Essen. . Die Evag feiert die Eröffnung der ersten neuen Straßenbahntrasse seit fast vier Jahrzehnten. Viele tausend Schaulustige verfolgten dabei die Jungfernfahrt der brandneuen Niederflurbahn NF 2 mit Essens Oberbürgermeister Reinhard Paß am Steuer.
Ein Oberbürgermeister trifft zuweilen gewichtige Entscheidungen, aber 42 Tonnen Gewicht bewegt auch ein OB nicht jeden Tag. So war die gestrige Jungfernfahrt der neuen Niederflurbahn der Evag auf dem Berthold-Beitz-Boulevard für Reinhard Paß nach eigenen Worten etwas ganz Besonderes. Essens Stadtoberhaupt blieb es vorbehalten, offiziell die ersten Meter am Steuer der 2,5 Millionen Euro teuren Tram zurückzulegen, die er zuvor stilgerecht mit einer Flasche Schampus auf den Namen „Stadt Essen“ getauft hatte. Weil für die Aufsichtsbehörde alles seine liebe Ordnung haben muss, gab es die Fahrgenehmigung schriftlich und damit bloß nichts schief geht, hatte Paß eigens eine Fahrstunde genommen.
Mit der Premierenfahrt ging ein 8422 Tage währendes Provisorium zu Ende. Damals, mit der Eröffnung der unterirdischen Ost-West-Tangente stellte die Evag den Betrieb der Straßenbahnlinie 109 im Jahr 1991 auf ihrem bisherigen Linienweg auf der Frohnhauser Straße ein. Nun rollt die Tram von der Altendorfer Straße über die Trasse auf dem Berthold-Beitz-Boulevard zu rollen, um ihren Weg von der Einmündung zur Frohnhauser Straße bis zur Martin-Luther-Straße fortzusetzen.
14 Millionen Euro ließen Stadt, Evag und der VRR sich die neue Streckenführung kosten. Dass es einmal so kommen würde, hätte Markus Richter sich nicht träumen lassen, als er vor einem Vierteljahrhundert mit Gleichgesinnten aus der Verkehrs- und Umweltbewegung für die Linie 109 auf der Straße demonstrierte. Den Zeitungsartikel hatte er zur feierlichen Eröffnung eigens mitgebracht, wo sich die Essener zu Hunderten drängten, um am ersten Tag mitzufahren. So war die gestrige Einweihung in jeder Hinsicht ein Tag fürs Geschichtsbuch, denn eine neue Straßenbahnlinie hat es in Essen seit Jahrzehnten nicht gegeben.
Zufriedene Gesichter allenthalben: Die Fahrgäste sparen Zeit - drei Minuten sind es, da die Bahnen nicht mehr über die Helenenstraße fahren müssen. Die Evag spart rund 300 000 Euro pro Jahr, denn sie muss auf der Strecke weniger Fahrzeuge einsetzen. Vier brandneue Niederflurbahnen der Serie NF 2 sind von heute an unterwegs, weitere 23 Fahrzeuge folgen nach und nach und verheißen mehr Komfort nicht nur auf der Linie 109. Zu guter Letzt profitiert die Stadt durch die verbesserte Anbindung des kruppschen Gürtels, wobei die neue Trasse nur ein Anfang sein soll. Angedacht ist die Verlängerung bis zum Hauptbahnhof, wobei die Finanzierung noch offen ist. Wünschenswert sei auch die Anbindung von Ikea, das an der Bottroper Straße neu baut. Zukunftsmusik? Derzeit verhandelt die Evag mit dem Möbelhaus über eine Bushaltestelle.
So verläuft die neue Tram 109
Die neue Streckenführung der Straßenbahnlinie 109 ist insgesamt 1,3 Kilometer lang. Aus dem Tunnel auf der Altendorfer Straße kommend biegt sie in den Berthold-Beitz-Boulevard ab, wo die Bahn auf einer eigenen Trasse rollt. Am Ausgang des Berthold-Beitz-Boulevards biegt die Tram in die Frohnhauser Straße ab und folgt dort ihrem ursprünglichen Linienweg bis zur Martin-Luther-Straße. Die Haltestelle Alfred-Krupp-Schule wurde ebenfalls umgebaut.
Die Evag verspricht sich von der neuen Linienführung vor allem eine Entlastung des störanfälligen Verkehrsknotenpunktes Helenenstraße, wo sich nun nicht mehr fünf Linien kreuzen, sondern vier: die 103, 105, 101 und 106.