Essen. Angelika Kordfelder, die mögliche SPD-Kandidatin für das OB-Amt, über ihr Verhältnis zur Partei, ihre Grundsätze beim Führen einer Stadt, die vermeintlichen Fehler von Reinhard Paß und wie sie Essen nach vorne bringen will. Ein Gespräch

Frau Kordfelder, die SPD stellt derzeit den Oberbürgermeister, da ist es ungewöhnlich, dass mit Ihnen nun eine weitere mögliche Kandidatin für 2015 ins Spiel kommt. Erklären Sie uns das doch einmal.

Für eine solche Funktion, bewirbt man sich nicht, da wird man ins Gespräch gebracht. Dann werden Gespräche geführt - in diesem Fall mit der SPD-Parteivorsitzenden Britta Altenkamp - und dann wird entschieden, ob es passt. Frau Altenkamp hatte gute Gründe, einen neuen Kandidaten zu suchen, ich mache der SPD und später dann hoffentlich dem Bürger ein Angebot.

Warum meinen Sie denn, dass Essen einen neuen OB braucht?

Angelika Kordfelder: Zunächst will ich sagen: Das Amt des OB verdient Respekt, das wird meine Leitlinie sein für die nächsten Wochen, wenn wir SPD-intern um die Kandidatur ringen. Ich kandidiere nicht in erster Linie gegen jemanden, sondern für etwas. Ich bin ein Arbeitstier und stehe für Themen. So habe ich es auch in Rheine als Bürgermeisterin gehalten.

Aber es geht nun einmal zunächst um die Frage: Paß oder Kordfelder?

Kordfelder: Und das wird nicht schmerzfrei abgehen, da bin ich Realistin. Am Dienstag konnte ich mir bei meiner Vorstellung im SPD-Parteivorstand ein Bild machen, wie der amtierende OB in schwierigen Situationen agiert. Ich denke schon, dass ich manches besser meistern würde.

Angelika Kordfelder

Angelika Kordfelder wurde 1955 in Essen geboren, ist verwitwet und hat eine erwachsene Tochter. 1989 trat sie der SPD bei, von 1994 bis 2004 gehörte sie dem Rat der Stadt Essen an. Gewählt wurde sie in Schonnebeck. Im Essener Norden, wo sie aufwuchs, hatte sie damals auch ihren Lebensmittelpunkt.

Von 1970 bis 1982 war sie in der Justizverwaltung tätig, studierte dann an der Uni Essen Sozialarbeit, war wissenschaftliche Mitarbeiterin, promovierte im Jahr 2000 - Doktormutter war die spätere Uni-Rektorin Ursula Boos-Nünning. Tätig war sie bei Projekten der kulturellen Bildung und der Organisationsberatung.

2004 ist Kordfelder im münsterländischen Rheine zur Bürgermeisterin gewählt worden, musste sich in ihrer zehnjährigen Amtszeit fast durchgängig mit einer andersfarbigen Ratsmehrheit auseinandersetzen.

Zum Beispiel?

Kordfelder: Meiner Ansicht nach ist es wichtig, in einer Stadt vertrauensvoll miteinander zu arbeiten. In Rheine habe ich meinen Leuten im Rathaus als erstes gesagt: „Ohne Sie bin ich nichts.“ Ich habe in diesen zehn Jahren hart am Personalmanagement und dem Aufbau von Vertrauen gearbeitet. Ich glaube, auch im Essener Rathaus braucht es eine neue Führungskultur.

Sie wollen also einen anderen, einen kooperativeren Stil pflegen?

Kordfelder: So kann man es sagen, ja. Man muss immer alle einbinden. Ich halte sehr viel von der Einbeziehung der Bürger und stehe für eine Kultur des Miteinanders. Man muss als Stadtoberhaupt schon sagen, wo es lang gehen soll, aber man sollte dabei nicht beratungsresistent sein.

Die SPD-Vorsitzende kritisiert an Reinhard Paß eine Fremdheit gegenüber der Partei. Würden Sie als OB der SPD näherrücken?

DemokratieKordfelder: Ich bin Sozialdemokratin und bin nah an meiner Partei. Ich lebe ihre Werte. Als Bürgermeisterin habe ich aber im wesentlichen Ratsbeschlüsse umzusetzen. Es muss daher eine starke Vernetzung geben zwischen Politik, Rat Stadtverwaltung und dem Oberbürgermeister. Daran mangelt es hier nach meiner Wahrnehmung. Das Streicheln der sozialdemokratischen Seele ist allerdings Aufgabe der Parteivorsitzenden.

Reinhard Paß sagt: Egal ob sie oder er antreten, die Wahlchancen der SPD sind gemindert. Hat er Recht?

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Kordfelder: Ich folge ihm in seiner Aussage insoweit, dass dies jetzt eine schwierige Situation ist. Eine Lage, die die Parteivorsitzende nicht verdient hat, um das klar zu sagen. Anstelle des OB hätte ich mich anders verhalten. Ich wäre nicht in diesen Konflikt gegangen, wenn mir signalisiert würde, die Partei möchte einen anderen Kandidaten aufstellen.

Sie hätten dann freiwillig verzichtet?

Kordfelder: Ja, da bin ich eher jemand der sagt, die Partei und die Politik generell dürfen nicht so beschädigt werden.

Im Gegensatz zu Frau Altenkamp, glaubt Reinhard Paß aber nun einmal, er sei ein guter OB.

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Angelika Kordfelder über OB Paß, Politikerinnen und ihre Ziele in Essen 

Im Gegensatz zu Frau Altenkamp, glaubt Reinhard Paß aber nun einmal, er sei ein guter OB.

Kordfelder: Das ist natürlich legitim, und es ist auch legitim, sich den Bürgern dann für eine zweite Amtszeit anzubieten. Auch die SPD hat aber das Recht aufzustellen, wen sie für richtig hält. Die Parteivorsitzende sucht in einem klar geregelten Verfahren einen Kandidaten, ich finde, sie macht das derzeit sehr souverän. Damit sollte auch jedes Parteimitglied umgehen können.

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Den OB scheint die „Souveränität“ der Parteichefin eher zu verbittern.

Kordfelder: Das kann, wenn es so ist, nicht meine Sorge sein. Ich schaue auf die SPD, die Stadt, die Bürger und die Potenziale, die wir hier haben: Und darauf, wie ich in Essen meine Rolle finden kann.

Verstehen Sie ihn denn?

Kordfelder: Sagen wir, ich kann es analysieren. Ich kenne ja auch Parteistrukturen, ich weiß wie Bürger reagieren, und wie Medien arbeiten. Es war für den OB sicherlich eine schwierige Situation als Verwaltungsferner in eine solche Position zu kommen. Wenn man dann vielleicht nicht genug Gespür für die Gefühle von Mitarbeitern hat, dann kann man leicht ausgebremst werden. Ich glaube, das ist ein wesentlicher Knackpunkt. Auch vor diesem Hintergrund, hätte es einen Reiz, wenn eine Frau für die SPD kandidiert - als Alternative zu Herrn Kufen von der CDU.

Was machen Frauen denn anders?

Kordfelder: Man muss emotional berühren in so einer Funktion. Wir arbeiten mit Menschen und für Menschen. Frauen sind empathischer - gut, das mag nicht für alle gelten, für mich nehme ich es aber in Anspruch.

Erst einmal kommen auf Sie nun harte Konflikte zu. Besorgt Sie das?

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Kordfelder: Nein, mir ist so etwas vertraut. Wenn Sie als Fremde und Sozialdemokratin im „schwarzen“ Münsterland antreten und der erste Auftritt ist bei der Versammlung der Bauerschaft - 250 Männer, die Kellnerin und ich - dann müssen sie schon auch ein bisschen robust sein.

Ihre Erfahrungen aus Rheine in allen Ehren, aber Essen ist rund acht mal so groß. Was qualifiziert Sie?

Kordfelder: Die Themen sind überall ähnlich: Wir werden in den Städten immer älter und bunter, der demografische Wandel, die Integration - ich habe meine Aufgaben in Rheine erfüllt und bringe da vieles mit für eine neue Funktion. Kein Mensch kann alles, aber dafür gibt es ja Mitstreiter. Und ich kenne Essen eben auch gut, als völlige Anfängerin würde ich die Kandidatur nicht wagen.

Können Sie Krise?

Kordfelder: Wir hatten alles: von Ebola-Verdacht über Neonazis auf dem zentralen Stadtplatz, bis zum Abzug des Bundeswehr-Standorts. Ich bin durchaus krisenerprobt. Meine Leute wissen, dass sie sich dann erst recht auf mich verlassen können.

Ihnen ist aber schon auch klar, dass die Essener Haushaltslage jedem Gestaltungsdrang Grenzen setzt.

Kordfelder: Sicher. Auch in Rheine konnten wir nicht aus dem Vollen schöpfen, wenn wir auch relativ finanziell besser dastehen als Essen. Fakten wie den Sparzwang kann man nicht ändern, aber man muss sie den Menschen erklären. Und manchmal ist es auch gut, wenn die Politik sich mal raushält und die Bürger selbst etwas machen lässt. Die wollen sich nämlich nicht bevormunden lassen.

Was wollen Sie mit Essen erreichen?

Kordfelder: Nehmen wir beispielhaft das Thema Weltläufigkeit. Das liegt mir für meine Heimatstadt sehr am Herzen, und da sind wir noch nicht weit genug gekommen. Kommune und Europa - 80 Prozent der gesetzlichen Vorgaben, die auch die Städte umsetzen müssen, stammen inzwischen aus dem Europa-Parlament. Ich bin Präsidentin des Europaausschusses des deutschen Städte- und Gemeindebundes, ich bin in der Europapolitischen Kommission der Bundes-SPD. Ich habe Reinhard Paß sagen hören, er hätte für so etwas keine Zeit. Es ist aber wichtig sich zu vernetzen, eine Frage der Priorität. Diese Stadt hat das Potenzial. Schauen Sie auf die Wirtschaftsunternehmen in Essen, dann die Kultur - aus der Kulturhauptstadt 2010 ist nicht genug gemacht worden. Gleichzeitig sehe ich, dass sich das Leben der Menschen in ihren Vierteln abspielt, wo sie verwurzelt sind. Wir müssen beides machen: Das Kleine und das große Ganze stärken.