Essen. Das Essener Museum Folkwang hat in einem ehemaligen Arbeiterquartier eine Künstler-Residenz eröffnet. Die ersten Bewohner sind eingezogen.

Das nördlich der Essener Innenstadt gelegene Eltingviertel ist um eine interessante Adresse reicher: Das Museum Folkwang und der Neue Essener Kunstverein haben an der Gertrudisstraße in Kooperation mit dem Wohnungsunternehmen Vonovia eine Künstlerresidenz eröffnet. Die ersten Bewohner sind schon da. Olu Ogunnaike aus London und Min Yoon aus Wien haben das neue Wohn- und Atelierhaus bezogen.

Olu Ogunnaike ist Brite, 35 Jahre alt, lebt in London und kommt gerade aus Bordeaux, wo er seiner Performances und Zeichnungen ausgestellt hat. Sein gleichaltriger Mitbewohner Min Yoon stammt aus Süd-Korea und hat in Wien Kunst studiert. Als vielversprechende Künstler wurden sie unter zwölf Kandidaten für das neue Programm „Neue Folkwang Residence“ ausgewählt.

Jedes Jahr werden zwei Stipendien an Künstler für einen Aufenthalt in Essen vergeben

Einmal im Jahr vergeben das Museum Folkwang und der Neue Essener Kunstverein zwei Stipendien an Künstlerinnen und Künstler für einen fünfmonatigen Arbeitsaufenthalt in Essen. Eine zehnköpfige Kommission, international besetzt mit Museumsleitern, Künstlern und Kuratoren, schlägt dafür junge und aufstrebende Kandidaten vor.

Finanziert werden die Stipendien vom Folkwang Museumsverein und von der Stiftung Olbricht. Die Stipendiaten bekommen 1400 Euro pro Monat und ein Ticket für den VRR, sollen sie doch Stadt und Region kennen lernen. Das Museum Folkwang knüpft damit an die langjährige Tradition seines ehemaligen Gästehauses in Werden an. 1971 bezogen, beherbergte es über Jahrzehnte Künstler und Wissenschaftler aus aller Welt, die im Ruhrgebiet ausstellten und forschten.

Früher beherbergte das Museum Folkwang seine Gäste im beschaulichen Essener Süden

Statt im beschaulichen Essener Süden arbeiten die Gäste nun im Eltingviertel. Das nördlich der ehemaligen Rheinischen Bahn gelegene Quartier geht auf Hermann Elting zurück. Der Unternehmer ließ es Ende 19. Jahrhunderts in der Nähe der Zeche Victoria Mathias errichten. In dem Arbeiterviertel ließen sich Handwerksbetriebe nieder. Nach dem Zweiten Weltkrieg, den zahlreiche Gebäude weitgehend unbeschadet überstanden, geriet das Viertel in der öffentlichen Wahrnehmung nahezu in Vergessenheit.

Nein, das ist kein Stadtpalais. Die Künstler-Residenz in der Essener Gertrudisstraße grenzt an eine ehemalige Bäckerei.
Nein, das ist kein Stadtpalais. Die Künstler-Residenz in der Essener Gertrudisstraße grenzt an eine ehemalige Bäckerei. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Seit einigen Jahren bemüht sich das Wohnungsunternehmen Vonovia, dem etwa ein Drittel des Wohnungsbestandes gehört, das Eltingviertel zu beleben – auch durch Kunst. Inzwischen ist ein künstlerisches Umfeld entstanden von dem auch die Stipendiaten profitieren sollen, so Peter Gorschlüter, Direktor des Museums Folkwang. Läge das Eltingviertel nicht in Essen, sondern in Berlin, wäre es vermutlich längst eine hippe Adresse. Eine, die für freischaffende Künstler kaum noch erschwinglich ist.

Ein Quartier wird umgebaut

Seit 2015 gestaltet Vonovia das Eltingviertel um. Das Ziel ist ein nachhaltiges Quartier mit zeitgemäßer Energieversorgung, mit bedarfsgerechten Wohnkonzepten und Infrastruktur. Aktuell befindet sich das Projekt am Ende des zweiten Bauabschnitts. Im Bereich Bernehof / Eltinghof modernisiert Vonovia 20 Gebäude mit 140 Wohnungen. Sechs Bestandsgebäude wurden abgerissen, als Ausgleich 65 neue Wohnungen gebaut. Der dritte und letzte Bauabschnitt soll bis Mitte 2023 abgeschlossen sein.

In der Gertrudisstraße wohnen die Stipendiaten mietfrei, fünf Jahre lang überlässt Vonovia das 1883 errichtete Haus dem Projekt als Künstler-Residenz. Die Fassade geht fast nahtlos über in ein verspielt wirkendes Turmgebäude. Ein Blickfang. Das Haus sieht ein wenig aus wie ein italienisches Stadtpalais, war aber mal eine Bäckerei. 2004 hat Vonovia es von RWE übernommen. Leider sind einige Fenster zugemauert, auch die Oberlichter sind irgendwann verschwunden. Auch in Sachen Baukultur gibt es im Eltingviertel bei allem Potenzial noch genug zu tun.

Eine Tür weiter richten sich Olu Ogunnaike und Min Yoon noch ein. Vonovia hat das Haus saniert, im Erdgeschoss befinden sich Gemeinschaftsräume, in der ersten Etage die Ateliers. Essen ist den beiden Künstlern noch unbekannt. Beide sind offen und neugierig auf das, was sie erwartet. Ob man es in ihren Werken wiederfindet? Ende November, Anfang Dezember werden sie ihre Arbeiten ausstellen. An der Wand hängt ein Siebdruck von Olu Ogunnaike. Kohle auf Stahl. Passt!