Essen. Beten unterm Hakenkreuz? Undenkbar für die evangelische Kirche in Essen: Sie hat ihre Klinik-Kapelle von 1937 umgestaltet. Trotz Denkmalschutz.
Die denkmalgeschützte Kapelle im Huyssensstift in Essen-Huttrop ist neu gestaltet worden, die mit einem Hakenkreuzdekor versehene Decke bleibt eingelagert. Die Evangelischen Kliniken Essen-Mitte (KEM) und die Kirche hatten der Forderung, das zeitgeschichtliche Zeugnis vor Ort zu erhalten, bereits im Jahr 2020 eine Absage erteilt: „Für uns kommt ein Beten unterm Hakenkreuz nicht infrage“, erklärte Superintendentin Marion Greve damals.
Ursprünglich hatten die KEM ihre Krankenhauskapelle schon viel früher umgestalten wollen: Doch als sie Ende 2018 ihre Pläne präsentierten, den Sakralraum vollständig in Weiß zu gestalten, löste das heftige Kritik aus. Ihre Absicht, das NS-belastete Deckendekor im Zuge der Sanierung verschwinden zu lassen, stieß etwa beim Arbeitskreis Essen 2030 auf Empörung: Es handle sich um ein „architektonisches und künstlerisches Gesamtkunstwerk“, das nicht zerstört werden dürfe, mahnte Johannes von Geymüller vom Arbeitskreis.
Klinik und Kirche wussten Essens Kulturdezernenten Muchtar Al Ghusain an ihrer Seite, der erklärte, die Decke und andere fragwürdige Gestaltungselemente der 1937 eingeweihten Kapelle sollten entfernt werden: „Ich halte die Kapelle in ihrer Qualität für nicht so bedeutend und von ihrer Gesinnung her für unzumutbar.“
Denkmalschützer nennen die Essener Kapelle ein einzigartiges Monument
Das LVR-Amt für Denkmalpflege kam in einem Gutachten zu einem anderen Urteil: Es handele sich um „eine bundesweit äußerst selten überlieferte Kircheneinrichtung aus der Zeit des Nationalsozialismus’“, die erhalten bleiben müsse. Mehr noch: Im Bildprogramm spiegele sich nicht nur nationalsozialistisches Gedankengut. Vielmehr zeige sich punktuell auch der „Einfluss der Bekennenden Kirche“, die dem Hitler-Staat bekanntlich kritisch gegenüberstand. Man habe hier demnach ein „einzigartiges Monument des Kirchenstreites in Essen“. Eine weitere Nutzung als Kapelle bedürfe freilich einer klugen Vermittlungsarbeit.
Man habe alle Nazi-Symbole entfernt
Darauf wollten sich die KEM nicht einlassen: Aus „Brandschutzgründen“ und in Abstimmung mit den Denkmalschützern hatte die Klinik die Deckenpaneele im Mai 2019 abgenommen. Nun erstrahlt die Decke in der Krankenhaus-Kapelle in Weiß, unterstrichen vom neuen Lichtsystem. „Jetzt ist es eine Kapelle frei von Nazi-Symbolen, die unsere Patienten wieder als Andachtsraum nutzen können“, sagt der Ärztliche Direktor der KEM, Andreas Du Bois.
Decke mit Hakenkreuz-Dekor könnte im Museum gezeigt werden
Auch die Kirchenbänke habe man eingelagert und durch Stühle ersetzt, weil die eine flexiblere Nutzung des Raumes ermöglichten, ergänzt KEM-Geschäftsführer Hans-Dieter Weigardt. „Wir haben alle Veränderungen mit Wissen und Würdigung des Denkmalschutzes vorgenommen.“ Grundelemente wie die Buntglasfenster habe man erhalten. Die Sandsteinmauern seien anders als ursprünglich geplant nicht weiß gestrichen, sondern sandgestrahlt worden. „Ein klinisch weißes Ambiente hätte die Funktion einer Kapelle nicht erfüllt.“
Der Raum werde seit einiger Zeit wieder von den Patienten genutzt, eine größere Einweihung habe es coronabedingt bisher nicht gegeben. Sie solle in den kommenden Monaten nachgeholt werden. Die Deckenelemente seien sachgerecht eingelagert. Über ihre mögliche weitere Verwendung, beispielsweise mit historischer Einordnung in einem Museum, führe man Gespräche mit den zuständigen Stellen.
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