Wuppertal. . „Zwischen Worpswede und Paris“: Das von der Heydt-Museum Wuppertal zeigt die Malerin als Zerrissene zwischen den großen Künstlern ihrer Zeit
Paula Becker war eine Frau, die ihr Leben nicht eben selten zwischen den Stühlen zu verbringen pflegte, Sie war nicht glücklich in der Ehe mit ihrem ungleich älteren Förderer Otto Modersohn, verließ ihn 1906 – und wünschte sich dann doch ein Kind von ihm. Nach dessen Geburt starb sie im November 1907, gerade mal 31 Jahre alt, an einer Embolie. Der Satz, den sie mal in einem Brief an Rilke schrieb, sollte Zeit ihres kurzen Lebens Gültigkeit behalten: „Ich bin Ich, und hoffe, es immer mehr zu werden.“ Und das ohne Rast.
Mit Modersohn lebte sie immer wieder in der Künstlerkolonie Worpswede bei Bremen-- aber sobald sie dort war, scheint sie sich bald wieder nach Paris gesehnt zu haben, der Kunstmetropole der Zeit, in die sie erstmals in der Silvesternacht des Jahres 1899 aufgebrochen war. Mal fuhr sie mit Modersohn, mal ohne ihn, aber immer sog sie an der Seine künstlerische Einflüsse auf. Ihr Freund Rainer Maria Rilke verschaffte ihr Zugang zum Atelier von Auguste Rodin, dessen Sekretär er eine Weile war, im Louvre studierte Paula Modersohn-Becker altägyptische Mumienporträts und antike Kunst, sah die angesagten „Nabis“ und die von ihnen so verehrten japanischen Farbholzschnitte.
Das Pendeln als Lebensrhythmus, das Hin und Her zwischen Einflüssen auf diese Malerin zeichnet nun eine Ausstellung im Wuppertaler von der Heydt-Museum nach. Paula Modersohn-Becker hatte zu Lebzeiten nur zwei Bilder verkauft, darunter eines an Rilke, der ihr damit die Trennung von Modersohn finanzieren wollte. Der Bankier August von der Heydt war einer der ersten, die Bilder von Paula kauften, auf Empfehlung von Rilke, der „Modersohns Frau“ attestierte, sie würde „rücksichtslos und geradeaus“ malen. So hütet das Wuppertaler Museum mit über 20 Bildern den größten Paula-Modersohn-Becker-Schatz jenseits des Museums in Bremen, das ihren Namen trägt. Die aktuelle Ausstellung setzt die Malerin in ihren frühen (Berliner) Jahren in Beziehung zu Malern wie Munch, dessen Bilder sie auch 1898 auf einer Norwegen-Reise gesehen haben wird.
In Worpswede eignet sie sich jenen erdigen, reduzierten Malstil an, den die Künstler dort nicht zuletzt pflegten, um der langweiligen Studiomalerei zu entkommen, die sie an der Düsseldorfer Akademie gelernt hatten.
Auf Paula Modersohn-Beckers Worpsweder Landschaften stellt sie mitunter eine Birke eigenwillig schräg in den Landschafts-Blick, malt Kinder und Bauersfrauen in aller Schlichtheit, ungeschönt. Sie setzt sich auf der Leinwand klar von Hans am Ende, Fritz Mackensen und ihrem Mann ab, auch wenn Einflüsse zu erkennen sind.
Ähnlich schlüssig setzt die Ausstellung, die das von der Heydt gemeinsam mit dem niederländischen Rijksmuseum Twenthe in Enschede erarbeitet hat, die Pariser Einflüsse ins Bild: mit großartigen Stillleben und Landschaften eines Cézanne, mit drei frühen van Goghs, mit Skulpturen von Aristide Maillol und Bernhard Hoetger, der sie förderte, mit Gauguin, der ebenso seine Spuren hinterließ wie Rousseau der Zöllner, der Ahnvater der Naiven. Im letzten Raum der Schau verdichtet sich all dies, und die Akte, die Bilder von Frauen mit und ohne Kinder zeigen Paula Modersohn-Becker als jene Vorläuferin des Expressionismus, die durch ihren frühen Tod unvollendet blieb. In Wuppertal kann man nicht nur erahnen, dass damit ein bedeutendes Kapitel der Kunstgeschichte ungeschrieben blieb – man sehnt sich regelrecht danach, dass man es hätte kennenlernen dürfen.