Essen. . Professor Gustav Dobos hat seine Klinik in Essen-Steele nach vorne gebracht. Die Patienten kommen aus nah und fern, seine Forschungen sind mittlerweile im In- und Ausland gefragt. Denn: Dobos' Hospital tickt anders.

Es ist ein schöner Morgen. Die Sonne wirft ein warmes Licht auf die Balkone, die von den Zimmern in den Garten führen. Wenig erinnert hier an das, was man mit Krankenhaus verbindet. Es ist hell, still – es sind Räume für die Seele.

Diese Klinik für Naturheilkunde am ehrwürdigen Knappschaftskrankenhaus in Steele, das zu den Kliniken Essen-Mitte zählt, ist ein Hospital, das anders tickt: Hier steht Akupunktur auf dem Plan. Meditation, Ordnungstherapie.

Vor zehn Jahren nahm das kaum einer ernst. Professor Gustav Dobos, Leiter Deutschlands erster „Klinik für Naturheilkunde und Integrative Medizin“, sagt: „Wir mussten viel Überzeugungsarbeit leisten.“ Seine Klinik, 1999 mit zwanzig Betten eröffnet, ist längst ein Erfolgsmodell: Die mittlerweile 54 Betten sind immer belegt. Mit Patienten aus ganz Deutschland.

Für Kassenpatienten

Wer auf die Behandlungsschwerpunkte schaut, sieht, dass das keine Hausapotheke zur Therapie von Wehwehchen ist. Hier geht es um existenzielle Probleme: chronische Schmerzen, Rheuma, Magen- und Darmerkrankungen – und Krebs. Es ist übrigens keine Klinik für die Besserverdienenden, die das nötige Kleingeld haben für eine Medizin, in der der Geist so viel gilt wie der Körper und Selbstheilungskräfte kein Humbug sind. Nein, hier liegen vor allem Kassenpatienten.

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Von Britta Heidemann

Gerade hat Dobos (57) das Gespräch mit einer Patientin beendet. Sie war an Brustkrebs erkrankt. „Sie haben mir meine Seele wiedergegeben“, sagt sie. Die Behandlung von Operation und Chemotherapie hatte sie absolviert, dann kam sie in die Tagesklinik von Dobos.

Das Motto hier heißt nicht Naturmedizin statt Schulmedizin, sondern Naturmedizin plus Schulmedizin! Dobos und die Schulmediziner der Kliniken Essen-Mitte – wie Andreas Dubois, Sherko Kümmel, Michael Stahl und Hansjochen Wilke – haben die „integrative Onkologie“ zur gemeinschaftlichen Krebstherapie entwickelt.

So etwas ist eine kleine Revolution. Dobos würde das nie so formulieren, aber es ist kein Geheimnis, dass sich Schul- und Naturmedizin lang nicht grün waren. Er sagt sehr diplomatisch: „Als Ende der Neunzigerjahre die deutschlandweit einzige Professorenstelle für Naturheilkunde und Integrative Medizin vergeben werden sollte, stieß die Idee auf wenig Zustimmung.“ Aber – er bekam die Stelle.

Meditation bei Brustkrebs

Dobos ist ein Pionier. Auch was die Wissenschaft betrifft. Am Lehrstuhl für Naturheilkunde, gefördert durch die Krupp-Stiftung, unterstützt durch die Karl- und Veronica-Carstens-Stiftung, wurden 33 Doktorarbeiten vergeben. „Unsere Forschungsergebnisse sind sehr vielversprechend. Wir werden von Kliniken im In- und Ausland angefragt, die Ergebnisse dort vorzustellen.“

In der Forschung liegt die Chance, dass diese Therapien irgendwann zur Standardbehandlung an ganz normalen Kliniken gehören werden. Weil sie helfen. Nehmen wir die Meditation: Eine große Studie bei Frauen mit Brustkrebs hat die Wirksamkeit von Meditation belegt. „Die Frauen waren weniger ängstlich, weniger depressiv. Konnten besser schlafen.“ Naturheilkunde macht nicht den Knoten weg – aber sie erhöht die Lebensqualität. In einer neuen Studie, in der noch die Akupunktur hinzugenommen wird, soll nun erforscht werden, wie sehr die Methoden dabei helfen, die Nebenwirkungen der Chemotherapie zu verringern.

Ärzte für den Beruf begeistern

Dobos war in Peking, hat lange in den USA geforscht. Die meisten Semester absolvierte er in seiner Heimat, in Freiburg. „Dort hatte man schon sehr früh sehr viel Verständnis für Naturheilkunde“. Im Ruhrgebiet dagegen wehte ein anderer Wind. Kräuter statt Pille? Dem Malocher kam das komisch vor.

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Doch ob Globuli oder Blutegel, Nadelstiche oder das Ayurveda der indischen Medizin – die Naturheilkunde erlebte einen Boom. Eins fuchst den Arzt jedoch, es betrifft den ärztlichen Nachwuchs: „Bis zu fünfzig Prozent der Studenten wollen in Deutschland nicht als Ärzte arbeiten.“ Der Stress sei ein Grund. Die Angst, unter Druck kein guter Arzt sein zu können. Dobos’ Rezept kommt aus den USA, eine Art Anti-Stress-Programm mit dem besonderen Herzstück: Man lerne gezielt, „wieder den Sinn in der Arbeit als Arzt zu erkennen“.

Dobos ist überzeugt, dass der Arztberuf ein schöner Beruf ist. Das gefällt Gesundheitsministerin Barbara Steffens, die ihn eingeladen hat: Dobos soll ein Modell mitentwickeln, um Studenten für den Arztberuf zu motivieren. An seiner Klinik kann von Ärztemangel keine Rede sein. Dobos kann sich vor Bewerbungen kaum retten. Eine Medizin der Menschlichkeit ist attraktiv – für Ärzte wie Patienten.