann kommen ihr vor allem die Kranken und Schwachen jener Zeit ins Gedächtnis – die Patienten des St.-Barbara-Krankenhauses, um die sie sich als junge Frau kümmerte. Denn Franziska Riesener, die am morgigen 9. März 90 Jahre alt wird, war in jener schlimmen Zeit Krankenschwester im Hospital und half auch mit, während der Bombardierungen mit den Patienten ins Stollen-Krankenhaus umzuziehen.
Franziska Riesener, geborene Wehling, stammt aus Ellinghorst, war aber seit 1929 und ist noch heute an der Mittelstraße/Ecke Querstraße, im Schatten des Krankenhauses, zu Hause. Ihre Mutter war Krankenschwester. „Irgendwie lag es nahe, Krankenschwester zu werden“, sagt sie. Auch der Umstand, dass die Mutter sofort zu Kriegsbeginn zur Ostfront in ein Lazarett eingezogen wurde (und erst Ende 1945 nach sowjetischer Gefangenschaft heimkehrte), hielt sie nicht davon ab. Nachdem sie ihre Zeit als Lernschwester in Herten absolviert hatte, kam sie ans St.-Barbara-Hospital, das 1943 den ersten schweren Bombentreffer erlitt mit der Zerstörung des Isolierhauses – mehr als 120 Menschen starben dabei.
Verwundete Soldaten
Bei weiteren Angriffen, erinnert sich Franziska Riesener, suchten Patienten wie Mitarbeiter Schutz in speziell gesicherten Kellerräumen. Stützen sicherten die Kellerdecken. „Die waren mit Etagenbetten vorbereitet.“ Viele blieben auch nach Alarmende unten, „weil sie zu gebrechlich waren oder zu viel Angst hatten“. St. Barbara sei kein Militärkrankenhaus gewesen, hatte aber eine „Aushilfsstation“, auf der verwundete Soldaten auf Heimaturlaub behandelt wurden, so die ehemalige Krankenschwester.
Nach den ersten Angriffen wurde die Idee eines Krankenhauses im Moltkestollen umgesetzt. Bergleute wurden zum Bau abgeordnet, schufen einen Langstollen mit Abzweigungen, die ausgestattet waren samt OP und Badezimmern, sogar eine Kapelle gab es – eine Einmaligkeit weit und breit: „Es war alles sehr sauber drin, 300 Patienten fanden Platz. Der Eingang war mit schweren Eisentüren verschlossen.“
Zug um Zug wurden die Patienten verlagert. Dann kam der 27. September 1944 mit dem zweiten, vernichtenden Angriff auf das Krankenhaus. „Innerhalb weniger Tage war es dann komplett leer gezogen.“ Im Bombenhagel half die Gladbeckerin mit, einen letzten Kranken rauszuholen. „Wir merkten auf einmal im Stollen, das jemand fehlte.“ Schwester Franziska machte sich auf den Weg: „Die Nächstenliebe und die Disziplin waren stärker als die Angst.“ Schon Tage zuvor hatte sie am zerstörten Krankenhaus einen Soldaten getroffen, der offenbar traumatisiert war und nicht mitgehen wollte. „Zwei Tage später fand ich ihn tot auf den Trümmern.“
„Es hat alles gebebt“
Das Dauerbombardement Ende März 1945 erlebte Franziska Riesener im Stollen: „Wir kamen tagelang nicht raus, schliefen zu Füßen der Kranken auf dem Boden.“ Es wurde gebetet und gezittert. Vier Bomben fielen auf die Halde, zerstörten aber nicht den Stollen. „Es hat alles gebebt.“ Ihr größter Wunsch damals in schlimmster Stunde: „Lieber Gott, lass mich noch 21 werden.“
Nach den drei Tagen Bombardement war vieles in der Stadt zerstört, auch ihr Elternhaus an der Mittelstraße. „Der schwere Ofen hing oben an der Wand“, erinnert sich die ehemalige Krankenschwester, die 1948 Aloys Riesener heiratete (dessen Elternhaus an der Bismarckstraße/heute Friedenstraße schon 1943 von Bomben zerstört wurde). Franziska Riesener, die mit ihrem Mann vier Kinder bekam, arbeitet nach der Familiengründung nur noch als Nachtschwester und später als Ehrenamtliche.