Essen. Steffen Schreyer ist neuer Domkapellmeister in Essen. Als Leiter von Mädchenchor und Domchor will er in den Gottesdiensten neue Akzente setzen.

Mit dem Singen unter der Dusche hat bekanntlich schon so manche Karriere begonnen. Für Steffen Schreyer hat alles vor dem heimischen Badezimmerspiegel angefangen. Da stand der Sechsjährige mit ausgebreiteten Armen und hat die Musik in Bewegungen gefasst. „Die Chorleitung wurde mir in die Wiege gelegt“, sagt Schreyer. Längst ist der 53-Jährige nicht nur ein gefragter Dirigent von Profi-Ensembles wie den „Europäischen Vokalsolisten“.

Vor allem als Chorleiter in der Kinder- und Jugendmusik hat sich der gebürtige Bayer profiliert und seine Ensembles bei Chorwettbewerben immer wieder zu hohen Ehrungen geführt. Anfang des Jahres hat Schreyer nun die Leitung von Domchor und Mädchenchor im Essener Dom übernommen. Gemeinsam mit den Domsingknaben werden die beiden Chöre auch die Messen an den Osterfeiertagen gestalten. Infos und Anmeldung: www.dom-essen.de

Mädchenchor und Domsingknaben sind die musikalischen Aushängeschilder

Freut sich über das neue Amt: Domkapellmeister Steffen Schreyer.
Freut sich über das neue Amt: Domkapellmeister Steffen Schreyer. © Bistum Essen | Benjamin Arntzen

Schreyer tritt damit die Nachfolge von Raimund Wippermann an, der den Mädchenchor am Essener Dom 1992 ins Leben gerufen hat. Der Chor, der auf europäischem Qualitäts-Niveau agiere, war für den Musiker einer von mehreren Anreizen, sein Amt als Direktor des Konstanzer Münsterchores nach zwölf Jahren gegen die Stelle des Domkapellmeisters im Bistum Essen einzutauschen.

Seit Januar dieses Jahres hat er die Möglichkeit, zumindest mit kleinen Gruppen zu proben und Gottesdienste im kleinen Rahmen zu gestalten. Rund 60 Mädchen gehören derzeit zum Chor und Schreyer möchte das renommierte Ensemble noch für weitere junge Stimmen öffnen.

Auch die Weiterentwicklung des Essener Domchores hat sich der studierte Kirchenmusiker und Organist zur Aufgabe gemacht. Während Domsingknaben und Mädchenchor zu den Aushängeschildern der Essener Dommusik gehören, hat der 1961 ins Leben gerufene Erwachsenenchor zuletzt unter einem geringen Zulauf stimmbegabter Mitglieder gelitten. Von einst 100 Sängern in den 1980er Jahren ist derzeit nur eine Gruppe von 20 Sängern übrig geblieben. Schreyer möchte das ändern und wieder mehr Sänger für den Domchor begeistern. Wer ein wenig stimmliche Ausbildung und Notenkenntnis mitbringe, sei jederzeit willkommen.

Mit der „Capella Cathedralis“ kommt ein neues Profi-Ensemble dazu

Erfahrener Chorleiter

Der neue Domkapellmeister hat Kirchenmusik und Konzertfach Orgel in Regensburg und München studiert. Nach Stationen in Stockholm und Aachen wirkte er in den vergangenen elf Jahren als Chordirektor am Konstanzer Münster.

Erfahrener Dirigent: Als Dommusiker und Chorleiter hat sich Steffen Schreyer einen Namen gemacht. Neben der Zusammenarbeit mit Erwachsenenchören wie den Europäischen Vokalsolisten und dem preisgekrönten Vokalensemble VoiceMix liegt sein Schwerpunkt vor allem auf der Kinder- und Jugendarbeit. Seine Konstanzer Ensemble waren bei zahlreichen Chorwettbewerben erfolgreich.

Leidenschaftlicher Pädagoge: Als Professor für Chordirigieren an der Aachener Kirchenmusikhochschule Gregoriushaus sowie an der Robert-Schumann-Hochschule Düsseldorf hat Schreyer bereits eine Reihe namhafter deutscher Kirchenmusiker geprägt. Dazuhin leitet er seit zehn Jahren eine Chorleitungsklasse an der Freiburger Musikhochschule.

Dazu wird Schreyer ein neues, achtköpfiges Profi-Ensemble am Dom etablieren. Die „Capella Cathedralis“ soll neben den ambitionierten Konzertreihen von Domorganist Sebastian Küchler-Blessing künftig für weitere konzertante Glanzlichter sorgen. „In einer Kathedrale sollte die Musik wie ein Schaufenster sein“, sagt Schreyer. Und dieses Schaufenster soll spätestens nach Corona wieder das reiche musikalische Angebot präsentieren.

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Kirchenmusik sei für ihn „immer Dienst am Menschen“, erklärt Schreyer, der sich selber einen „leidenschaftlichen Chordirigenten“ nennt. Das Fach Chordirigieren hat er in den 1990er Jahren mit einem Meisterklassenstudium in Stockholm vertieft. An der schwedischen Domkirche St. Erich startete dann auch seine hauptberufliche Karriere als Dommusiker. In der katholischen Diaspora, aber im „Chorland Nummer eins“, habe er als damals auch die schon zu Schulzeiten vorbildliche Förderung junger Stimmen kennengelernt. Eine Erfahrung, die er mitgenommen hat. Mit Hunderten von Kindern und Jugendlichen habe er in den vergangenen 20 Jahren schon zusammengearbeitet und immer wieder die Bereitschaft und Begeisterungsfähigkeit der jungen Sänger erlebt. „Auch wenn Kinder anfangs brummen, lernen sie wahnsinnig schnell.“

„Auch wenn Kinder anfangs brummen, lernen sie wahnsinnig schnell“

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Die Entwicklung, mit der schon nach kurzer Zeit auf hohem Niveau anspruchsvolle Partituren gemeistert würden, fasziniert Schreyer stets aufs Neue. Ein Prozess, der in Essen noch weiter beflügelt werden dürfte, wenn das Haus der Kirchenmusik nach dem Umbau mit neuen großzügigen Räumen und zahlreichen Angeboten von Stimmbildung bis Instrumentalunterricht im Spätsommer wieder eröffnen soll. Für die Jugendchöre am Dom dürfte das einen weiteren Aufschwung bringen.

Ungewöhnlicher Auftrittsort: Im August vergangenen Jahres gab der Mädchenchor am Essener Dom ein kleines Konzert im Haus der Kirchenmusik, das gerade umgebaut wird.
Ungewöhnlicher Auftrittsort: Im August vergangenen Jahres gab der Mädchenchor am Essener Dom ein kleines Konzert im Haus der Kirchenmusik, das gerade umgebaut wird. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Vielleicht erinnert sich Schreyer dabei auch an eigene Jugenderfahrungen. Wie er schon als Kind beim Erleben von Bachs h-Moll Messe beim zweiten Hören den Einsatz der Trompeten kannte. Und zunächst auf Wunsch der Eltern doch eine Lehre als Steuerfachgehilfe antrat, obwohl der Gesangsunterricht schon damals viel erfüllender war. So kam er neben dem Orgelspielen bald auch „mit Leib und Seele zum Dirigieren“.

„Das gemeinsame Singen ist ein erhebendes Moment im Gottesdienst“

Schreyer hat nicht nur Kirchen-Ensembles geleitet, sondern auch weltliche Ensembles wie den Slowenischen Kammerchor. Seine Musikbibliothek umfasse inzwischen mehr als 7000 Chorwerke, auch die Aufführung zeitgenössischer Musik ist ihm ein Anliegen. „Ich bin kein Freund von Mainstream“, sagt der neue Domkapellmeister, der auch Klassiker der Kirchenmusik gerne mal in neuem Arrangement präsentiert. Gleichwohl müsse der Gottesdienstbesucher miteinstimmen können. „Ich möchte, dass die Gemeinde zufrieden nach Hause geht“, betont der 53-Jährige. Gerade das gemeinsame Singen sei ein wichtiges und immer wieder „erhebendes Moment“ eines Gottesdienstes. Spätestens nach Corona will er diesen Augenblick wieder für alle spürbar machen.