Essen. Mit zwei großen Kunstausstellungen und viel Programm feiert das Essener Museum Folkwang den 100. Geburtstag. Spektakulär sind Leihgaben aus Japan

Für Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen ist das Museum Folkwang „bis heute das kulturelle Herz von Essen“. Ulrich Blank, Vorsitzender des Folkwang-Museumsvereins, sieht „Folkwang als eine ungeheuer starke, verbindende Marke“. Und für die vielen Millionen Menschen, die das Haus in den vergangenen Jahrzehnten besucht haben, ist Folkwang nicht nur eines der bedeutendsten Kunstmuseen Deutschlands mit internationalem Renommee. Es ist auch ein Haus der Vielfalt, das neben der exquisiten Kunstsammlung auch eine der größten Plakat-Sammlungen in Europa, eine erlesene Grafische Abteilung und eine vorzüglich aus- und aufgebaute Fotografische Sammlung unter einem Dach versammelt. All das soll 2022 gewürdigt werden, wenn das Museum Folkwang seinen 100. Geburtstag feiert.

„Folkwang und die Stadt“: ein Kunstprojekt rund um den Berliner Platz

Geplant ist ein vielfältiges Ausstellungsprogramm, das das Publikum auch jenseits der Museums-Mauern erreichen will. „Folkwang und die Stadt“ heißt ein Kunstprojekt rund um den Berliner Platz, das vom 21. Mai bis zum 7. August Themen wie Integration, Nachhaltigkeit, kulturelle Vielfalt und Stadtentwicklung durch ortsspezifische Arbeiten diskutieren will. Beteiligt sind internationale und heimische Künstler wie Anne Berlit, Phil Collins, Neil Beloufa oder Simon Starling.

Im Mittelpunkt des Jubiläumsjahres aber stehen zwei spektakuläre Ausstellungsprojekte zum Impressionismus und Expressionismus, die die Meisterwerke der bedeutenden Karl Ernst Osthaus-Sammlung in den Dialog mit kostbaren Leihgaben aus aller Welt setzen und an die Tradition der großen Publikumsschauen in den 1990er und 2000-Jahren anknüpfen.

„Renoir, Monet, Gauguin – Bilder einer fließenden Welt“ (6. Februar bis 15. Mai 2022) ist dabei nicht nur eine Verneigung vor dem Kunstliebhaber und Museumsgründer Karl Ernst Osthaus, dessen grandiose Sammlung nach seinem frühen Tod 1922 von Hagen nach Essen kam. Dass der Ankauf dieser damals noch wenig arrivierten, aufsehenerregenden Werke durch die Finanzierung kunstliebender Essener Bürger möglich wurde und das Museum seither zur Hälfte der Stadt und zur Hälfte dem Museumsverein gehört, gibt dem Folkwang bis heute eine Sonderstellung in der Museumslandschaft.

Glanzstück der großen Impressionisten-Schau 2022: Paul Signacs „Der Hafen von Saint-Tropez“ kommt aus Tokio nach Essen.
Glanzstück der großen Impressionisten-Schau 2022: Paul Signacs „Der Hafen von Saint-Tropez“ kommt aus Tokio nach Essen. © Museum Folkwang | Museum Folkwang

100 Jahre nach der Gründung des Museum Folkwang trifft die Osthaus-Sammlung 2022 auf eine weitere, ähnlich bedeutende und fast zeitgleich zusammengetragene Kollektion aus Fernost. Kojiro Matsukata war so vermögend und kunstvernarrt wie sein Hagener Pendant, beide waren Anfang des 20. Jahrhunderts in den Pariser Künstlerateliers unterwegs, dürften sich allerdings nie begegnet sein, vermutet Folkwang-Chef Peter Gorschlüter. Im Jubiläumsjahr finden diese großartigen Sammlungen aus dem Essener Folkwang und dem japanischen National Museum of Western Art in Tokio nun zusammen, bilden neue Einheiten und Nachbarschaften, wenn Essens „Lise mit dem Sonnenschirm”, dem frühimpressionistischen Geniestreich des jungen Renoir, nun auf Claude Monets berühmte Komposition „Im Boot“ oder Paul Signacs Gemälde „Der Hafen von Saint-Tropez“ trifft.

Etliche Leihgaben aus Tokio sind damit nach Jahrzehnten wieder in Europa zu sehen. Lange wurden sie zurückgehalten, nachdem der französische Staat die Sammlung Matzukatas (Japan war Kriegsgegner) nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst beschlagnahmt und erst in den 1950er Jahren wieder zurückgegeben hatte. Im Gegenzug schickt das Folkwang bedeutende Sammlungsstücke nach Japan, wenn das dortige Museum of Western Art nach längerer Umbaupause wiedereröffnet wird.

Das Essener Museum Folkwang feiert ein großes 24-Stunden-Bürgerfest

Beliebt bei Alt und Jung: Renoirs „Lise mit dem Sonnenschirm“ ist ein Star der kostbaren Folkwang-Sammlung.
Beliebt bei Alt und Jung: Renoirs „Lise mit dem Sonnenschirm“ ist ein Star der kostbaren Folkwang-Sammlung. © WAZ FotoPool | VON BORN, Ulrich

Welche kostbaren Kunstschätze das einst zum „schönsten Museum der Welt“ erklärte Folkwang verloren hat, macht die zweite große Jubiläumsschau deutlich. „Expressionisten am Folkwang. Entdeckt – Verfemt – Gefeiert“ (20. August bis 8. Januar 2023) erzählt nicht nur die wechselvolle Geschichte dieser einst so revolutionären Kunstrichtung, sondern beleuchtet auch die Verflechtungen mit dem Museum Folkwang. Künstler wie Emil Nolde, Ernst Ludwig Kirchner oder Paula Modersohn-Becker wurden dort schon früh gesammelt und präsentiert – ihre Bilder in den 1930er Jahren von den Nationalsozialisten dann aber beschlagnahmt und aus dem Museum entfernt. Die Rückkehr bedeutender Kunstschätze aus aller Welt wird am 19./20. August zunächst mit einem großen 24-Stunden-Bürgerfest begangen.

Frankenthaler im Folkwang

Helen Frankenthaler gilt als Vorreiterin am Übergang vom Abstrakten Expressionismus zum Colour Field Painting. Das farbgewaltige Werk der US-Amerikanerin ist nach vielen Jahren erstmals wieder in Deutschland zu sehen. Das Museum Folkwang zeigt 75 großformatige Arbeiten auf Papier vom 2. 12. 2022 bis zum 5. 3. 2023.

Über die großen Ausstellungsprojekte, die die Folkwang-Geschichte noch einmal rahmen, wolle man aber nicht vergessen, dass das Folkwang schließlich als Museum für zeitgenössische Kunst gegründet wurde, sagt Folkwang-Chef Gorschlüter. Die Videokünstlerin Candice Breitz wird ihre Video-Trilogie deshalb mit einer neuen Arbeit „New Commission“ vollenden (11. 3. bis 29. 5. 2022). Die Fotokuratorin Estelle Blaschke und der Fotograf Armin Linke beschäftigen sich in dem interdisziplinären Forschungsprojekt „Image Capital“ mit dem Wert des Fotografischen und seiner mittlerweile inflationären Nutzung (9. 9. bis 11. 12. 2022). Und die Werbung im öffentlichen Raum ist Thema der Ausstellung „We Want You!“ (8. 4. bis 28. 8. 2022), die sich mit der Plakatwerbung von den Anfängen bis heute beschäftigt.

Im Jubiläumsjahr wolle man auf die große Folkwang-Geschichte verweisen, aber auch die Bedeutung in der Gegenwart hinterfragen, betont der Essener Museumschef. Folkwang, das sei eben nicht nur eine Sammlung, sondern eine – höchst zeitgemäße – Idee, die für Öffnung und kulturelle Teilhabe stehe, sagt OB Thomas Kufen. Auch die digitale Ausrichtung dürfte dabei künftig eine größere Rolle spielen. Die pandemiebedingte Auszeit habe man genutzt, das Museum für die Zukunft noch moderner aufzustellen, lobt Kufen: „Ich habe den Eindruck, Folkwang war nie jünger.“ .