Essen. Zu viel Fleisch, zu wenig Qualität, bescheinigt Prof. Dr. Gustav Dobos der Klinikkost. Kalkulatorisch werde die behandelt wie die Müllabfuhr.

In Holsterhausen sitzt neuerdings die etwas andere Einrichtung der Universitätsmedizin Essen: Hier gibt es Küche und Entspannungsraum, tragen Kochtopf, Klangschale und Yogakissen zur Wohlfühlatmosphäre bei. Hier plant der Leiter des „Zentrums für Naturheilkunde und Planetare Gesundheit“, Prof. Dr. Gustav Dobos, eine Revolution: „Wir wollen das Krankenhausessen anpacken.“ Ungesund sei es und umweltschädlich obendrein.

Der Entspannungsraum im „Zentrums für Naturheilkunde und Planetare Gesundheit“ der Universitätsmedizin Essen ist mit Yogakissen und Klangschale ausgestattet.
Der Entspannungsraum im „Zentrums für Naturheilkunde und Planetare Gesundheit“ der Universitätsmedizin Essen ist mit Yogakissen und Klangschale ausgestattet. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Seit zwei Jahren baut er das Zentrum auf; mit einem Team, zu dem altvertraute Mitstreiter ebenso gehören wie junge Medizinerinnen. Ihre aktuelle Studie soll herausfinden, ob Naturheilkunde Post-Covid-Patienten hilft. Es gebe bereits ermutigende Ergebnisse, sagt Dobos am Mittwoch (16. 8.) bei einer Einweihungsfeier der neuen Einrichtung.

Was indes die Klinik-Kost angehe, trage die kaum zur Gesundung bei, im Gegenteil: „Der hohe Wurst- und Fleischverzehr – aktuell dreimal täglich, sieben Tage die Woche – ist nicht nur ungesund, er trägt mit etwa 17 Prozent zu den klimawirksamen Emissionen eines Krankenhauses bei.“ Anders gesagt: Er schade den Patienten und dem Planeten. Planetare Gesundheit aber habe Mensch und Umwelt im Blick.

„Nehmen Sie uns den Döner?“, fragen Mitarbeiter der Uniklinik Essen

In der Uniklinik würden täglich 1600 Essen an Patienten ausgegeben und etwa halb so viele an die Mitarbeiter. Bei ihnen möchte Dobos zuerst ansetzen. Den Fleischanteil senken, ohne völligen Verzicht zu fordern. „Wenn ich den Anteil der Veganer verdoppele, habe ich statt ein Prozent zwei Prozent Veganer – das bringt wenig.“ Größer sei der Effekt, wenn alle sich mäßigen.

Beim Personal löse das mitunter Sorgen aus. „Wollen Sie uns den Döner nehmen?“, frage man ihn in Arbeitsgruppen zum Thema. „Und die Currywurst auch“, antworte er. Dobos lächelt. Meist begegne er Offenheit, wenn er erkläre, dass es ihm um bewusstere und bessere Ernährung gehe. „Am Ende fragen sie nach vegetarischen Rezepten.“

Das Essen ist nicht gut und viel davon landet im Müll

Aktuell seien aus Kostengründen weder Fleisch noch vegetarische Gerichte von Spitzenqualität. Das liege auch daran, dass Ernährung im Krankenhaus zu den „nicht-medizinischen Leistungen zählt und damit kalkulatorisch nicht anders behandelt wird als die Müllabfuhr“.

Apropos Müll: Auch den will Dobos in der Krankenhausküche verringern. Zusammen mit Fleischverzicht sei „die Vermeidung von Lebensmittelverschwendung der größte Beitrag, den jeder von uns als Mittel gegen den Klimawandel leisten kann – wirkungsvoller sogar, als auf Fliegen zu verzichten.“ Das gesparte Geld könne man für besseres Essen nutzen, für eine pflanzenbasierte, vollwertige Mittelmeerkost.

„Mein Ziel ist, dass die Mitarbeiter im Urlaub zum Mittagessen in die Kantine der Klinik kommen“, verrät Dobos. Um das erreichen zu können, musste er zunächst den Ärztlichen Direktor der Uniklinik überzeugen. Prof. Dr. Jochen A. Werner ist selbst als Missionar und Autor („So krank ist das Krankenhaus“) unterwegs; will die Uniklinik zum Smart Hospital umbauen.

Naturheilkunde-Pionier wünscht sich ein Green Hospital

Geht es nach Dobos, wird die Digitalisierung durch eine Transformation zur nachhaltigen Medizin flankiert: Die „Selbstfürsorge der Patienten“ und die „naturheilkundliche Selbsthilfe für Pflegende“ will er aktivieren, die Umwelt schonen: Das Smart Hospital soll auch Green Hospital sein. Als Pionierin solle die Uniklinik „eine Blaupause für alle Krankenhäuser in Deutschland“ liefern.

Naturheilkunde-Pionier entdeckt die Planetare Gesundheit

Das Zentrum für Naturheilkunde und Planetare Gesundheit an der Uniklinik Essen wird von Prof. Dr. med. Gustav Dobos geleitet. Zuvor leitete er 22 Jahre lang die Klinik für Naturheilkunde und Integrative Medizin an den Evangelischen Kliniken Essen-Mitte (KEM) am Standort Steele.

Im Jahr 2021 ging Dobos bei den KEM in Ruhestand und wechselte im September desselben Jahres an die Uniklinik, wo er das neue Zentrum aufbaute. Der Mediziner gilt als Naturheilkunde-Pionier und hat mehrere populäre Bücher zu medizinischen Themen verfasst.

Die Naturheilkunde sehe den Menschen als Teil der Natur und nutze natürliche Ressourcen wie Pflanzen und Mineralien, um die Gesundheit zu fördern. Die planetare Gesundheit erweitere den Begriff auf das ganze Ökosystem, Motto: „Wenn der Planet nicht gesund ist, kann der Mensch nicht gesund sein.“

Jochen Werner, von Hause aus HNO-Arzt, berichtet auf dem Eröffnungsabend des Zentrums, dass er 1980 sein Studium mit einer Skepsis gegen Naturheilkunde begonnen habe und in seiner Praxis meist gut mit der Schulmedizin gefahren sei. Doch es gebe Krankheitsbilder, bei denen die an Grenzen gerate: etwa das Ohrgeräusch oder rätselhafte Schleimbildung; beides belastend für Betroffene. „Dann erzählt mir einer, er habe die Ernährung umgestellt, Quatsch eigentlich“, lächelt Werner. „Aber der Schleim ist weg.“

Uniklinikchef freut sich riesig über den Neuzugang

Als Werner nach Essen kam, stieß er auf Dobos, der damals an den Ev. Kliniken Essen-Mitte die Naturheilkunde leitete. „Er ist eine Instanz“, sagt Werner über den Pionier. Als Dobos 2021 in Pension ging, holte Werner ihn an die Universitätsmedizin. Geld für seine Ideen habe Dobos bei Stiftungen selbst eingeworben. „Wir haben nur ein klein wenig enabled.“ Ermöglicht also. Er freue sich riesig, Dobos gewonnen zu haben.

Prof. Dr. Gustav Dobos (rechts) bei der Eröffnung des von ihm geleiteten „Zentrums für Naturheilkunde und Planetare Gesundheit“ am Mittwoch (16. 8.). Der Naturheilkunde-Pionier dankt dem Ärztlichen Direktor der Uniklinik, Prof. Dr. Jochen A. Werner (2. von rechts), für dessen Mut, ihn einzustellen: „Ich hoffe, Sie werden es nicht bedauern.“
Prof. Dr. Gustav Dobos (rechts) bei der Eröffnung des von ihm geleiteten „Zentrums für Naturheilkunde und Planetare Gesundheit“ am Mittwoch (16. 8.). Der Naturheilkunde-Pionier dankt dem Ärztlichen Direktor der Uniklinik, Prof. Dr. Jochen A. Werner (2. von rechts), für dessen Mut, ihn einzustellen: „Ich hoffe, Sie werden es nicht bedauern.“ © FUNKE Foto Services | Uwe Ernst

Der dankt im Gegenzug Werner für seinen Mut, ihn einzustellen: „Ich hoffe, Sie werden es nicht bedauern.“ Selbstredend unterfüttere man Heilansätze wie die Mind-Body-Medizin mit Studien. „Unser Labor mag eine Küche sein, unsere Forschungsmethoden sind evidenzbasiert und patientenorientiert.“ Man mache sozusagen Kneipp auf modern. Der sei zu Lebzeiten gepriesen – und als Quacksalber beschimpft worden. Heute wisse man, dass Kneipps Empfehlungen zur Lebensführung „voller Weisheit und zeitlos aktuell“ gewesen seien.

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