Essen. . Verwirrtheit und Demenz können nach einem Krankenhausaufenthalt verstärkt zu Tage treten – und das auf Dauer. Durch veränderte Medikamentierung, verbesserte Pflege und Orientierungshilfen lässt sich das Risiko deutlich senken. Eine Selbstverpflichtung hierzu unterzeichneten jetzt die Chefs aller Essener Kliniken.

Mit steigendem Bevölkerungs-Alter steigt auch in Essens Krankenhäusern die Zahl verwirrter und dementer Patienten rasant. Um diese Menschen künftig angemessener behandeln zu können, haben die Chefs aller Essener Krankenhäuser jetzt eine Selbstverpflichtung unterzeichnet, die wegweisend für die Region ist.

Personal soll geschult werden, um kompetenter zu sein im Umgang mit akut oder chronisch Verwirrten und dementen Patienten. Darüber hinaus durchlaufen Menschen, die über 75 sind, bei ihrer Aufnahme einen kurzen Test mit sechs Fragen, der eine Gefährdung auch dann aufzeigt, wenn kognitive Einbußen noch nicht deutlich spürbar sind.

Gewohnte Tagesabläufe bewahren

Gerade bei älteren Menschen, so Sozialdezernent Peter Renzel, befinde sich der Gesundheitszustand häufig in labilem Gleichgewicht. „Reißt man diese Menschen aus einem Alltag mit gewohnten Tagesabläufen, droht dieses Gleichgewicht zu kippen.“ Orientierungshilfen, die Geborgenheit und räumliche Orientierung geben, seien unabdingbar. „Wenn das Frühstück für einen Menschen bedeutet, dass der Tag jetzt beginnt, zerstört es seine gesamte Tagesstruktur, wenn er plötzlich nüchtern zu einer Untersuchung bestellt wird“, erklärt Professor Hans Georg Nehen, Chef des Geriatrie-Zentrums Haus Berge. „Dann reagiert der Mensch mit Angst und Unruhe.“

Zustände, die man bislang auch medikamentös in den Griff bekam. „Heute jedoch weiß man, dass Medikamente wie Antidepressiva den Zustand verschlimmern können oder eine Demenz demaskieren können“, sagt Professor Rolf Diehl, Neurologe am Alfried Krupp Krankenhaus. Eine Negativliste, die allen Krankenhäusern vorliegt, soll künftig vor der Gabe von Medikamenten, die eine Demenz verstärken können, warnen. Ebenso stehen Narkotika, die dauerhafte Verwirrtheit auslösen können, auf der Negativliste. „Früher hat man das häufig als Durchgangssyndrom bezeichnet“, sagt Diehl, „aber heute weiß man, dieser Zustand der Verwirrtheit kann dauerhaft sein.“

Angehörige werden stärker mit einbezogen

Einbezogen werden sollen laut Selbstverpflichtung auch Angehörige, „denn sie können zum einen über den gewohnten Tagesablauf Auskunft geben, sind aber auch die wichtigste Bezugsperson des Patienten und somit für die Behandlung und Pflege von verwirrten Menschen unverzichtbar“, sagt Nehen. Als letzten Punkt führt die Selbstverpflichtung die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Mitarbeitern und Stellen, die nach der Krankenhausentlassung die Weiterbehandlung übernehmen, auf; denn durch eine gute Übergabe könne auch die Verweildauer in Kliniken gesenkt werden.