Gelsenkirchen. 1100 Ukrainer sind nun in Gelsenkirchen registriert. Wo sie leben, wie häufig Corona bei ihnen auftritt und wie es im Plaza-Hotel weitergeht.

Wo vor drei Wochen noch Impfkabinen waren, stehen jetzt, in etwa selber Größe, einzelne Wohnabteile für ukrainische Flüchtlinge bereit. Und gerade werden auch die Faltbetten per Hubwagen, an den Matratzenstapeln vorbei, in die Emscher-Lippe-Halle gebracht: Das Impfzentrum wird zur Ankunftsstation für ukrainische Flüchtlinge.

Ab Montag, 4. April, sollen die Menschen hier registriert, vom Bürgerservice betreut und untergebracht werden, bis sie auf weitere Einrichtungen oder, idealerweise, Wohnungen im Stadtgebiet verteilt werden. Sozialdezernentin Andrea Henze hat der WAZ kurz vor Umbauabschluss die drängendsten Fragen zur aktuellen Flüchtlingssituation beantwortet.

Wie viele Menschen aus der Ukraine sind bislang nach Gelsenkirchen gekommen?

Vor einer Woche waren es noch etwas über 600, jetzt sind es schon 1101 Menschen aus der Ukraine, die der Stadt bekannt sind. Unter den Vertriebenen sind 678 über 18 Jahre alt, also etwas über 60 Prozent. Zwischen null und zwei Jahren sind 54 Kinder, im typischen Kita-Alter (drei bis fünf Jahre) sind 65 Kinder. Der größte Anteil der Minderjährigen (124 Kinder) ist zwischen sechs und neun Jahre alt, 107 sind im Alter von zehn bis 13 Jahren und 73 Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren. „Die jüngste Person ist ein sieben Wochen altes Kind, die älteste eine 87-jährige Frau“, sagt Andrea Henze. Übrigens: Bislang wurden auch 18 Haustiere mit nach Gelsenkirchen gebracht.

Wie viel Platz hat die Stadt Gelsenkirchen für die Flüchtlinge? Wer ist wo untergebracht?

Zählt man die Emscher-Lippe-Halle mit einer Maximalkapazität von nun 242 Personen hinzu, stehen sieben Unterkünfte für Ukrainer bereit: das Kloster St. Mariä Himmelfahrt (52 Plätze, davon 47 belegt), die ehemalige Hauptschule an der Mehringstraße (300 Plätze, davon 70 belegt), die Sporthallen am Wildenbruchplatz und an der Breddestraße (256 Plätze, davon alle frei) und die Sammelunterkünfte am Nordring und an der Adenauerallee (knapp 600 Plätze). Hier sind auch Flüchtlinge aus anderen Ländern untergebracht. Die Auslastung der Bettenkapazitäten liegt hier laut Stadt bei etwa 85 Prozent, 100 Prozent seien schwer zu erreichen. „Eine kleine Zwei-Zimmer-Wohnung mit eigentlich vier Schlafplätzen, in der eine ukrainische Frau mit zwei Kindern untergebracht ist, können wir ja zum Beispiel nicht noch mit einem jungen Asylbewerber aus Afghanistan belegen“, sagt Andrea Henze.

Die Transformation von Impfzentrum zu Ankunftszentrum kommt voran: So sieht es aktuell in der Gelsenkirchener Emscher-Lippe-Halle aus. Bald sollen hier ukrainische Flüchtlinge untergebracht werden.
Die Transformation von Impfzentrum zu Ankunftszentrum kommt voran: So sieht es aktuell in der Gelsenkirchener Emscher-Lippe-Halle aus. Bald sollen hier ukrainische Flüchtlinge untergebracht werden. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Wie geht es nach dem Ärger um das Plaza mit der Unterbringung in Hotels weiter?

Auch im Plaza-Hotel sind derzeit noch 76 Menschen untergebracht. Wie berichtet, hatte sich das Hotel nach der Aufnahme von Geflüchteten plötzlich nicht länger dazu bereiterklärt, die zuvor mit der Stadt getroffenen Vereinbarungen über die Konditionen der Unterbringung akzeptieren zu wollen. Der Deal zwischen Stadt und Plaza ist also geplatzt. Die noch im Plaza untergebrachten Menschen sollen laut Henze am Donnerstagmorgen (31.3.) darüber informiert werden, dass sie ab dem 4. April schrittweise aus dem Hotel ausziehen müssen. Bis dahin wird für sie die Vollpension bezahlt. Für die Hotelbewohner stehen aktuell sieben fertig möblierte Wohnungen zur Verfügung, in denen zirka 30 Personen untergebracht werden. Alle anderen sollen in der Mehringschule untergebracht werden. Weitere Vereinbarungen mit Hotels will Dezernentin Andrea Henze nach den Problemen mit dem Plaza zwar nicht ausschließen. Sie sollen aber nur „im absoluten Notfall“ getroffen werden.

Wie viele private Wohnungen stehen in Gelsenkirchen für Flüchtlinge bereit?

Erklärtes Ziel der Stadt ist es, die Ukrainer von Sammelunterkünften aus schnell in Wohnungen zu verteilen – was bislang allerdings noch nicht geschehen ist. Wer bereits in Wohnungen lebt, ist bei Bekannten, Familien oder Privatinitiativen untergekommen. Der Stadt liegen 165 Angebote von privaten Vermietern und 75 Angebote von Wohnungsbaugesellschaften vor, insgesamt also 240 Wohneinheiten. Bei der Verteilung gilt es, die Wohnungsgrößen- und Quadratmeterpreise einzuhalten, die für Hartz-IV-Empfänger als angemessen eingestuft werden (also beispielsweise Warmmieten von 530 Euro bei 80-Quadratmeter-Wohnungen für drei Personen). Lesen Sie auch: Gelsenkirchen muss weniger für Unterkunft und Heizung zahlen

Gelsenkirchens Sozialdezernentin Andrea Henze in den Räumlichkeiten der Emscher-Lippe-Halle, in denen künftig die Registrierung der Menschen aus der Ukraine stattfinden soll. Das derzeitige Infozentrum an der Sporthalle Schürenkamp schließt dann.
Gelsenkirchens Sozialdezernentin Andrea Henze in den Räumlichkeiten der Emscher-Lippe-Halle, in denen künftig die Registrierung der Menschen aus der Ukraine stattfinden soll. Das derzeitige Infozentrum an der Sporthalle Schürenkamp schließt dann. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Wie steht es um die Beschulung und Betreuung der Kinder?

Aktuell sind laut Stadt 67 Kinder verschiedenen Schulen zugewiesen worden, davon 24 in Grundschulen. Integriert werden die Kinder zunächst in internationale Förderklassen mit anderen ausländischen Kindern. Was die kleineren Kinder angeht, so wolle man verschiedene Spiel- und Betreuungsmöglichkeiten schaffen, etwa sei das Deutsche Rote Kreuz bestrebt, in Kooperation mit der nahe liegenden Kita an der Mehringstraße ein Angebot für die kleinen Kinder auf die Beine zu stellen.

In welcher gesundheitlichen Verfassung sind die Menschen?

Bislang seien vier Coronainfektionen unter den Geflüchteten erkannt worden, so Sozial- und Gesundheitsdezernentin Henze. „Insgesamt kommen die Flüchtlinge in den Umständen entsprechend recht guten Verfassungen an. Sie sind durch die Flucht natürlich müde und erschöpft und trauern Familie, Freunden, Verwandten und der Heimat nach.“ In wenigen Einzelfällen habe eine sofortige ambulante Behandlung erfolgen müssen. Ein Mensch sei mit einem gebrochenen Bein angekommen.

Seit Anfang März gibt es eine Ukraine-Hotline. Was sind die Hauptanliegen der Anrufer?

„Die Ukraine-Hotline erhält täglich im Schnitt etwa 60 Anrufe“, sagt Andrea Henze. Hauptanliegen seien Fragen rund um die Anmeldung und Sozialhilfe. Hier zeigt sich die deutsche Bürokratie übrigens stellenweise auch mal überraschend pragmatisch: Wer noch kein Konto in Deutschland habe, dem werde das Sozialgeld stellenweise auch als Scheck überreicht, beantwortet Henze eine der häufigeren Fragen. Per Mail (25 am Tag) gehen auch regelmäßig Wohnungsangebote ein – vom freien Zimmer des im Ausland studierenden Sohnes bis zur leeren Mietwohnung. Die Hotline (deutsch und ukrainisch) ist unter 169-9000 erreichbar, der Mail-Kontakt ist ukrainehilfe@gelsenkirchen.de