Essen. . Wo beginnt Korruption? Seit dem Skandal um Vetternwirtschaft und mutmaßliche Vorteilsnahme bei den Entsorgungsbetrieben Essen (EBE) macht sich Unsicherheit unter den Mandatsträgern der Stadt Essen breit. Die Stadt plant Compliance-Regeln und damit schärfere Regeln gegen Korruption.
Sollten Mitglieder des Stadtrates Eintrittskarten für ein Fußballspiel annehmen? Oder Tickets für eine Opernpremiere? Ist korrupt, wer sich zum Abendessen einladen lässt oder zum Schunkelabend beim Oktoberfest? Seit der Skandal um Vetternwirtschaft und mutmaßliche Vorteilsnahme bei den Entsorgungsbetrieben Essen (EBE) für Schlagzeilen sorgt, macht sich Unsicherheit breit unter den Mandatsträgern dieser Stadt. Was ist erlaubt, was verstößt gegen Anstandsregeln? Was ist kriminell?
Unter Federführung von Ordnungsdezernent Christian Kromberg will die Stadt auf diese Fragen verbindliche Antworten geben. So genannte Compliance-Regeln für gewählte Volksvertreter, wie auch für Mitarbeiter der Verwaltung, sollen dem Rat in Kürze vorgelegt werden. Und das dürfte sehr wohl im Interesse der Betroffenen sein, denn der Gesetzgeber hat jüngst das Strafrecht verschärft.
Bis zu fünf Jahre Gefängnis oder eine Geldstrafe
Wer sich als Mitglied des Rates oder einer Bezirksvertretung bestechen lässt, also einen Vorteil annimmt oder gegen eine Gegenleistung anbietet, dem drohen nun bis zu fünf Jahren Gefängnis oder eine Geldstrafe. Bislang galt dies nur für Abgeordnete in Bund und Land. Ab wann Vorteilsnahme vorliegt, definiert der Rat allerdings selbst.
Bisher gültige Regelungen greifen zu kurz. Auswüchse, wie sie bei der EBE öffentlich wurden, vermochte weder die Ehrenordnung des Rates von 1998 vorzubeugen, noch der Verhaltenskodex für Beteiligungsgesellschaften von 2008.
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Es gibt augenscheinlich Nachholbedarf. Dieser Eindruck beschlich auch Kai Hemsteeg, Fraktionssprecher der Partei-Piraten und im Hauptberuf Ermittler beim Landeskriminalamt mit Schwerpunkt Korruptionsbekämpfung, als er dieser Tage im Rathaus eine Informationveranstaltung für Ratsmitglieder zum Thema Compliance besuchte. Ein Fachanwalt für Strafrecht ließ die Teilnehmer wissen, was auf sie zukommen wird. Selbst „alte Hasen“ hätten sich erstaunlich unbedarft gezeigt, wundert sich Hemsteeg. „Dass man einen Vorteil auch billigend in Kauf nehmen kann, davon hatte offenbar noch niemand gehört.“ Nebenbei bemerkt: Die Zahl der Zuhörer sei mit etwa 25 überschaubar gewesen. Der Rat zählt 90 Mitglieder.
Wertgrenzen von 25 Euro für Geschenke und von 50 Euro für Einladungen
Zu erwarten sind künftig klare Regelungen. In Rede stehen dem Vernehmen nach Wertgrenzen von 25 Euro für Geschenke und von 50 Euro für Einladungen. Was darüber hinaus geht, sei dem Oberbürgermeister anzuzeigen. Noch ist darüber das letzte Wort nicht gesprochen.
Doch, obwohl noch nicht in Kraft, treiben die Compliance-Regeln längst Blüten: Beim traditionellen Jahresabschluss des Ordnungsausschuss in aller Herrgottsfrühe im Frischezentrum mussten die Mitarbeiter der Verwaltung beim gemeinsamen Frühstück erstmals zusehen. Nicht nur diejenigen, die es traf, hatten den Kaffee auf.