Essen. Superfood muss nicht von weit her kommen, auch Hafer, Tomaten, Äpfel sind gesund. Prof. Gustav Dobos erklärt, was unser heimisches Gemüse kann.

Das Thema Ernährung ist ein besonderer Schwerpunkt seiner Arbeit. Ein Gespräch mit Prof. Dr. Gustav Dobos, Direktor des Zentrums für Naturheilkunde und Integrative Medizin am Universitätsklinikum Essen, über „Superfood“ und seine Wirkung.

Was ist „Super Food“ aus Ihrer medizinischen Sicht: eine (teure) Mode oder mehr?

Prof. Gustav Dobos: Der Begriff „Superfood“ ist nicht ernährungswissenschaftlich definiert, sondern ein Marketinginstrument. Aus diesem Grund wird er in der Werbung oft für exotische und überteuerte Nahrungsmittel verwendet. Grundsätzlich handelt es sich Superfoods um Gemüse, Obst und manche Getreide, Samen, Nüsse oder Gewürze, die besonders viele positive Eigenschaften kombinieren – in der Regel von sekundären Pflanzeninhaltsstoffen, die eigentlich dafür da sind, die Pflanzen zu schützen, und zum Teil sogar giftig sind (zum Beispiel, um Pilze oder Fressfeinde abzuschrecken). Diese liegen aber nur in sehr geringen Dosen vor und sind entzündungshemmend, antiviral beziehungsweise -bakteriell, krebsvorbeugend, blutdruck- oder cholesterinsenkend. Wie es genau zu dieser Wirkung kommt, wissen wir gar nicht. Die Hypothese ist, dass gerade Reizstoffe in geringer Dosis die Widerstandskraft des Körpers aktivieren, ohne ihm zu schaden.

Prof. Dr. Gustav Dobos leitet das Zentrum für Naturheilkunde und Integrative Medizin am Universitätsklinikum Essen.
Prof. Dr. Gustav Dobos leitet das Zentrum für Naturheilkunde und Integrative Medizin am Universitätsklinikum Essen. © FUNKE Foto Services | Knut Vahlensieck

Also sind sie medizinisch durchaus sinnvoll einsetzbar?

Wir wissen heute, dass einzelne Lebensmittel besondere Power in Sachen Gesundheit haben. Dazu zählen Hafer (cholesterinsenkend, entzündungs- und allergiehemmend), Leinsamen und Leinöl (pflanzliche Omega3-Fettsäuren, entzündungslindernd, blutdruck- und cholesterinsenkend), Knoblauch und Zwiebeln (blutdruckregulierend, anticholesterin, antibakteriell), Beeren (gegen Diabetes, Krebs, Entzündungen), Tomaten mit ihren Lykopenen (gut für Herzkreislauf, gegen Prostatakrebs), Schokolade (die Polyphenole des Kakaos, entzündungshemmend und krebsvorbeugend). Außerdem Nüsse (vor allem Walnüsse, herzstärkend und krebsvorbeugend), Brokkoli (Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, krebsvorbeugend), Grünkohl (wirkt positiv auf die Stimmungslage, immunstabilisierend), Hülsenfrüchte (halten den Blutzucker nieder, verdauungsfördernd, antioxidative Wirkung), Rote Bete (blutdrucksenkend, entzündungshemmend), Pilze (cholesterin- bzw. blutdrucksenkend), Äpfel (senken den Cholesterinspiegel und das Diabetes-Risiko), sogar Kaffee (moderat, wenn er ohne Milch getrunken wird, reduziert Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfällen und Alzheimer), grüner Tee (unterstützt das Immunsystem).

Sind das nicht alles Lebensmittel, von deren gesunder Wirkung schon unsere Großeltern wussten?

Dass zum Beispiel Spinat gesund ist, das wussten schon unsere Großmütter, aber nicht warum.

Oft wird aber für exotische Produkte geworben...

Im Zeichen der planetaren Gesundheit (der Mensch ist nur so gesund wie seine Umwelt) sollten wir gerade die einheimischen Früchte und Gemüse essen. Avocado zum Beispiel ist zwar sehr gesund, aber sie wird inzwischen massenhaft angebaut, und das ruiniert in den Anbauländern den Wasserhaushalt. Die Produktion von einem Kilo Tomaten benötigt 180 Liter Wasser, die von einem Kilo Avocado 1000 Liter! Man sollte auch an den CO2-Ausstoß denken: also möglichst wenig Lebensmittel, die weit transportiert werden oder sonst viel Energie verschlingen (z.B. Treibhaus). Bitte saisonal und regional kaufen, auch biologisch (das spart Kunstdünger und Klimagase).

Grünkohl wirkt positiv auf die Stimmung. Hier wird er in Kaarst geerntet.
Grünkohl wirkt positiv auf die Stimmung. Hier wird er in Kaarst geerntet. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Reicht es denn, einzelne Komponenten in die Ernährung aufzunehmen?

Man kann so gut wie alle der genannten positiven Pflanzeninhaltsstoffe auch isoliert und konzentriert kaufen, als Nahrungsergänzungsmittel. Davon halte ich wenig, auch weil ich glaube, dass diese Substanzen in der Natur von vielen anderen Substanzen umgeben sind, die mit über ihre Wirkung entscheiden. Sie wirken im Konzert mit anderen. Sinnvoll ist es deshalb, die genannten Superfoods täglich mitzudenken und sie etwa als Blaubeer-Dessert oder mit einem Schuss Leinöl über dem Hafermüsli einzuplanen. Gewürze nicht vergessen: zum Beispiel Chili, Ingwer, Koriander. Grundsätzlich setzt eine gesunde Ernährung auch bei Superfood voraus, dass sie regelmäßig, das heißt täglich praktiziert wird. Ein gutes Beispiel ist der regelmäßige Verzehr von geschrotetem Leinsamen, der aufgrund seines hohen Anteils an Omega-3-Fettsäuren und dem hohen Ballaststoffanteil ein vorbildliches Superfood darstellt. Er senkt nachweislich den Blutdruck so stark, dass häufig eine Tablette eingespart werden kann, hat entzündungshemmende Effekte, fördert zudem die Verdauung. Für einen nachhaltigen Effekt von Superfoods zählen die Vielfalt und Regelmäßigkeit.

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