Gladbeck. Heinz Enxing suchte 1944 als achtjähriger Schüler bei einem Fliegeralarm Schutz im Erdbunker des „Stielmusparks“ in Gladbeck. Eine der vielen Bomben, die auf die Stadt nieder prasselten, traf den Bunker und explodierte genau im Nebenraum. Der heute 78-Jährige erinnert sich lebhaft.

. Heinz Enxing erlebte die schlimmen Bombennächte im Frühjahr 1944 als achtjähriger Schuljunge. Und hatte Riesenglück, dass er bei einem schweren Fliegerangriff auf den damaligen „Stielmuspark“ mit dem Leben davon kam.

Die Familie wohnte zu jener Zeit an der Königsberger Straße, der kleine Heinz mit der dreijährigen Schwester und seiner Mutter. Der Vater war seit Jahren als Soldat in Norwegen. Ganz in der Nähe zur Königsberger Straße, an der Wittringer Straße, hatte schon zu Jahresanfang ‘44 eine Luftmine mehrere Häuser in Schutt und Asche gelegt. „Auf uns Kinder übten solche Ruinen natürlich einen ganz besonderen Reiz aus“, erinnert sich Heinz Enxing und berichtet lebhaft, wie er mit seinem Freund Rudi in den zerstörten Häuser herumkletterte.

„Und dann passierte es: Als wir irgendwo runtersprangen, rutschten mehrere Ziegelsteine nach und einer fiel mir auf den Unterschenkel.“ Per Huckepack schleppte Freund Rudi ihn nach Hause, im Kinderwagen die Mutter zum Barbara-Hospital. Diagnose: Unterschenkelbruch. Wegen der häufigen Luftangriffe brauchte er nicht im Krankenhaus bleiben, sondern durfte mit Gipsbein heim. „Das war gut, aber für meine Mutter auch eine Belastung“, weiß Enxing noch genau. „Bei jedem Bombenalarm packte sie mich in den Kinderwagen, nahm meine Schwester auf den Arm und eilte mit uns zum Luftschutzbunker im Stollen an der Steinstraße. Nicht immer kamen wir rechtzeitig an, bevor der Bombenhagel einsetzte.“

Nach sechs Wochen kam der Gips ab, allein musste der Achtjährige zur Nachbehandlung ins Hospital. „Als ich aus der Krankenhaustür trat, kündeten Sirenen einen neuen Luftangriff an.“ Eilig wollte er in den Rathaus-Luftschutzkeller, unterwegs auf der Rentforter Straße sah er seine Tante Olga. Sie lief mit ihrem Baby auf dem Arm in die gleiche Richtung, hörte ihn aber nicht. „Gott sei Dank, wie sich später herausstellen sollte“, so der heute 78-Jährige.

Heinz lief allein weiter, musste am Rathaus feststellen, dass der Rathauskeller kein öffentlicher Luftschutzraum war. Wohin? Gegenüber dem Rathaus, dort wo heute das leergezogene Kaufhaus Karstadt/Hertie steht, befand sich damals der „Stielmuspark“, eine Grünanlage. Dort gab es einen Erdbunker mit vier Räumen. Dort fand er Unterschlupf. „Bald hörten wir die Bomben detonieren, dann eine Explosion in nächster Nähe.“ Als jemand die Verbindungstür zum Nachbarraum öffnete, drang Tageslicht ein, „wir hörten Schreie und Stöhnen.“

Gerüchte über V-2-Rakete machte die Runde

Kurz vor Kriegsschluss in Gladbeck, im März 1945, machte das Gerücht die Runde, auf den Gleisen in Ellinghorst stehe vor zerstörten Gleisen ein Zug, der Hitlers Wunderwaffe, V-2-Raketen, geladen habe. Ein Begleitoffizier warnte die Bevölkerung vor „unsagbarer Gefahr“.

Übel war in den letzten Kriegstagen, dass bei dem gewaltigen Bombardement auch Sirenen getroffen wurden. Warnungen blieben fortan aus.

Der Raum war voll getroffen worden, überall lagen Tote und Verletzte. „Dort fand ich auch Tante Olga. Weil sie das Baby auf dem Arm trug, hatte ihr eine Frau einen Platz an der Wand angeboten. Die Frau war tot, Tante Olga mit dem Baby hatte schwer verletzt überlebt.“ Heinz Enxing erkannte: Hätte die Tante ihn zuvor gehört und wäre er mit ihr zusammen in den Bunker gegangen, hätte er sicher nicht auf der Bank gesessen und wäre wahrscheinlich unter den Trümmern begraben worden.

Die Mutter hatte ihn schon kurze Zeit später gesucht, auch unter den Toten des schwer getroffenen Hospitals. Dann sahen sie sich zufällig in der Stadt wieder. „Welch Freude an einem solchen Tag.“