Duisburg-Baerl. Die freie Kunst hat es nicht immer leicht. Doch in Duisburg-Baerl hat sie vor 40 Jahren ein neues Zuhause gefunden. Durch einen kleinen Trick.
Freie Kunst, die sich nicht der Mode unterwirft, hat es schwer, sich gesellschaftlich und finanziell zu behaupten. Damit diese sich Anfang der 1980er-Jahre langfristig durchsetzen konnte, dafür brauchten freie Duisburger Künstler Räume. Zum Glück herrschte politisch eine liberale Stimmung: Die Vision von „Kreativ-Schmieden“ für Duisburg geisterte durch den Stadtrat, schließlich wollte man den jungen Wilden Entwicklungsmöglichkeiten geben. In diesem Sinne hatte der damalige Kulturbeigeordnete, Dr. Konrad Schilling, 1981 die Idee vom „Atelierhaus Baerl“: Das nicht mehr genutzte Baerler Schulgebäude an der Schulstraße 64 sollte in Ateliers und Wohnungen für Künstler verwandelt werden, nachdem die dort ansässige Grundschule 1980 in einen Neubau an der Waldstraße umgezogen war. Allerdings waren schwere Risse im Gemäuer als Bergschäden sichtbar, die der Kohleabbau in 400 Meter Tiefe verursacht hatte.
Einzug ins Atelierhaus in Duisburg-Baerl erfolgte, bevor die Politik entschieden hatte
Nach Renovierungsarbeiten in den insgesamt eine Fläche von 300 Quadratmeter abdeckenden, ehemaligen Klassenräumen, entstanden vier Ateliers und ein Bürgerraum, das „Atelierhaus Baerl“ konnte bezogen werden. Die drei Duisburger Künstler, Klaus Kiel, Gabriella Fekete und Sigrid Beuting erhielten als erste die Schlüssel für ihre Arbeitsräume – unter bestimmten Bedingungen, die im Nutzungsvertrag festgehalten waren. „Der Bürgerraum sollte als kulturelle Anlaufstelle für Bildungsangebote verschiedener Gruppen und Vereine der Allgemeinheit offenstehen“, sagt Sigrid Beuting, die heute noch kreative VHS-Kurse dort anbietet. „Dr. Schilling hatte uns quasi da hinein geholt, bevor die Politik entschieden hatte“, erinnert sich die Frau der ersten Stunde. „Für mich war es toll, solche Räumlichkeiten zum Arbeiten und Leben vorzufinden“, findet die 78-jährige Gabriella Fekete, die damals auf der Suche nach einem Atelier war, nachdem sie ihr Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie abgeschlossen hatte.
Künstler und Künstlerinnen können im Atelierhaus in Duisburg-Baerl mietfrei wohnen
Die Stadt Duisburg ermöglichte es den Künstlern dort mietfrei zu wohnen und zu arbeiten, allerdings für die Neben- und Betriebskosten müssen sie bis heute selbst aufkommen. Alte und zugige Holzfenster, an denen die weiße Farbe abbröckelt, und bis zu vier Meter hohe Decken erschweren somit die Lage der Kreativen: „Unsere Heizkosten steigen gerade immens, da die Fenster stark renovierungsbedürftig sind“, sagt Alexander Voß, der ebenfalls einen Atelierraum inne hat.
Initiative kämpfte für den Erhalt des Atelierhauses in Baerl
Einem möglichen Abriss des alten Schulgebäudes habe man 2006 getrotzt. Damals gab es die Überlegung, einen neuen Supermarkt für Baerl an diesem Ort zu bauen. Es hatte sich aber eine Initiative für den Erhalt des Atelierhauses gebildet – mit einfallsreichen Slogans wie „Kultur ist Lebensmittel“ stellten sie sich gegen den Abriss. „Der Kreativität war dabei keine Grenze gesetzt“, sagt Voß mit einem Lächeln. Der Supermarkt wurde schließlich ein paar Meter weiter in Richtung der Kirche gebaut.
Mit dem „Tag des Offenen Ateliers“, der vom Kulturbüro der Stadt Duisburg am 29. und 30. Oktober auch für Homberg und Baerl organisiert wird, sei man den Ideen des geistigen Vaters, Dr. Konrad Schilling, nahe gekommen. „Er wollte damals erreichen, dass Künstler mit ihrer Kunst auch für die Öffentlichkeit sichtbar werden und man uns bei der Arbeit mal über die Schulter schauen kann“, weiß Sigrid Beuting, die für Interessierte ihr Wohnatelier im ersten Stock öffnet. „Bei mir können die Besucher am Wochenende zwischen Kaffee und Tee wählen.“
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Über den Zeitraum von 40 Jahren haben mehr als zehn Kreative dort gelebt und für regelmäßigen Kulturaustausch in den alten Gemäuern gesorgt. Momentan arbeiten vier Künstler im Baerler Atelierhaus, die beim „Offenen Atelier“ ihre Werke zeigen: Alexander Voß beschäftigt sich mit Naturzeichnungen und Linien, die dann in Glaskunst geschnitten werden. Weiterhin verfügt er über eine Artothek, in der man gerahmte Bilder ausleihen kann. Sigrid Beuting zeigt eine Audiovisuelle Collage, die sie mit einer befreundeten Künstlerin entworfen hat, sowie die Wandinstallation einer in Rot getauchten, abendlichen Himmelslandschaft, die sie mit Barcodes durchsetzt hat. Claudia Sper hat sich einem Selbstbildnis mit Spiegel in einem übergroßen aus Vorhängen geformten Wigwam gewidmet. Und Gabriella Fekete stellt verschiedene figürliche Bleistiftzeichnungen und Skizzen im Bürgerraum aus.
>>> Offene Ateliers 2022 <<<
Die zweite Etappe zum „Offenen Atelier DU 2022“ startet im Duisburger Westen in Homberg und Baerl jetzt am Wochenende, 29. und 30. Oktober. Öffnungszeiten des Atelierhauses Baerl an der Schulstraße 64, 47199 Duisburg, sind am Samstag sind zwischen 14 und 20 Uhr, am Sonntag zwischen 12 und 18 Uhr. Gleiches gilt für alle weiteren Ateliers, die ihre Türen öffnen. Infos unter www.kulturbeutel-duisburg.de