Essen. Der neue Vorsitzende des Folkwang-Museumsvereins, Ulrich Blank, über Besucherzahlen, kostenfreien Eintritt und das Konzept für künftige Großschauen.
Das Beckmann-Triptychon, vor dem sich Ulrich Blank fotografieren lässt, gehört zu den Lieblingswerken des neuen Museumsvereins-Vorsitzenden. Perseus, Sohn des Zeus, kämpft da für die Befreiung der schönen Königstochter Andromeda, während sich seitlich schon die düsteren Schatten des Nationalsozialismus bemerkbar machen. Für Blank ist Beckmann ein „Titan der klassischen Moderne. Er hat mich früh begeistert“.
Die Liebe zur Kunst hat Blank schon während seines Ingenieur-Studiums gepflegt – wie die Liebe zur Musik, auch wenn die Zeit für das Oboen-Spiel in den vergangenen Jahren knapp geworden ist. Im Aachener Kulturausschuss saß er Mitte der 1970er-Jahre gleich neben dem großen Industriellen und mächtigen Sammler Peter Ludwig. Im Essener Museum Folkwang kümmert er sich nun um das Erbe eines anderen großen Kunstsammlers: Karl Ernst Osthaus. Als neuer Vorsitzender des einflussreichen Folkwang-Museumsvereins und Nachfolger vom Achim Middelschulte konnte Blank dabei gleich eine epochale Neuerung begleiten: Den eintrittsfreien Besuch der Sammlung, den die Krupp-Stiftung in den kommenden fünf Jahren für alle Besucher durch eine Millionen-Spende möglich macht.
„Ein großes Geschenk an die Bürger in Essen und im Ruhrgebiet“, freut sich Blank und verbindet damit die leise Hoffnung, dass der Essener Vorstoß in der Museumsszene Nachahmer findet. Verglichen mit den enormen Aufwendungen für ein Museum sei eine Million noch vergleichsweise wenig Geld, werde aber eine erhebliche Wirksamkeit entfalten, da ist der 67-Jährige zuversichtlich. „Wir werden das sorgfältig beobachten und Statistiken führen.“
Blockbuster-Ausstellungen lockten 3,5 Millionen Besucher
Es wäre nicht das erste Mal, dass vom Essener Museum Folkwang aus ein Impuls in die Ausstellungs-Republik gehen würde. Mit der Etablierung der so genannten Blockbuster-Ausstellungen hat das Folkwang in den 1980ern schließlich schon einmal eine Vorreiter-Rolle übernommen, bevor die von Sponsor Ruhrgas ermöglichten Mega-Ereignisse wie „Van Gogh“ oder „Morosow bis Schtschukin“ bundesweit Nachahmer fanden.
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Insgesamt 3,5 Millionen Besucher, so Blanks Bilanz, haben diese Groß-Schauen in den vergangenen 30 Jahren nach Essen gelockt. Auf dieselbe Zahl, 3,5 Millionen Gäste, seien in dieser Zeit noch einmal alle anderen Ausstellungs-Ereignisse zusammen gekommen. Das zeige „den enormen Strom und die Attraktivität der großen Ausstellung“, sagt Blank. Auch Museums-Chef Tobia Bezzola ist derzeit intensiv damit befasst, ein Fortsetzungsmodell zu entwickeln. „Es wird vielleicht etwas anders aussehen, womöglich nicht nur mit einem, sondern mehreren Partnern, die sich das Risiko teilen“, skizziert der Essener den Verhandlungsstand.
Die Mischung muss stimmen, das ist für Blank wichtig: „Wir wollen unsere Spitzenposition unter den deutschen Museen wahren.“ Dazu gehörten aber auch spannende Mittelformate wie die Lagerfeld-Schau. Den 2010 begründeten „Internationalen Folkwang-Preis“ für die Förderung und Vermittlung von Kunst zählt Blank ebenfalls zu den probaten Mitteln, Folkwang in der ersten Liga präsent zu halten. „Das sind wir den Bürgern der Stadt schuldig angesichts der enormen Anstrengungen.“
Wie sein Amtsvorgänger Middelschulte betont auch Blank das positive und gewachsene Verhältnis zur Stadt. Der mustergültige Zusammenhalt von Stadt und Museumsverein wird bis heute über den legendären Folkwang-Vertrag von 1922 geregelt. Ein „Stück Lebensversicherung für das Haus und seinen Bestand“, sagt Blank, an dem nicht gerüttelt werden soll.
Mehr finanzielle Freiheit fürs Museum
2022 wird der Museumsverein seinen 100. Geburtstag feiern. Eine der traditionsreichsten Institutionen im Kulturleben, trotzdem wird über Veränderungen nachgedacht. Beispielsweise bewegt Blank die Frage, wie man den Verein in Zukunft für mehr neue, junge Mitglieder öffnen und ein wenig von seiner elitären Anmutung befreien kann, und doch der besonderen Bedeutung des Vereins als Miteigentümer gerecht wird. „Diese Balance müssen wir schaffen“, sagt Blank, der die Zahl von derzeit 400 Mitgliedern deutlich steigern möchte.
Gleichzeitig wünscht sich der Finanzfachmann auch einige administrative Lockerungen. Das Museum müsse in Zukunft mehr eigenwirtschaftlich arbeiten und einen Teil der Erlöse auch in neue Ausstellungen stecken können, statt nach den Regeln eines städtischen Amtes geführt zu werden. „Das erwarten auch die Sponsoren“, sagt Blank.
Institutionen wie Aalto-Theater, Folkwang-Museum oder die Welterbe-Zeche Zollverein seien eben die weithin sichtbaren Aushängeschilder einer Stadt. „Wir müssen Kultur, die über die Stadtgrenzen hinaus strahlt, doch pflegen.“