Gelsenkirchen. Dirk Oberschulte-Beckmann ist der Stadionsprecher in der Veltins-Arena. Bei Heimspielen beginnt sein Arbeitstag Stunden vor dem Anpfiff und endet erst, wenn die Fans längst zu Hause sind. Wir begleiteten den Stadionsprecher bei seinen akribischen Vorbereitungen und vielfältigen Aufgaben.
Seine Stimme kennt auf Schalke jeder. Ruft er „Schalke“ ins Mikro, brüllen 60.000 „Null Vier“. Dirk Oberschulte-Beckmann gehört zu den Heimspielen den Königsblauen wie Maskottchen Erwin und das Steiger-Lied. Seit der Saison 1993/94 ist er der Stadionsprecher.
Samstag, 11.30 Uhr im Raum 2023 im Bauch der Arena. Der Anstoß zum Spiel gegen den 1. FC Nürnberg ist noch vier Stunden entfernt. Dirk Oberschulte-Beckmann ist aber schon lange da. „Mein Spieltag beginnt fünf oder manchmal sogar sechs Stunden vor dem Anpfiff“, sagt der 51-Jährige. Vier Stunden vor dem Spiel versammelt er dann alle Mitarbeiter vom Arena-TV für die Regiebesprechung. „Wir sind ein echtes kleines Fernsehteam“, erklärt Oberschulte-Beckmann. In der Runde sitzen Grafiker, der Regisseur, Ton-Leute, Kameramänner, Assistenten, Marketing-Mitarbeiter.
Akribische Vorbereitung
Akribisch wird der Ablaufplan Punkt für Punkt abgearbeitet. 71 sind es diesmal, darunter auch Neuerungen. „Wir haben viele Werbe-Partner, die wechseln von Zeit zu Zeit ihre Grafiken für den Video-Würfel. Die müssen immer auf dem aktuellen Stand sein. Gibt es neue Programmpunkte, müssen die Kameraleute wissen, was ins Bild gesetzt werden muss und auch der Regisseur muss wissen, was die Fans auf dem Videowürfen sehen sollen“, sagt Oberschulte-Beckmann, der für die Umsetzung des Planes verantwortlich ist.
Früher, im Parkstadion, hatte er weniger Aufwand. „Da musste ich mich natürlich auch vorbereiten. Wir hatten aber lange keine Video-Wand, da brauchten wir kein ganzes Fernsehteam so wie heute.“
Das Abriss-Finale
Stadionsprecher ist ein Fulltime-Job
Er ist seit knapp anderthalb Jahren fest angestellt in der Marketing-Abteilung des S04. Stadionsprecher ist heute ein Fulltime-Job. Oberschulte-Beckmann kümmert sich aber auch noch um das ZEUS-Projekt mit der WAZ, die Betreuung einiger Sponsoren und die Anzeigen im Vereinsmagazin „Schalker Kreisel“.
Vor dem Anpfiff: Der Stadionsprecher begrüßt die Fans
12.30 Uhr. Drei Stunden bis zum Anpfiff. Ein letztes Mal trifft der Stadionsprecher auf sein Team im Regieraum, geht noch einmal alle Grafiken durch. Welche Gesprächspartner bekommen auf dem Video-Würfel einen Namen eingeblendet, werden „getauft“. Und natürlich muss auch getippt werden. 2:0 für Königsblau glaubt Oberschulte-Beckmann, dann geht’s in den Innenraum.
13.20 Uhr. Mitarbeiter Mike verkabelt den Stadionsprecher. Er sitzt hinter hunderten Knöpfen auf einem Podest vor der Haupttribüne und ist auf Schalke längst ein kleiner Mythos. „Mike, hau’s raus“, sagt Oberschulte-Beckmann, wenn das Vereinslied gespielt wird. Bis dahin dauert es heute aber noch.
Es geht Schlag auf Schlag
14 Uhr. Das Minikicker-Vorspiel ist neu im Programm. Der Stadionsprecher hatte das angeregt. Gute, alte Parkstadion-Tradition. Ein lockerer Plausch mit den Auswechselspielern, hier und da ein Kommentar zum Spiel, dann geht es los. Arena-TV geht auf Sendung.
14.25 Uhr. Der Stadionsprecher begrüßt die jetzt schon tausenden Fans. Schlag auf Schlag geht es. Die Leute wollen unterhalten werden. Freitag-Spiel, Fan-Spiel, Scheckübergaben, Gewinnspiele. Ein Programmpunkt jagt den nächsten. Mannschaftsaufstellung, Mike kennt seinen Einsatz für „Blau und Weiß wie lieb ich Dich“ längst ganz genau und „haut es raus“. Dann rollt der Ball.
Während des Spiels: Dirk Oberschulte-Beckmann sitzt direkt hinter der Werbebande
15.30 Uhr. Verschnaufpausen hat Dirk Oberschulte-Beckmann seit 11 Uhr keine mehr. An Mittagessen war nicht zu denken. Erst jetzt, da der Ball rollt, kommt er ein bisschen zur Ruhe. Trotzdem, die Arbeit geht weiter. „Ich stehe über einen Knopf im Ohr im ständigen Kontakt zum Regieraum, kann mich mit Regisseur Kai Regnitter abstimmen.“ Das geht auch über das Mikrofon. Drückt er einen Knopf, ist er für alle Zuschauer in der Arena zu hören, drückt er ihn nicht, hört ihn sein Team. „Klar, in der Anfangsphase mit diesem System ist auch mal was schief gegangen, aber das gehört dazu“, sagt Oberschulte-Beckmann und lacht.
Sein Platz während der Spiele ist unmittelbar am Spielfeldrand neben der Bank des Gastteams. Hinter der Werbebande sitzt er – auf einem Klappstuhl. Bald soll er aber einen bequemeren Platz bekommen, denn es reicht schon, dass es an diesem Tag hier ziemlich zieht und einem die Kälte durch die Schuhe kriecht.
Hinter den Trainer sitzen "Mäuschen"
Auf einem Mini-Fernseher kann Oberschulte-Beckmann das Spiel aus der Fernseh-Perspektive verfolgen. „Wenn ein Tor fällt, kann ich zur Sicherheit noch schnell die Zeitlupe schauen, bevor ich etwas Falsches über die Stadionanlage sage.“
Aber auch Auswechslungen wollen auf den Punkt vorbereitet sein. Im Regieraum müssen in Windeseile die Grafiken hergestellt und punktgenau eingeblendet werden. Die Informationen dafür gibt der Stadionsprecher in die Regie, zusätzlich sitzen „Mäuschen“ hinter den Trainern, um noch schneller an Infos zu kommen.
Auch Informationen über die Spiele auf den anderen Plätzen erhält der Stadionsprecher schon über seinen Knopf im Ohr. In der Halbzeit wollen die Fans wissen, wie es im Rest der Liga läuft.
Schnuller-Alarm
16.15 Uhr. Halbzeit. FanBox, Ergebnisdienst, Gewinnspiel, Werbung. Dirk Oberschulte-Beckmann steht wieder mächtig unter Strom.
17.02. Endlich. Jefferson Farfan bricht den Bann. Die Arena jubelt, Schalke führt. „Blau und Weiß ein Leben lang“ schallt durch die Arena als Oberschulte-Beckmann noch einmal konzentriert die Zeitlupe auf dem Mini-Fernseher verfolgt.
„Tor für unsere Mannschaft, Tor für Schalke“, ruft er. „Null Vier“, schreit ihm die Arena entgegen. „Torschütze – ich sage nur Schnuller-Alarm – der Spieler mit der Nummer 17, Jefferson“, und wieder schreien 60.000: „Farfan“. Die Schalker Seele ist beruhigt.
Nach dem Spiel: Das eigene Fan-Sein muss bei Heimspielen hintenan stehen
17.17 Uhr. Die Spieler drehen ihre Ehrenrunde und dürfen sich auf den Feierabend freuen. Dirk Oberschulte-Beckmann ist davon noch Stunden entfernt. „Die Endergebnisse von den anderen Plätzen, die Highlights von unserem Spiel, die Tabelle“, da gibt es noch einiges zu tun.
Einen bequemeren Platz für all das hat er aber schnell gefunden. Huub Stevens steht bei den Fernseh-Kollegen zum Interview, da kann man es sich auf der Trainerbank bequem machen. Erst 20 Minuten nach dem Spiel winkt Oberschulte-Beckmann ein letztes Mal in die Kamera, verabschiedet sich von den Fans, die noch im Stadion stehen. „Das ist wichtig. Je länger einige Leute bleiben und noch unterhalten werden, desto entspannter wird die Parkplatzsituation vor dem Stadion.“
Königsblaues Herz seit 40 Jahren
17.40 Uhr. Erst jetzt kommt der 51-Jährige wieder ins Warme. Die Anspannung, verrät er, weicht schon mit Schlusspfiff, sonst sei sie immer da. Er ist auch Fan. 1972 verlor er sein Herz an Königsblau. Beim Pokalfinale in Hannover gegen den 1. FC Kaiserslautern. Durch Zufall war er im Stadion. „Da hat es mich gepackt und nicht mehr losgelassen.“
Sein Fan-Sein kommt bei Heimspielen nur selten durch. „Meine Aufgabe ist dann eine andere. Ich muss vieles im Blick haben. Was passiert, wenn eine Notsituation entsteht? Da erwarten die Leute, dass ihnen der Stadionsprecher sagt, wie sie sicher aus dem Stadion kommen.“
Hinter den Kulissen hat ein Spiel mehr als 90 Minuten
18 Uhr. Etwas warmes zu Essen. Die Arbeit ist aber noch nicht vorbei. Im LaOla-Club lauscht Oberschulte-Beckmann den Talk-Runden mit den Spielern. „Ich sauge alles auf. Muss ich auch.“ Kurze Zeit später steht die Nachbesprechung mit dem Arena-TV-Team an. Erst zwei Stunden nach Abpfiff kommt der 51-Jährige nach Hause zu Frau und Sohn. „Dann schaue ich mir oft noch alles an. Sportstudio, eine Aufzeichnung von unserem Spiel, lese in Internetforen.“
Die Zeiten, in denen ein Spiel nur 90 Minuten hatte, sind hinter den Kulissen eines Bundesliga-Spiels lange vorbei. Und trotzdem, die Stimme des FC Schalke 04, seines Vereins, zu sein, ist für Dirk Oberschulte-Beckmann ein Traumjob.