Essen. OB-Kandidat, CDU-Fraktionschef in Essen und neuerdings auch oberster Kontrolleur der städtischen Tochterunternehmen: Thomas Kufen spricht im Interview über die Aufarbeitung des EBE-Skandals, die Rolle der Politik und neue Regeln wie eine Anzeigepflicht beim „Unterbringen“ von Verwandten.
Herr Kufen, möglicherweise wird Ihr SPD-Gegner bei der OB-Wahl nicht der amtierende Oberbürgermeister, sondern Angelika Kordfelder sein. Wie bewerten Sie das?
Das ist Sache der SPD. Da mische ich mich nicht ein, sondern kümmere mich lieber um die wichtigen politischen Themen der Stadt.
Aber hat Reinhard Paß recht, wenn er sagt, dieser Konflikt mindere die Wahlchancen der SPD?
Ein SPD-Kandidat hat in Essen immer einen Startvorteil. Andererseits ist Essen keine SPD-Stadt mehr. Ich erfahre im Moment viel Zuspruch für meine Kandidatur.
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Was dem OB unter anderem zu schaffen macht, ist der EBE-Skandal, der Schwächen beim Einhalten von Regeln offenbarte. Sie sind in der Nachfolge von Paß Aufsichtsratsvorsitzender der Holding EVV, unter dessen Dach die größten städtischen Töchter vereinigt sind, auch die EBE. Ist die EBE ein Einzelfall oder erwartet uns noch mehr?
Wir müssen davon ausgehen, dass bei der EBE noch mehr Verfehlungen ans Licht kommen werden. Wenn offenbar ein Mitarbeiter 2010 Akten kopiert, um damit erst 2014 für Aufklärung zu sorgen, liegt einiges im Argen. Ebenso klar sage ich: Die Vorfälle bei der EBE sind nicht auf die anderen städtischen Gesellschaften zu übertragen.
Was macht Sie da so sicher?
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Die Verantwortung für die Missstände bei der EBE trägt in erster Linie der langjährige Geschäftsführer Klaus Kunze, der gerade in den letzten Jahren das Unternehmen mehr und mehr nach Gutsherrenart geführt hat. Mich ärgert, dass es der private Miteigentümer Remondis war, der auf die Missstände aufmerksam machte.
Da haben die städtischen Vertreter im Aufsichtsrat wohl nicht genau genug hingeguckt und nachgehakt,
Stimmt. Dieser Kritik müssen sich aber vor allem die langjährigen Aufsichtsratsvorsitzenden Willi Nowack und Reinhard Paß stellen, die Kunze lange und gut kennen.
Was ist mit den CDU-Vertretern?
Jutta Eckenbach und Bernd Flügel gehörten gerade in den letzten Jahren im Aufsichtsrat zu den schärfsten Kritikern von Herrn Kunze.
Da ging es um die Vertragsverlängerung über die Altersgrenze hinaus. Aber Alarm geschlagen wegen der Regelverstöße haben die beiden eben auch nicht.
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Mir persönlich ist vieles, was ich da über Verhaltensweisen lese, völlig fremd. Es ist aber doch auch nicht Aufgabe eines Aufsichtsrates, die Bezahlung von freigestellten Betriebsräten zu prüfen. Da gibt es klare Regelungen im Betriebsverfassungsgesetz; ein Verstoß dagegen ist eine strafbare Handlung. Und es gab ein Unrechtsbewusstsein bei der EBE - wer bewusst Personalakten „aufhübscht“, der weiß ja, dass er betrügt. Andererseits darf man auch nicht vergessen: Die EBE hat immer schwarze, und zwar über die Jahre steigende schwarze Zahlen geliefert und das hat offensichtlich manchen Blick getrübt.
Und deshalb will so schier gar keiner etwas gemerkt haben...
Wir als CDU haben gedacht, wenn ein privater Anteilseigner wie Remondis dabei ist, hilft der bei der Kontrolle. Mag sein, dass ich mich als Fraktionschef da intensiver hätte einbringen müssen. Ich nehme aber für die CDU in Anspruch, dass wir uns von Anfang an klar gegen eine erneute Vertragsverlängerung von Kunze ausgesprochen haben, die Reinhard Paß und die SPD unbedingt wollten.
In Ihrer EVV-Funktion haben nun Sie die Pflicht, die Einhaltung von Regeln zu überwachen, teilweise überhaupt erst mal welche aufzustellen.
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Genau. Dabei muss die Treppe von oben gefegt werden. Die Geschäftsführer müssen für eine einwandfreie Unternehmenskultur einstehen, auch persönlich. Dazu gehört, Geschäfte abzulehnen, wenn sie nicht regelkonform zustande kommen, dazu gehört der einheitliche, transparente Umgang mit Spenden und Sponsoring. Compliance ist nicht nur ein Modewort, es muss gelebt werden. Auch bei der EBE gab es ja Regeln, die aber nicht jeder eingehalten hat.
Keine Regeln gibt es für das „Unterbringen“ von Verwandten und Kindern von Politikern. Wie wollen Sie dieses Problem lösen?
Zunächst: Wenn Mutter oder Vater sich ehrenamtlich in der Kommunalpolitik engagieren, dann darf das weder ein Vorteil noch ein Nachteil für die Kinder sein.
Heißt konkret: Kinder von Ratsmitgliedern dürfen bei städtischen Gesellschaften arbeiten?
Ja. Aber nur, wenn alles transparent läuft und es um Qualität geht statt Vitamin B. Um das sicherzustellen, muss offen damit umgegangen werden, etwa indem solche Arbeitsverhältnisse dem Aufsichtsrat offengelegt werden. Ich bin sogar für eine Anzeigepflicht. Wobei klar ist: Wir reden von nahen Verwandten von Politikern oder hohen Verwaltungsmitarbeitern, nicht von Ahnenforschung in dritter oder vierter Reihe.
Was ist mit den Verwandten von Aufsichtsratsmitgliedern? Ich frage Sie mit Blick auf die heutige Bundestagsabgeordnete und frühere CDU-Ratsfrau Jutta Eckenbach.
Gegenfrage: Gibt es einen Hinweis, dass Frau Eckenbach im EBE-Aufsichtsrat anders entschieden hat, weil ihre Kinder bei der EBE beschäftigt sind? Nein, im Gegenteil. Frau Eckenbach gehörte, wie schon gesagt, gerade in den letzten Jahren zu den schärfsten Kritikern von Herrn Kunze. Tatsache ist, sie hat den Aufsichtsrat verlassen, auch zum Wohle ihrer Kinder, die dort Sachbearbeiter sind und sich nichts haben zu Schulden kommen lassen. Und darüber gab es auch gar keine Diskussion mit ihr.
Können Sie bei all dem verstehen, dass die Bürger misstrauisch sind?
Teilweise ja. Und dennoch sage ich: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unseren städtischen Unternehmen verdienen im Grundsatz das Vertrauen der Bürger. Es wäre falsch, den Eindruck zu verbreiten, „EBE ist überall“. Sie leisten Tag für Tag gute Arbeit - übrigens auch bei der EBE. Ich erinnere nur an den Einsatz nach dem Sturmtief Ela.
Bei den Stadttöchtern gibt’s die Sicherheit des öffentlichen Dienstes, aber zumindest in den Spitzenpositionen Gehälter wie in der Privatwirtschaft. Müssen es eigentlich so viele sein? Essen hat über 50.
Es gab immer gute Gründe für die Gründung einer Gesellschaft. Zum einen waren es häufig steuerrechtliche Gründe, oder wir wollten flexibler auf Entwicklungen reagieren bzw. Dritte mit ins Boot nehmen, wie beispielsweise bei der Essen Marketing GmbH oder der Essener Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH. Der Trend ist klar: Es wird künftig eher weniger Beteiligungsunternehmen geben und wir müssen auch die Aktivitäten bündeln, die mehrfach im Konzern auftreten, zum Beispiel bei den Immobilien.
Im Grundsatz ändert sich also nichts?
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In anderen Fällen muss die privatrechtliche Form bleiben, um eben am Markt vernünftig arbeiten zu können. Dazu brauchen wir gute Geschäftsführer und haben sie ja zum Glück auch. Ich nenne die Namen Dirk Miklikowski (Allbau), Peter Schäfer (Stadtwerke), Oliver P. Kuhrt (Messe), Berger Bergmann (TuP) oder Michael Feller (Evag).
Alles Leute, die nicht auf der Parteischiene groß geworden sind.
Es wäre Quatsch zu behaupten, allein Parteibuch verschafft Kompetenz. Aber es darf auch kein Nachteil sein, sich zu engagieren, egal ob bei der CDU oder bei Pro Asyl. Ich wünsche mir, dass die Geschäftsführer ein Sensorium haben für die Gesellschaft und für die Belange der Stadt. Es gilt, eine Aufgabe zu erfüllen, im Auftrag und zum Nutzen der Bürgerinnen und Bürger. Am Ende geht es immer um Steuergelder, und da muss sorgsam mit umgegangen werden.
Derzeit fragen sich manche in der Stadtspitze und vermutlich auch bei den Stadttöchtern, ob sie etwa bei privat organisierten Treffen noch ein Glas Wein annehmen dürfen.
In unserer Stadt wird zu oft übereinander und zu wenig miteinander gesprochen. Dass Politiker oder leitende Mitarbeiter der Verwaltung nicht mehr an solchen Netzwerk-Treffen teilnehmen dürfen, wäre aus meiner Sicht völlig überzogen. Gerade der Austausch von Politik und Verwaltung mit Teilen der Stadtgesellschaft ist doch wichtig. Solche Treffen sind auch in guten Sinne Bürgersprechstunden, mit dem Ziel unsere Stadt nach vorne zu bringen.
Alle Essener Ratsmitglieder im Bild