Essen. Die Stadt Essen zahlte 2012 59 Millionen Euro für Menschen, die im Heim leben. Obwohl Angehörige verpflichtet sind, sich an den Kosten zu beteiligen, steuerten Verwandte nur 580.000 Euro bei. Nach einem Bericht des Rechnungsprüfungsamtes will das Sozialamt bei Angehörigen nun kritischer nachfragen.
Im März 2006 kommt sein Vater ins Pflegeheim. Weil der alte Herr nicht über die notwendigen finanziellen Mittel verfügt, um für die Unterbringung aufzukommen, will das Sozialamt seinen Sohn zur Kasse bitten. Das Amt errechnet einen Unterhaltsbeitrag von 976,86 Euro pro Monat. Ein Mal noch, im Februar 2007, schreibt die Behörde den unterhaltspflichtigen Sohn an. Danach verläuft die Sache im Sande. Eine Unterhaltsforderung ergeht nicht, heißt es in einem Bericht des städtischen Rechnungsprüfungsamtes. Die Stadt blieb auf den Kosten sitzen.
Der beschriebene Fall ist nicht etwa ein Einzelfall. Zynisch formuliert: Wer als Angehöriger um seine Ersparnisse fürchtet, wenn Vater, Mutter oder Ehepartner ins Pflegeheim kommt, muss sich keine allzu großen Sorgen machen.
30 Fälle haben die Rechnungsprüfer stichprobenartig unter die Lupe genommen, in elf davon wurden „Unterhaltsprüfungen nicht oder nicht abschließend durchgeführt“. Hochgerechnet kann das Ergebnis der notorisch klammen Kommune nicht gefallen. „Die Bemühungen der Stadt, einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen könne dies konterkarieren, heißt es in dem Bericht an den Rechnungsprüfungsausschuss des Stadtrates, mit dem die Politik sich in Kürze befassen soll.
Essen zahlt jährlich 59 Millionen Euro für Heimbewohner
Die Rechnungsprüfer sind alarmiert angesichts von rund 4000 Heimbewohnern in dieser Stadt, die Hilfe zur Pflege oder Pflegewohngeld erhalten. 59 Millionen Euro wendete die Stadt dafür im vergangenen Jahr auf.
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Statistisch betrachtet sind zwei von drei Menschen, die in einem Pflegeheim untergebracht sind, auf finanzielle Hilfe der öffentlichen Hand angewiesen. Das kann nicht weiter überraschen. Durchschnittlich 4000 Euro kostet in Essen ein Heimplatz pro Monat in der Pflegestufe 3. Die Pflegeversicherung zahlt maximal 1918 Euro, und das auch nur für Härtefälle. Was Betroffene für den persönlichen Notfall an Erspartem zurückgelegt haben, ist da schnell verfrühstückt.
Angehören sind verpflichtet, für ihre Verwandten zu zahlen
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Für diesen Fall hat der Gesetzgeber festgelegt, dass die nächsten Angehörigen, also Ehepartner oder Kinder, für den Unterhalt aufkommen müssen, sofern sie denn finanziell dazu in der Lage sind. Die Hürden sind hoch. 1500 Euro bleiben dem Angehörigen für den eigenen Unterhalt, hinzu kommen Freibeträge für Ehepartner und Kinder. Und wer dazu noch Wohnung oder Eigenheim abbezahlt, müsse sich keine großen Sorgen machen. „Zu holen ist nur etwas, wenn einer richtig gut verdient“, heißt es hinter vorgehaltener Hand in der Sozialbehörde.
580 000 Euro nahm die Stadt 2012 an Unterhaltungszahlungen von Angehörigen ein. Ob da noch Luft nach oben ist? Nach dem Bericht der Rechnungsprüfer wird das Sozialamt künftig wohl genauer hinsehen.