Gelsenkirchen.

Das jedenfalls glaubt das Pestel-Institut mit Sitz in Hannover. In einer aktuell durchgeführten Untersuchung hat es herausgearbeitet, dass viele Rentner sich ihre jetzigen Wohnungen künftig wohl nicht mehr leisten können.

Das Institut prognostiziert eine erheblich zunehmende Altersarmut. Demnach werden in gut acht Jahren, also im Jahr 2020, mehr als 4950 Rentner in Gelsenkirchen auf die staatliche Grundsicherung im Alter angewiesen sein. Ihre Zahl würde damit noch in diesem Jahrzehnt dramatisch steigen – um nahezu 121 Prozent.

„Das soziale Netz wird die meisten 55- bis 65-Jährigen, die heute von Hartz-IV leben, im Rentenalter auffangen müssen. Wir werden damit auch in Gelsenkirchen einen deutlichen Anstieg der Altersarmut erleben“, sagt Matthias Günther vom Pestel-Institut.

Immer mehr Menschen mit gebrochenen Erwerbsbiografien gingen in Rente, erläutert er. Phasen von Arbeitslosigkeit, Niedriglöhne und dauerhaft geringfügige Beschäftigungen seien dabei für sinkende Rentenbezüge bei Neurentnern verantwortlich. Ebenso eine nur geringe oder gar keine Altersvorsorge bei vielen Selbstständigen. Auch dies führe zu einer wachsenden Altersarmut. Gemessen am Bundesdurchschnitt stuft das Pestel-Institut die zu erwartende Altersarmut in Gelsenkirchen im Jahr 2020 als „erhöht“ ein.

Im Fokus der Berechnungen steht das bezahlbare Wohnen im Alter. Das hat auch einen guten Grund: Die Untersuchung erfolgte im Auftrag der Initiative „Impulse für den Wohnungsbau“ – ein Schalk, wer keine Lobby-Arbeit dahinter vermutet. Denn in der Initiative haben sich die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), der Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB) und die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau (DGfM) zusammengeschlossen.

Trotzdem: „Wenn die Altersarmut in Gelsenkirchen zunimmt, dann müssen wir über neue Wohnformen nachdenken. Das heißt konkret: kleinere, energieeffiziente und altengerechte Wohnungen für Senioren. Das spart Miete und Heizkosten“, sagt Matthias Günther.

Bezahlbar seien für viele ältere Menschen, die alleine lebten, nur noch Wohnungsgrößen zwischen 30 und 40 Quadratmetern. Und so eingefärbt das sein mag, es ist begründet. Um Gelsenkirchen auf das Senioren-Wohnen vorzubereiten, müsse in den kommenden Jahren in erheblichem Maße neu und umgebaut werden. Andernfalls drohe eine „graue Wohnungsnot“ – und damit die soziale Ausgrenzung Älterer beim Wohnen.

Der Großteil der Senioren habe laut Initiative „Impulse für den Wohnungsbau“ ein vitales Interesse daran, möglichst lange in den eigenen vier Wänden zu wohnen. „Es macht Sinn, für Wohnformen zu sorgen, die es älteren Menschen erlauben, weitgehend selbstständig im Alltag klarzukommen“, so Matthias Günther. Hier seien Häuser mit kleinen Wohn-Appartements die ideale Lösung. Und: „Die älteren Menschen können sich gegenseitig im Alltag unterstützen und einen Teil ihrer Zeit gemeinsam verbringen – etwa in Gemeinschaftsräumen oder einer Gemeinschaftsküche.“ Dies sei eine gut umsetzbare Alternative zum Mehrgenerationenhaus. „Solche Gemeinschaftseinrichtungen beugen einer Vereinsamung im Alter vor. Und sie vermeiden, dass Ältere vorzeitig ins Heim müssen.“

Keine völlig neuen Erkenntnisse

Die Pestel-Studie liefere keine neuen Erkenntnisse, sagte Gelsenkirchens Sozialdezernentin Karin Welge. Allerdings räumte die Juristin ein, dass die Tendenz einer steigenden Altersarmut stimme.

„Man benötigt keinen Blick in die Glaskugel, um zu erkennen, dass in einigen Jahren und angesichts der demografischen Entwicklung mehr Menschen von der Grundsicherung im Alter leben werden.“ Welge verwies auf statistische Hintergründe, die vorlägen und nicht nur für Gelsenkirchen eine Bedeutung hätten. Wer immer mal wieder oder auch kontinuierlich arbeitslos gewesen sei in der Erwerbsphase, der würde im Alter in der Konsequenz von weniger Rente leben müssen.

Das wirke sich auf den Wohnungsmarkt, auf den Bedarf aus, so Welge. „Wir arbeiten intensiv an diesem Punkt und beraten oft Interessierte, die nachfragen und ihr Leben im Alter zielgerichtet vorplanen wollen. Das sind einzelne Hauseigentümer, jüngere Ältere meist. Wir suchen aber auch das Gespräch mit Wohnungsgesellschaften, die investieren und ihren Bestand umbauen wollen.“ Dabei ginge es um seniorengerechten, barrierefreien Wohnraum, der nicht größer als 40 bis 50 Quadratmeter groß sein sollte.