Oberhausen. .

In unserer Stadt leben 1958 Menschen in 22 Altenheimen, rund 60 Prozent von ihnen sind an Demenz erkrankt. Das war auch die hoch betagte Frau, die am Montagabend das Louise-Schröder-Heim verlassen hatte und keinen Tag später tot aufgefunden worden war, weil sie wohl nicht mehr zurück fand. Wie sind solche Vorfälle zu verhindern? Welche Maßnahmen können und dürfen die Heime ergreifen?

„Absolute Sicherheit gibt es nicht“, sagt Holger Eichstädt, Leiter der Heimaufsicht Oberhausen. „Die Türen der offenen Heime dürfen rein rechtlich nicht verschlossen werden.“ Die Bewohner sollten sich vielmehr frei bewegen dürfen. „Dazu muss man verstehen, dass diese Menschen nicht ziellos umherirren. Ihre Ziele gehören nur zu einer Realität, die nicht unsere ist.“

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Hinlauftendenz nenne man das, so Martina Hermann, Pflegedienstleiterin im Haus Gottesdank: „Sie wollen nicht weg aus dem Heim, sondern zurück in die vertraute Umgebung, nach Hause oder zu längst verstorbenen oder verzogenen Verwandten.“

Im Haus Gottesdank, in dem zwölf demente Senioren seit 2009 in einer Wohngruppe leben, hat man deshalb inmitten eines umzäunten Gartens eine Schein-Bushaltestelle angelegt: Dort können sich die Senioren hinsetzen und auf einen Bus warten, der nie kommen wird. Oft dauert es nicht lange, bis sie den Grund für ihre Reise vergessen haben: Sie gehen zurück ins Heim. Wissenschaftliche Untersuchungen zur Wirksamkeit dieser bundesweit eingesetzten Schein-Haltestellen gibt es nicht, aber: „Man kommt dort mit den Bewohnern ins Gespräch“, sagt Hermann. „Ach, wohin wollen Sie denn? Da muss ich auch hin, warten wir doch zusammen.“ Wichtig sei, Demenzkranken auf emotionaler Ebene zu begegnen. „Den Bewohnern etwas auszureden, was in ihrer Vorstellung noch existiert, hilft nicht. Stattdessen muss man sie bei ihren Themen abholen.“

Verstärkte Wachsamkeit ist gefragt

„Dabei ist wichtige Biografiearbeit zu leisten“, sagt Eichstädt und gibt ein Beispiel: „In einem Heim lebte ein Mann, der morgens um fünf aufgestanden und unruhig hin und her gelaufen ist. Durch Gespräche wurde klar, dass er bei der Bahn gearbeitet hatte, wo er am Morgen den Postzug zu entladen hatte. Er glaubte, das immer noch tun zu müssen.“ Kaum habe man ihm einen Postsack zur Weitergabe gegeben, sei er wieder ins Bett gegangen und habe bis zum Frühstück geschlafen.

Der Neubau, in dem die Wohngruppe vom Haus Gottesdank untergebracht ist, hat nur einen Eingang, weitere Türen führen in den umzäunten Garten. Werden sie geöffnet, erhalten die Betreuer ein Signal. Solche Schutzanlagen haben auch andere Häuser, darunter das Louise-Schröder-Heim. Sie piepen, wenn ein Bewohner abends das Heim verlässt, wahren aber zugleich seine Persönlichkeitsrechte. Denn zunächst ist nicht klar, wer vor die Tür gegangen ist. „Außerdem ist verstärkte Wachsamkeit gefragt“, so Eichstädt. Dass die Seniorin, die am Dienstag tot aufgefunden wurde, trotz Alarms nicht rechtzeitig gefunden wurde, sei sehr unglücklich gewesen.

Andere Häuser haben ihre Flure so anlegen lassen, dass sie die Bewohner im Kreis führen. In großen Einrichtungen haben solche Flure den Nachteil, dass demente Menschen bis zur Erschöpfung immer weitergehen. Deshalb sei man davon schon wieder weg, so Eichstädt. Wichtiger sei es, Beziehungen zu den Senioren wieder und wieder aufzubauen. Besonders gut gelinge das in kleinen Gruppen. „In den großen Häusern treffen die Bewohner in 14 Tagen auf 15 verschiedene Leute“, so Eichstädt. „Das kann ein Dementer nicht verpacken.“