Gelsenkirchen. .

Wenn Mutter und Vater im Alter gepflegt werden müssen, sind viel Angehörige erstmal überfordert. Um sie besser vorzubereiten, bietet das Bergmannsheil in Buer Pflegekurse an – jetzt auch speziell für Menschen mit Migrationshintergrund.

Nazife wendet vorsichtig den Körper des Patienten im Krankenbett, achtet auf die richtige Lage. Die 39-Jährige nimmt an einem Kurs teil, den das Bergmannsheil Buer Angehörigen anbietet, die später einmal Eltern, Geschwister oder Verwandte zuhause pflegen müssen.

Das Modellprogramm, gefördert von der AOK und wissenschaftlich begleitet von der Uni Bielefeld, läuft bereits seit März. Jetzt hat das Krankenhaus das Angebot erweitert für Angehörige mit Migrationshintergrund. Krankenschwester Yeter Güney leitet einen Kurs, in dem sowohl türkisch als auch deutsch gesprochen wird. Gerade in türkischen Familien hat die Pflege innerhalb der Familie einen besonderen Stellenwert. Yeter Güney: „Ambulante Pflegedienste werden meistens nicht akzeptiert, Töchter und Ehefrauen übernehmen häufig die Pflege. Bei den Kursinhalten berücksichtige ich kulturell und religiös motivierte Besonderheiten der Pflege in einer türkischen Familie.“

Pflegetechniken

In Gruppen lernen die Teilnehmer Pflegetechniken kennen. Es geht um die richtige Lagerung und Bewegung wie auch um Körperhygiene, praktische Hilfestellungen beim An- und Ausziehen, beim Essen und Trinken. Aber auch der Einsatz von Hilfsmitteln steht auf dem Übungsplan. Neben dem Pflegetraining am Bett werden den Teilnehmern an drei Tagen über jeweils vier Stunden die Grundlagen der Pflege vermittelt. In Gesprächskreisen, die alle zwei Monate stattfinden, tauschen die Pfleger Erfahrungen aus, frischen Kenntnisse auf.

Doch auch über organisatorische Fragen wie finanzielle Hilfen, Herausfinden der geeigneten Ansprechpartner oder Bestimmung der richtigen Pflegestufe wird neben dem Pflegetraining in regelmäßigen Gesprächskreisen gesprochen. Denn gerade vor sozialrechtlichen Fragen kapitulieren Angehörige häufig, weil ihnen Informationen fehlen. „Die Hilfe hat mir damals gefehlt, als meine Eltern erkrankten“, sagt Nazife. Beide sind inzwischen verstorben. Nazife hat noch vier Geschwister. Sie besucht den Kurs, um auf den Ernstfall vorbereitet zu sein. „Denn treffen kann es uns alle, plötzlich auf Hilfe angewiesen zu sein.“

Kostenlose Kurse

Die Kurse sind für alle kostenlos. Und auch die AOK macht ihre Förderung nicht von der gleichzeitigen Mitgliedschaft der Teilnehmer abhängig. „Wir wollen als Klinik, dass unsere Patienten auch nach der Entlassung pflegerisch gut versorgt sind und zuhause ihre Lebensqualität bewahren können“, sagt Pflegedirektor Joachim Weigand. Bevor die Schulung für Angehörige beginnt, prüfen Mediziner und Sozialdienst zunächst die Kriterien. Entscheidend sind Antworten zum Krankenbild des Patienten, zur Pflegeerfordernis und zur Familiensituation.

Schon während des Krankenhausaufenthaltes eines Angehörigen können die zukünftigen Pfleger mit dem Training für die spätere häusliche Pflege beginnen. Und im nächsten Jahr, so hofft Weigand, könnte das Projekt ausgedehnt werden. Dann soll das Pflegetraining für die Angehörigen auch zuhause am heimischen Bett stattfinden.

Sorgen, eines Tages vieles wieder vergessen zu haben und nicht mehr weiter zu wissen, müssen sich die zukünftigen häuslichen Pfleger nicht machen. Denn Yeter Güney hat alles aufgeschrieben und detailliert in einem Ordner verewigt.