Gelsenkirchen.

Die Wände im Büro der Sozialdezernentin sind noch kahl. Umso mehr besticht die Skulptur schräg hinter dem Schreibtisch von Karin Welge.

Das „Kleine Quotenboot“ der Xantener Künstlerin Renate Migas ist das Geschenk, mit dem Welges Mitarbeiter-Team die Kämmerin im Rathaus der Römerstadt Ende Mai verabschiedet haben. Bevor sie am 1. Juni ihr neues Amt in Gelsenkirchen antrat – als einzige Frau im Verwaltungsvorstand.

Inzwischen ist das 49-jährige Energiebündel – „Eine gute Kondition gehört zum Amt“ – im Revier angekommen. Karin Welge hat unzählige Gespräche geführt, Menschen, Verbände, Politik und Verwaltung kennengelernt. Und gelesen hat sie, nächtelang. Alles, was Stadt und Organisationen im Angebot haben. Und das ist bekanntlich eine ganze Menge.

Frühkindliche Förderung

„Sozialpolitik heißt: Menschen stärken, das Gold in den Köpfen wecken.“ Das hatte die gebürtige Saarländerin im Gespräch mit der WAZ im Frühjahr vor ihrer Vorstellungstournee durch die Fraktionen gesagt. Seit sie in Gelsenkirchen arbeitet und lebt, ist Karin Welge auf „Goldsuche“. In dem „enormen Spannungsfeld zwischen sozialer Herausforderung und finanzieller Machbarkeit“ verfolgt sie ein Ziel. Ihr Ziel. Eine Stadtgesellschaft, in der sich die Menschen wohl fühlen, mit der sich die Leute identifizieren. Die Powerfrau weiß indes: „Eine Stadtgesellschaft funktioniert nur, wenn die Menschen vor Ort mitgehen.“

Also müsse man die Menschen auf dem Weg dorthin mitnehmen. In einer Stadt wie Gelsenkirchen habe man, meint die Stadträtin, 30 Jahre nach Beginn des Strukturwandels viele nicht mitnehmen können. Allerdings sei die Stadt heute in vielen Bereichen federführend tätig. Karin Welge nennt frühkindliche Förderung und umfassende Familienpolitik als Beispiel.

Sozialraumkonzepte

Der 49-Jährigen ist ausgesprochen wichtig, in Sozialräumen gerade bei Kindern ganz früh mit Hilfen einzusteigen, um ihnen Chancen zu eröffnen. „Es gibt keine größere Angst, als die Angst vor Veränderungen“, lacht die Sozialexpertin, die ganz nebenbei auch noch für Arbeit, Gesundheit und Verbraucherschutz zuständig ist. Mit Veränderungen, damit zielt sie auch darauf ab, das vorhandene Strukturen in eine neue Richtung gelenkt werden müssten. „Netzwerk“ ist das Zauberwort, das ihr oft über die Lippen kommt. Weil sie „ein ausgesprochener Freund von Netzwerken“ sei.

Zum Beispiel in Sozialräumen, wo sie neue Strukturen aufbauen, eine Vertrauensbasis schaffen und Hilfe zur Selbsthilfe anbieten will. Ihr Ziel sei erreicht, wenn eine Gemeinschaft irgendwann ohne Hilfe von außen funktioniere. „Wenn wir über Sozialraumkonzepte sprechen, gehören alle dazu, alle müssen mitmachen.“ Welge nennt Kirchen und Sozialverbände, Politik und Verwaltung.

In einem Boot

Der Arbeit vor Ort gehe immer die Analyse vorhandener Angebote voraus. „Wie viel allgemein beratende Hilfen bieten wir an, wie viel aufsuchende?“ Auch die strukturelle Arbeit innerhalb der Verwaltung gehöre dazu. Karin Welge hat in ihren ersten Amtsmonaten schon viele Menschen getroffen, die von ihrem Konzept einer Stadtgesellschaft überzeugt sind und den Weg mitgehen wollen. Das habe sie angenehm überrascht.

Wenn alle in einem Boot sitzen, bestenfalls als inklusive Gemeinschaft, bekommt die Skulptur im Büro der Stadträtin noch ein ganz anderes Gewicht.