Gelsenkirchen-Buer. Nach der Insolvenz von Harfid ruht die Baustelle am einstigen Amtsgericht in Gelsenkirchen-Buer. Anwohner sehen Gefahren für sich und ihre Gärten
- Nach der Insolvenz des Essener Bauunternehmens Harfid ruhen die Bauarbeiten auf dem Grundstück an der Goldbergstraße
- Ob die Rohbauten wie geplant bis Ende September fertiggestellt werden können, ist höchst unklar
- Anwohner fürchten, dass die Baustelle nicht ausreichend gesichert ist
Es gilt als Filetstück für eine Wohnbebauung in Buer, das Gelände des einstigen Amtsgerichts an der Goldbergstraße. 107 Mietwohnungen sollen dort in sechs Mehrfamilienhäusern entstehen. Ob die Essener Harfid GmbH diese aber tatsächlich wie geplant bis Oktober 2023 fertigstellt, ist aktuell völlig unklar: Die Baustelle steht seit mehreren Wochen still, da das Unternehmen Insolvenz beantragt hat. Nun fürchten die Nachbarn um ihre Sicherheit.
Vor einem Jahr noch hatten Harfid-Verantwortliche in der Bezirksvertretung Nord über die Fortschritte auf dem 5700 Quadratmeter großen Areal berichtet und gehofft, bis zum dritten Quartal 2022 mit den Rohbauten fertig zu sein. Danach sieht es jedoch schon seit Wochen nicht mehr aus, wie Anwohnende auf Nachfrage der Redaktion erzählen.
Gelsenkirchener Anwohner: Bauarbeiten am Goldberg ruhen seit mehreren Wochen
„Ende Juli war auf der Baustelle noch Bewegung, danach ist aber überhaupt nichts mehr passiert“, so Mandy Bois, deren Garten an das alte Amtsgerichts-Grundstück grenzt und die daher den Fortgang der Arbeiten seit dem Beginn Anfang 2021 verfolgt. Seither seien weder Arbeiter zu sehen noch Geräusche zu hören gewesen, „und auch die vielen parkenden Autos, die sonst Richtung Goldbergstraße standen, sind verschwunden. Dabei war das trockene, sonnige Wetter doch ideal zum Bauen.“
Dass Zahlungsschwierigkeiten der Hintergrund sein könnten, darüber hatte die Familie bereits spekuliert, aber trotz Online-Recherche keine Hinweise darauf gefunden. Seit Freitag, 16. September, ist offiziell: Die Harfid GmbH mit ihren rund 300 Beschäftigten hat beim Essener Amtsgericht ein Insolvenzverfahren beantragt, um sich neu aufzustellen. Der Geschäftsbetrieb, hieß es gegenüber dieser Zeitung, werde „vollumfänglich“ weitergeführt.
Nachbarin aus Gelsenkirchen-Buer fürchtet, dass Baustelle nicht gesichert sein könnte
Genau davon kann aber zumindest in Bezug auf das Prestige-Projekt „Wohnen am Goldberg“ keine Rede sein, wie auch Nachbarin Ingrid Hackner bestätigt. „Die Baustelle ruht“, sagt sie und macht sich so ihre Gedanken. „Wer weiß, ob die Baustelle ausreichend abgesichert und auf Herbststürme vorbereitet ist. Besonders die zwei Krane empfinde ich als bedrohlich. Nicht dass diese durch Sturmböen umstürzen...“
Dass sie als Anwohner in Mitleidenschaft gezogen werden könnten: Diese Sorge ist so abwegig nicht. Bei den Abrissarbeiten wäre es im April 2021 beinahe zu einem Unfall gekommen, als eine mehrere Meter lange Metall-Steigleiter zerbrach und ein Teilstück in den Garten von Familie Bois stürzte, genau zwischen Trampolin und Spielgerät (wir berichteten).
Harfid-Sprecherin: Gelsenkirchener Anwohner brauchen keine Sorge zu haben
Harfid-Sprecherin Gabriele Stegers beruhigt freilich auf Nachfrage der Redaktion: „Alle Baustellen sind abgesichert, die Anwohner brauchen keine Sorge zu haben.“ Wie und wann es allerdings weitergeht mit den Bauarbeiten an der Goldbergstraße, konnte sie nicht sagen. „Dafür ist es noch zu früh, da das Insolvenzverfahren gerade erst frisch eingeleitet ist.“
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Auch die Vivawest GmbH, die das Projekt am Goldberg nach der schlüsselfertigen Fertigstellung übernehmen und die Wohnungen als neue Eigentümerin vermieten will, mochte sich dazu nicht konkreter äußern. „Als Käuferin befinden wir uns aktuell in Gesprächen mit der Harfid GmbH und dem vorläufigen Insolvenzverwalter über die Auswirkungen des vorläufigen Insolvenzverfahrens auf die Harfid-Gruppe und das laufende Bauvorhaben. Weitere Angaben zum laufenden vorläufigen Insolvenzverfahren können wir derzeit nicht machen“, hieß es lediglich auf Nachfrage.
Gelsenkirchenerin fürchtet Verwahrlosung von stillgelegter Baustelle
Kurz zuvor hatte Vivawest auf Nachfrage der Redaktion in Bezug auf die Goldberg-Baustelle noch von „Verzögerungen“ bei „vereinzelten Maßnahmen“ gesprochen und auf Materialmangel, Lieferengpässe sowie Zins- und Preissteigerungen verwiesen, die „Vivawest wie die gesamte Branche“ spüre. Tatsächlich führt die Harfid die aktuelle Schieflage auf die Folgen der Corona-Pandemie und des Ukraine-Kriegs zurück.
Während Dr.-Ing-Harfid Hadrovic die Chancen für eine Rettung des Unternehmens als gut einschätzt, fürchtet Anwohnerin Ingrid Hackner, dass die Baustelle vor ihrer Haustür länger brach liegen könnte. „Es wäre schrecklich, wenn die begonnenen Rohbauten womöglich über Monate oder noch länger nicht fertiggestellt würden und verwahrlosten mit allem, was dazugehört: Menschen, die dort übernachten und Ratten.“ Ein Schandfleck in Filetlage von Buer: Das wäre für die Nachbarn das Schlimmste.
Bundesagentur für Arbeit zahlt vorübergehend die Gehälter
Nach der Beantragung eines Insolvenzverfahrens beim Amtsgericht Essen übernimmt die Bundesagentur für Arbeit für maximal drei Monate die Zahlung von Gehältern und Löhnen an die rund 300 Beschäftigten der Harfid GmbH.
Nach Angaben der Geschäftsführung haben „wichtige Geschäftspartner und Kunden“ bereits signalisiert, Harfid bei der Restrukturierung unterstützen zu wollen. Die Düsseldorfer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft „Lohr + Company“ wird Harfid in dem Verfahren beraten. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter ist Dr. Biner Bähr von „White & Case“ bestellt worden.