Gelsenkirchen. Der Stromspar-Check der Caritas in Gelsenkirchen hilft Einkommensschwachen mit Tipps und Geräten. Wie und warum bei diesem Konzept alle gewinnen.

Es ist ausgesprochen ungemütlich auf dem Neustadtplatz an diesem Nachmittag. Immer wieder fallen ein paar Tropfen, für September ist es viel zu kalt. Trotzdem bleiben immer wieder Menschen am Stromspar-Check-Stand der Caritas stehen. Ein großes Plakat am Stand rechnet vor, wie viel ein Haushalt im Durchschnitt jährlich sparen kann dank dieser Spartipps: 245 Euro! Dafür bleibt man auch bei Couchwetter gern mal stehen und lässt sich erklären, was genau denn bei diesem Check passiert. Walter Schneider und sein Kollege Mike Boumann helfen da gern. Und binnen Minuten sind neue Beratungstermine vereinbart.

Gefördert von Bund, Caritas, Jobcenter und Stadt Gelsenkirchen

Es gibt sie seit zwölf Jahren, die guten Geister vom Stromspar-Check der Caritas in Gelsenkirchen. Aber soviel zu tun wie in diesen Wochen hatten sie noch nie. Und sie rechnen mit noch größerem Andrang. Das Konzept des Angebotes, das mit Fördergeldern des Bundeswirtschaftsministeriums, der Caritas, des Jobcenters und seit vier Jahren auch der Stadt Gelsenkirchen unterstützt wird, ist ebenso einfach wie durchdacht.

Fachanleiter Frank Bluhm und Teamleiterin Judith Przygodda von der Caritas betreuen das Projekt seit Jahren. Sie rechnen mit noch stärkerem Ansturm, wenn die nächste Energieabrechnung in den Haushalten ankommt.
Fachanleiter Frank Bluhm und Teamleiterin Judith Przygodda von der Caritas betreuen das Projekt seit Jahren. Sie rechnen mit noch stärkerem Ansturm, wenn die nächste Energieabrechnung in den Haushalten ankommt. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Langzeitarbeitslose und Hilfeempfänger werden in Sachen effektives Stromsparen geschult und beraten dann als bezahlte Mitarbeiter nachweislich einkommensschwache Gelsenkirchener, wie sie Strom sparen können. Damit diese sowohl das eigene Portemonnaie als auch die Umwelt schonen können. Die Beratung findet im eigenen Haushalt der Kunden statt, nach Terminabsprache und vor allem kostenfrei und neutral.

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Wo sie ihre Kunden am besten antreffen, wissen die Berater genau. Die Infostände stehen an den verschiedensten Tafelausgabe-Stellen, am Hans-Sachs-Haus, dem Jobcenter und dem Jobpoint, es gibt auch Informationsveranstaltungen. Dort wird auch der erste Besuchstermin der Berater in der Wohnung der Kunden vereinbart. Die geschulten Berater – darunter auch gezielt Bürger mit Rumänisch-, Arabisch- und Türkischkenntnissen – kommen stets zu zweit. Sie checken Stromfresser in der ganzen Wohnung, messen den Verbrauch der Elektrogeräte, fragen, welche Lampe täglich am längsten brennt, um sie gezielt mit einer energie-effizienten LED-Leuchte auszustatten.

Die größten Stromfresser individuell für jede Wohnung vor Ort entdecken

In fünf verschiedenen Sprachen gibt es die Informationsflyer zum Stromcheck-Angebot.
In fünf verschiedenen Sprachen gibt es die Informationsflyer zum Stromcheck-Angebot. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Dusche, Wasserhähne, Steckdosenleisten, an denen Geräte im Dauer-Standby hängen: All das wird unter die Lupe genommen und notiert. Die erhobenen Daten nehmen die Berater mit in die Zentrale, die Auswertung übernimmt ein eigens entwickeltes Computerprogramm. Wenn dieses zu Ende gerechnet hat – in der Regel zwei Wochen später – gehen die Berater zum zweiten Gespräch in den jeweiligen Haushalt.

Clip verhindert, dass im Kinderzimmer unbemerkt die Heizung hochgedreht wird

Dann kommen sie nicht mit leeren Händen, sondern einem Energiesparpaket im Wert von etwa 50 Euro. Je nach ermitteltem jeweiligen Bedarf sind LED-Lampen , abschaltbare Steckdosenleisten, Sparduschköpfe, Durchflussbegrenzer fürs Waschbecken oder auch Kühlschrankthermometer darin zu finden. In Altbauten kann es auch mal ein Feuchtigkeitsmesser sein, um Schimmelbildung zu verhindern, oder ein Zugluftstopper für die Wohnungstür. Manchmal ist auch ein Clip, der die Heizkörperthermostate bei höchstens Stufe drei fixiert; damit die lieben Kleinen im Kinderzimmer nicht immer heimlich damit spielen.

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27 Berater sind in Gelsenkirchen, Gladbeck und Bottrop in der Mission Stromsparcheck unterwegs. „Und wir überlegen schon, wie wir das ausbauen können. Wenn sich die erhöhten Preise dann auf die Rechnung auswirken, wird der Ansturm sicher noch größer“, ahnt Teamleiterin Judith Przygodda. Die Berater kennen die Situation ihrer Kunden aus eigener Erfahrung. „Das ist ein Teil des Erfolgsrezepts. Berater und Ratsuchende begegnen sich auf Augenhöhe, im Umfeld der Kunden. Und beiden Parteien ist damit geholfen. Die einen haben endlich wieder Arbeit, die anderen können bares Geld sparen“, erklärt Fachanleiter Frank Bluhm von der Caritas die Win-Win-Situation, wie er es nennt.

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12.800 Familien beim Stromsparen geholfen

12.800 Beratungen wurden seit Projektbeginn in Gelsenkirchen abgeschlossen. Durch die ausgegebenen Soforthilfen spart jeder Haushalt durchschnittlich 645 Kilowattstunden im ersten Jahr ein, das entspricht einer jährlichen Ersparnis von 240 Euro bei einem Drei-Personen-Haushalt. Mit den steigenden Preisen dürfte die Ersparnis noch deutlich höher ausfallen.

Der CO2-Ausstoß konnte bis jetzt um 28.126 Tonnen seit Projektbeginn allein in Gelsenkirchen gesenkt werden. Im Jahr 2022 wurden an Gelsenkirchener Familien bis jetzt bereits 823 Sparduschköpfe ausgegeben, seit Projektbeginn waren es 10.509. Zudem wurden bislang 1147 Gutscheine für neue Kühlgeräte ausbezahlt im Wert von 150.800 Euro. Das Gelsenkirchener Caritas-Projekt ist eines der drei größten der bundesweit 150 Standorte.

Beim zweiten Termin gibt es aber nicht nur das Paket, sondern auch konkrete Tipps zum weiteren Energiesparen und Erklärungen, wo genau die übelsten Stromfresser sitzen. Und wenn Kühlschrank oder Tiefkühltruhe dazu zählen, kann sogar ein Gutschein über bis zu 300 Euro (für eine große Familie, bei Paaren 150 Euro, Alleinstehende 100 Euro) ein neues, effizienteres Gerät finanzieren helfen. Allerdings gibt es dafür einige Bedingungen; es muss ein neues Gerät sein, das mindestens 200 Kilowatt einspart, der Mindesteigenanteil am Neukauf beträgt 50 Euro. Das Gerät muss vorfinanziert und die ordnungsgemäße Entsorgung des alten nachgewiesen werden. „Wir wollen ja auch die Umwelt schonen. Und in der Landschaft entsorgte Kühlschränke schaden der Umwelt“, erklärt Bluhm.