Herten-Westerholt. . Im Getrudis-Hospital in Herten-Westerholt gibt es Pflege-Kurse für Angehörige. Das Angebot im Rahmen eines Modellprojektes ist für viele überforderte Betroffene wie Brigitte Richter eine große Hilfe. Neuester Baustein ist eine Demenz-Schulung.
„Man hat einfach keine Ahnung“, sagt Brigitte Richter. Und sie weiß, wovon sie spricht. Seit ihr Mann vor ein paar Jahren einen Schlaganfall erlitt, ist sie für die Pflege daheim zuständig. „Klar, morgens kommt der Pflegedienst und viermal pro Woche ein Physiotherapeut“, berichtet Richter. „Aber den Rest des Tages bin ich im Einsatz.“ Eine Arbeit, die die Westerholterin für ihren Mann zwar gerne auf sich genommen hat, die sie aber gleichermaßen angestrengt und bis zu einem gewissen Grad auch deprimiert hat. „Direkt nach der Entlassung aus dem Krankenhaus war mein Mann sehr schlecht zurecht. Es ging praktisch gar nichts mehr.“
Sich über ihrer Sorgen und Ängste aussprechen konnte Brigitte Richter auch nicht. „Natürlich habe ich Freunde, Bekannte und Nachbarn“, sagt sie. „Aber viele Menschen sind mit dem Thema einfach überfordert und können nicht gut darüber reden. Ich habe sogar erlebt, dass manche die Straßenseite gewechselt haben, sobald sie mich kommen sahen.“
'"Das gibt mir Kraft"
Vor gut einem Jahr besuchte sie dann - „auf gut Glück“ - das Pflegecafé des Getrudis-Hospitals. Dort traf sie auf Gleichgesinnte, Menschen, die sich ebenfalls um pflegebedürftige Angehörige daheim kümmerten, mit denen man sich austauschen konnte. „Das ist wirklich toll. Man trifft Menschen, die das gleiche durchmachen, wie man selbst, die einem zur Seite stehen und Tipps geben. Das gibt mir selbst Kraft.“
Das Pflegecafé ist allerdings nur ein Baustein im Modellprojekt „Familiale Pflege“ des Westerholter Spitals, wie Regina Kaiser, Krankenschwester für Pflegeüberleitung erläutert. „Es gibt viele Menschen, die auch nach ihrer Entlassung aus der stationären Behandlung zu Hause pflegebedürftig sind“, so Kaiser. „Einen Großteil dieser Pflege übernehmen auch Angehörige, die allerdings in keiner Weise dafür ausgebildet sind, die die Aufgaben zum Teil neben ihrem Beruf erledigen müssen und auch einen ganz anderen Zugang etwa zur Technik haben.“ Brigitte Richter stimmt zu: „Man weiß gar nicht, was man alles braucht, worauf man einen Anspruch hat und wie man zum Beispiel einen Wannenlift benutzt.“ Deshalb bietet das Getrudis-Hospital seit rund zwei Jahren Pflegekurse an, in denen sich die Kursteilnehmer mit Handgriffen und den Hilfsmitteln, aber auch mit der Pflegeversicherung und der neuen Organisation des Haushaltes auseinandersetzen. Darüber hinaus gibt es ein sogenanntes Pflegetraining, bei dem Fachkräfte aus dem Krankenhaus, die Patienten und ihre Angehörigen vor Ort daheim unterrichten. Neuester Baustein ist die Schulung für Angehörige von Menschen mit Demenz.
"Vernetzung hört nicht an der Pforte auf"
Rund 20 Mitarbeiter stellt das Krankenhaus für diese Kurse zur Verfügung. Neben dem sozialen Dienst stehen auch pro Station ein bis zwei Mitarbeiter für ihr Fachgebiet mit Rat und Tat parat. Das Projekt „Familiale Pflege“ wurde 2004 von der Universität Bielefeld und dem Gesundheitsministerium ins Leben gerufen. „Dieses Modell hat auch wirtschaftliche Vorteile zum Beispiel für die Krankenkassen“, erläutert Irmi Heitfeld, Diplom-Pädagoin der Uni. „Dadurch können etwa stationäre Behandlungen reduziert werden.“
Rund 200 Krankenhäuser nehmen mittlerweile an diesem Projekt teil. Das Westerholter Gertrudis-Hospital sticht hervor: Von der betreuenden Universität wurde das Krankenhaus jetzt als „Best Practise“-Beispiel hervorgehoben und ausgezeichnet. Heitfeld begründet. „Das Gertrudis-Hospital ist idealtypisch. Es besteht eine große Identifikation seitens des Umfelds, die Vernetzung hört nicht an der Pforte auf und vor allem orientiert man sich immer am Menschen.“ Rund 350 Angehörige von Patienten haben mittlerweile an Kursen und Treffen des Getrudis-Hospitals teilgenommen. Die meisten sind vollauf zufrieden, wie Brigitte Richter, die nicht nur für sich Vorteile sieht. „Auch meinem Mann geht es mittlerweile viel besser. Und das lag nur an einer Tablette. Und woher hatte ich den Tipp? Aus dem Pflegecafé.“