Essen. „Sofortigen Schutz für die Kapelle“ im Essener Huyssensstift fordern Denkmalschützer. Der Raum mit Hakenkreuz-Dekor sei ein bedeutendes Zeugnis.
Ein Jahr ist es her, dass die mit auffälligem Hakenkreuz-Symbolen dekorierte Kapelle des Huyssensstift in Essen-Huttrop Schlagzeilen machte, und noch immer ist die Zukunft des Sakralraums offen. Klinikleitung und evangelische Kirche halten an der geplanten Umgestaltung fest, das LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland in Brauweiler prüft dagegen noch, ob es sich bei der Kapelle um ein schützenswertes Denkmal handelt. Die Leiterin der Behörde hatte allerdings bereits im Februar erklärt, „unser Haus sieht da zumindest einen gewissen Denkmalverdacht“.
Und dieser Verdacht scheint sich in der Zwischenzeit erhärtet zu haben, wie Dr. Sven Kuhrau vom LVR-Amt für Denkmalpflege erklärt, der ein Gutachten zu der Kapelle erstellt. Demnach hatte das Denkmalamt sich schon früh in die Diskussion um die Kapelle eingeschaltet und „die vorläufige Eintragung als Denkmal“ empfohlen, „damit zwischenzeitlich keine Fakten geschaffen würden, die den Denkmalwert der Kapelle schmälern“. Dieser Empfehlung sei die kommunale Untere Denkmalbehörde in Essen indes nicht gefolgt.
Daraufhin sei der Unteren Denkmalbehörde sowie der Klinik am 25. Juni 2019 ein „erstes, bereits recht ausführliches Gutachten zum Denkmalwert der Kapelle“ zugegangen. Zurzeit werde das Gutachten noch überarbeitet, auch weil die Klinik noch weitere Archivalien zur Entstehungsgeschichte der Kapelle zur Verfügung gestellt habe. Kuhrau betont aber: „An der Feststellung des Denkmalwertes wird diese Präzisierung nichts ändern.“
Bestärkt sehe man sich durch ein Votum der Arbeitsgruppe Inventarisation der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der Bundesrepublik Deutschland (VDL). Da heißt es etwa: „Mit der Kapelle im Krankenhaus der Essener Huyssens-Stiftung, eröffnet 1937, hat sich eine in dieser Vollständigkeit und hohen künstlerischen Qualität bundesweit äußerst selten überlieferte Kircheneinrichtung aus der Zeit des Nationalsozialismus erhalten.“ Daher appelliere man an alle Entscheidungsträger, „sich für den sofortigen Schutz der Kapelle zur weiteren Erforschung und Vermittlung einzusetzen“.
Experten räumen ein: Diese Kapelle ist ein unbequemes Denkmal
Die Experten räumen ein, dass die Kapelle ein unbequemes Denkmal sei, und zwar nicht nur, weil die mit Hakenkreuzen verzierte Decke von Patienten, und Klinikmitarbeitern als Provokation empfunden werden könne. „Sondern vielmehr auch, weil es Fragen aufwirft nach den kulturellen Kontinuitäten in Architektur und Kunst der konservativen Moderne in der Zeit des NS-Regimes.“ Solche Kontinuitätslinien gelte es – auch zum Verständnis der NS-Zeit – zu untersuchen und zu erklären. „Die Kapelle ist in ihrer Komplexität und Widersprüchlichkeit ein hoch bedeutendes Zeugnis der Sakralbaukunst in den Zeiten der NS-Diktatur.“
Wie Kuhrau betont, gehe es bei der Eintragung eines Denkmals genau um solche „historisch objektivierbaren Kriterien“ und nicht etwa um ein besonders hohes Alter oder die große Schönheit. „Das Objekt muss in besonderem Maße geeignet sein, geschichtliche Entwicklungen aufzuzeigen und zu erforschen.“ Wenn das LVR-Amt für Denkmalpflege das bejaht und so den Denkmalwert begründet, falle es der kommunalen Unteren Denkmalbehörde (UDB) die Aufgabe zu, „das Objekt rechtskräftig in die Denkmalliste der Kommune einzutragen, es sei denn, die Untere Denkmalbehörde legt ihrerseits fachliche Gründe vor, die den Denkmalwert widerlegen“.
Auch dem Eigentümer des Denkmals werde die Gelegenheit gegeben, den Denkmalwert zu hinterfragen. Seien die Erwiderungen nicht stichhaltig, schreite die Untere Denkmalbehörde mit der Eintragung fort: „Wird der Denkmalwert festgestellt, hat die UDB keinen Ermessensspielraum, sondern muss das Denkmal in die Liste eintragen“, betont Kuhrau. Allerdings bleibe dem Eigentümer noch, gegen die Eintragung zu klagen.
Klinik ließ die Decke mit dem Hakenkreuz-Dekor einlagern - aus Brandschutzgründen
Sobald ein Objekt rechtskräftig in die Denkmalliste eingetragen sei, beginne die zweite Stufe des Verfahrens: Nun schaue man sich an, ob und wie das Denkmal erhalten und genutzt werden könne. „Jetzt erst kommt es zur Prüfung der finanziellen Zumutbarkeit der Erhaltung eines Denkmals und zur Beurteilung von Umnutzungsperspektiven“. Dabei stünden kommunales Denkmalamt und LVR-Amt dem Eigentümer beratend zur Seite.
Die Kapelle im Huyssensstift ist dagegen bekanntlich noch nicht als Denkmal eingetragen. Mehr noch: Die Decke mit dem Hakenkreuz-Dekor wurde im Mai bereits abgenommen und eingelagert: aus Brandschutzgründen und in Abstimmung mit den Denkmalbehörden. Allerdings haben Klinikleitung und Evangelische Kirche wiederholt betont, dass sie die Krankenhauskapelle als Denkmal für ungeeignet halten. Und sie haben für ihre Haltung prominente Fürsprecher wie Essens Kulturdezernenten Muchtar Al Ghusain.
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Die lange Hängepartie und die Abnahme der Decke sorgen nun für Nervosität bei jenen, die sich den Erhalt der Kapelle in ihrem ursprünglichen Zustand wünschen, wie etwa Johannes von Geymüller vom Arbeitskreis Essen 2030. Regelmäßig erkundigt er sich bei den Behörden nach dem Stand der Unterschutzstellung. Sven Kuhrau vom LVR-Amt für Denkmalpflege kann letzte Sorgen um die Kapelle nicht ausräumen: Da sie derzeit nicht als Baudenkmal eingetragen sei, „ist sie daher aktuell förmlich nicht geschützt“. Auch die Abnahme der Decke habe man daher nicht konservatorisch begleiten können. Anders gesagt: Das hat die Klinikleitung in Eigenregie gemacht.
Denkmalschützer wurden schon 1992 auf die Kapelle aufmerksam
Schon kurz nachdem das Denkmalschutzgesetz in Nordrhein-Westfalen (DSchG NRW) rechtskräftig geworden war, erfolgte 1983 eine erste positive Stellungnahme zum Denkmalwert des Evangelischen Huyssenstifts an der Henricistraße in Essen-Huttrop. Diese wurde im Zusammenhang von anstehenden Bauarbeiten 1987 bestätigt und bezog sich wieder auf das gesamte Krankenhaus. „Bei einer erneuten Sichtung des Gebäudes im Jahr 1992 wurde durch das LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland trotz der in der Zwischenzeit erfolgten baulichen Veränderungen festgestellt, dass der zunächst befürchtete Verlust der Denkmalwürdigkeit des gesamten Krankenhauses nicht eingetreten war.“ Im Zuge dieser Sichtung sei nun erstmals auch die Kapelle mit ihrer Inneneinrichtung gewürdigt worden.
Heute betrachte das LVR-Amt für Denkmalpflege das Krankenhaus als solches nicht mehr als Denkmalwert: Es habe bauliche Veränderungen im Inneren gegeben sowie neuere Anbauten, „die die städtebauliche Wirkung empfindlich beeinträchtigen“. Dagegen sei der Innenraum der Kapelle „nahezu unverändert erhalten“. Angesichts der Neuplanungen zur Kapelle habe man daher schon Ende Januar 2019 die begründete Annahme geäußert, „dass es sich bei dem Kapellenraum um ein auch im überregionalen Kontext selten vollständig erhaltenes Sakralinterieur aus der NS-Zeit handelte“.
Die Arbeitsgemeinschaft Inventarisation der Vereinigung der Denkmalpfleger in der Bundesrepublik Deutschland (VDL) hält übrigens wenig von der Auffassung, bei der Kapelle handele es sich um ein „Relikt der Deutschen Christen“, also jener Protestanten, die das NS-Regime erklärtermaßen stützten. Dies sei insofern zu hinterfragen, als dokumentiert sei, dass die Essener Altstadtgemeinde an der Konzeption der Kapelle mitgewirkt habe. In der Altstadtgemeinde sei aber die oppositionelle „Bekennende Kirche“ stark repräsentiert gewesen.
Kliniksprecherin Sabine Loh versichert jedoch auf Anfrage, dass man kein Interesse habe, Fakten zu schaffen. Anders gesagt: Die gewünschte Umgestaltung wurde noch nicht in Angriff genommen, der Zustand der Kapelle sei unverändert. Es solle aber Ende November / Anfang Dezember eine neue Expertenrunde geben. „Danach wird sicher schnell entschieden, wie es weitergeht.“