Essen. . Essens Kämmerer Lars Martin Klieve lässt keine Gelegenheit aus, um den Sparbeitrag der Stadttöchter einzufordern. Nun wehrt sich Dirk Miklikowski, Allbau-Vorstand und Geschäftsführer der städtischen Holding EVV gegen die Pauschalkritik. Er fordert: Der Kämmerer soll „Ross und Reiter“ nennen.
In diesem Kreis wird Essens Lars Martin Klieve Kämmerer so schnell keine Freunde mehr finden: Die Vorstände und Geschäftsführer der städtischen Töchter sind sauer auf Klieve, der als städtischer Kassenwart keine Gelegenheit auslässt, um von ihnen einen stärkeren Sparbeitrag zu fordern.
Die Dimensionen, um die es geht, sind gewaltig. Über den Daumen gepeilt, bedarf es einer Verdoppelung der Sparanstrengungen durch die Stadttöchter. Andernfalls droht der städtische Haushalt, so wie er derzeit langfristig konzipiert ist, spätestens 2018 vor die Wand zu fahren. Ein Gespräch mit Dirk Miklikowski, Vorstand des Allbau und nebenbei auch Geschäftsführer der städtischen Holding EVV, unter derem Dach viele städtische Töchter versammelt sind.
Herr Miklikowski, was haben Sie gegen den Stadtkämmerer?
Dirk Miklikowski: Nichts. Aber er soll Ross und Reiter nennen, statt die Beteiligungsgesellschaften wegen angeblich mangelndem Sparwillen pauschal zu kritisieren. Die unter dem Dach der EVV versammelten Unternehmen fühlen sich - mit Ausnahme der Entsorgungsbetriebe - jedenfalls nicht angesprochen, da sie sich schon lange in erfolgreichen Konsolidierungsprozessen befinden und ihre Ergebnisse signifikant verbessert haben.
Sie geben es selbst zu: Für die EBE gilt das nicht.
Zur Person: Dirk Miklikowski
Dirk Miklikowski ist seit 2007 Vorstand der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Allbau und macht nach Meinung vieler in Essen einen guten Job. Das liegt auch daran, dass sich die städtische Wohnungsbaugesellschaft bereits mehrfach bei Projekten engagierte, wo andere kapitulierten: etwa bei der Entwicklung des Kreuzeskirchviertels.
Der 51-jährige gebürtige Gladbecker wurde in diesem Jahr auch Sprecher der Geschäftsführung der Essener Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft mbH (EVV). Derzeit profiliert er sich zudem als aufklärender Interims-Geschäftsführer der krisengeschüttelten Entsorgungsbetriebe.
Aber auch die EBE hebt derzeit bisher nicht genutzte Potentiale und wird im kommenden Wirtschaftsplan ein um 30 Prozent besseres Ergebnis im Vergleich zur Vorjahresplanung melden.
Was konkret haben denn andere Stadttöchter schon geschafft?
Um einige Beispiele zu nennen: Der Allbau hat seit 2007 im Vergleich zu den sechs davorliegenden Jahren 200 Prozent mehr Ergebnis abgeliefert, was immerhin ein Plus von 70 Millionen Euro bedeutet. Und das bei gleichzeitig erheblichen Investitionen in Stadtentwicklung und Infrastruktur, zum Beispiel was Kindertageseinrichtungen betrifft. Die Evag hat seit 1994 rund 16 Millionen Euro pro Jahr Ergebnisverbesserung im operativen Geschäft erreicht. Gleichzeitig wächst die Unterdeckung, da ja Kostensteigerungen etwa durch Tariferhöhungen nur teilweise an die Kunden weitergegeben werden können. Auch die RGE...
...eine Stadttochter, die derzeit mit einigen Problemen kämpft...
Mag sein. Aber sie hat zu einer erheblichen Kostenentlastung im Bereich Reinigung und Catering bei der Stadt Essen beigetragen und liefert zusätzlich die erwirtschafteten Überschüsse über die EVV-Holding direkt bei der Stadt ab.
Alles in Ordnung also, kein Grund zu weiteren Sparappellen?
Eine Kultur des Sparens ist wichtig und gesund. Hier hat der Kämmerer die richtigen Impulse gesetzt und zu Recht die Zügel angezogen. Man darf dabei aber nicht unberücksichtigt lassen, in welchem Umfeld die Beteiligungen agieren.
Klingt wie eine Ausrede
Nein! Wenn die Stadt in Folge des Sparkurses Einrichtungen schließt oder Leistungen kürzt, hat der Bürger keine Alternativen und muss dem zwangsläufig folgen. Wenn aber Unternehmen wie die Stadtwerke oder der Allbau Preise anheben oder Leistungen und Service kürzen, dann hat der Kunde sehr wohl Alternativen. Mit der Folge, dass der unternehmerische Erfolg leidet. Und das geht wiederum zu Lasten des Gesellschafters, also der Stadt, die weniger Dividende erhält.
Das heißt aber unterm Strich: In Ihren Augen geht gar nichts mehr?
Die städtische Holding EVV
Die Essener Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft mbH (EVV) ist die s tädtische Holdinggesellschaft und vereint unter ihrem Dach Stadtwerke Essen, Entsorgungsbetriebe Essen, Allbau, Essener Verkehrs-AG, RGE Servicegesellschaft Essen, Weiße Flotte Essen und EVV Verwertungs- und Betriebs-GmbH (EVB).
Mit 55 eigenen und rund 4700 Beschäftigten in den angeschlossenen städtischen Beteiligungsgesellschaften ist sie eines der großen kommunalen Unternehmen ihrer Art in Deutschland.
Aufsichtsratsvorsitzender ist seit kurzem Thomas Kufen, CDU-Fraktionschef und OB-Kandidat.
Das will nicht sagen. Die Top-Down-Vorgaben der Stadt können wir noch einige Jahre über die außerordentliche Verwertung noch vorhandener Vermögenswerte oder die Hebung stiller Reserven erfüllen. Dies sind aber einmalige und keine nachhaltigen Effekte. Folge ist, dass Wechsel auf die Zukunft gezogen werden, da die laufenden Einnahmen aus diesem Vermögen natürlich künftig fehlen. Und es stehen bei den Unternehmen der EVV eben nicht beliebig viele verwertbare Vermögen zur Verfügung.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Wir werden in diesem oder im nächsten Jahr unsere Anteile an der Finanzbeteiligung „Kom9“ veräußern, was uns einmalig eine Summe bringt, deren erwartete Höhe ich jetzt nicht nennen möchte. Aber es fallen dann auch künftig jährlich vier Millionen Euro Dividende weg.
Und wie geht es dann weiter?
Für 2019 zeigt die Einsparvorgabe der Stadt im Vergleich zum aktuell real gerechneten Wirtschaftsplan eine Lücke von 30 Millionen Euro zu Lasten der EVV. Um die Dimension zu zeigen: Das ist um rund 100 Prozent entfernt vom real gerechneten Wirtschaftsplan der Holding Zur Zeit fehlt mir die Phantasie - das gilt aber auch schon für die Jahre 2017 und 2018 -, wie diese Vorgaben auch nur annähernd erreicht werden sollen. Das im operativen Geschäft herauszusparen, ist undenkbar. Die Stadt als Gesellschafter und die Politik müssen dringend in eine Diskussion einsteigen, welche Leistungen wir uns künftig zum Beispiel im öffentlichen Personennahverkehr noch leisten wollen oder leisten können. Ohne diese Diskussion und ohne Entscheidungen über substanzielle und strukturelle Eingriffe wird die Rechnung am Ende nicht aufgehen.
Konsolidierung des Essener Haushalts steht auf Messers Schneide
Wenn Kämmerer Lars Martin Klieve bei den Haushaltsdebatten der vergangenen Jahre das Wort ergriff, war klar: Für die städtischen Töchter wird es wieder mal kein guter Tag. Mit einiger Wortgewalt gesegnet, ließ der Kämmerer immer wieder mehr als nur durchblicken, dass er den Sparbeitrag der Stadttöchter für kümmerlich hält.
„In der Kernverwaltung muss gespart werden, da passt es nicht, wenn in den Beteiligungsgesellschaften mit den Hosenträgern geschnalzt wird“, meinte Klieve beispielsweise 2012. Und in der selben Rede: „Es sollte das Mindeste in dieser Gehaltsklasse sein, sich an Ergebnissen messen zu lassen, die der Vergütung entsprechen.“ Klieve spielte damit auf die ansehnlichen, an der Privatwirtschaft orientierten Gehälter der Geschäftsführer und Vorstände der Stadttöchter an, die mitunter für handfeste Skandale gut waren.
Lange haben die Chefs der Stadttöchter die Attacken nicht öffentlich kommentiert
Etwas zahmer, aber immer noch deutlich genug rechnete Klieve auch vor einigen Wochen bei der Einbringung des Doppelhaushalts 2015/2016 vor: „Von einer Milliarde Euro, die insgesamt an Einsparungen erzielt wurden, haben die Töchter mit 47 Millionen Euro kaum fünf Prozent erbracht, die Kernverwaltung aber den großen Rest.“ Da müsse man mehr erwarten können.
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Lange haben die Bosse der Töchter solche Attacken öffentlich nicht kommentiert, nun allerdings wagt sich Allbau-Vorstand Dirk Miklikowski im Gespräch mit der WAZ aus der Deckung. Die Angriffe des Kämmerers würden der komplexen Situation der städtischen Beteiligungsgesellschaften nicht gerecht.
Andererseits: Auch Miklikowski und Co. wissen natürlich, dass der bis 2020 vorgesehene Haushaltsausgleich zwingend auf der Einhaltung der ehrgeizigen Sparvorgaben des Kämmerers basiert. Wenn diese nicht mehr einzuhalten sein sollten, wird sich die Stadt Essen gegenüber der Kommunalaufsicht des Landes warm anziehen müssen. Von einem Dilemma ist die Rede: „Entweder Essen spart sich kaputt oder die Landesregierung schickt einen Sparkommissar“, ist aus der Ratspolitik zu hören. Beides keine schönen Perspektiven. An „Grausamkeiten“, die denkbar wären, gelten etwa eine Spartenschließung bei der „Theater und Philharmonie“-GmbH oder auch die Streichung von Linien der Evag.