Duisburg. Die Beecker Kirmes ist abgesagt. Die Beteiligten setzen auf den Neustart 2023. Was sie von der Stadt Duisburg erwarten und welche Fragen bleiben.
Der Schlusspunkt des monatelangen Gezerres um das Ende oder den Fortbestand der Beecker Kirmes ist die überraschende Absage am Mittwochabend. Ist diese Entscheidung das letzte Todesröcheln des Traditionsrummels oder eine dringend nötige Lebenserhaltungsmaßnahme? Die Stadt Duisburg, die Schausteller, die Lokalpolitiker und die Menschen im Stadtteil tragen diesen Rückzieher mit und blicken optimistisch auf den Neustart im Juli 2023 – trotz vieler offener Fragen.
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Danach hat es jedoch vor gut zwei Monaten noch nicht ausgesehen. Nach einem deutlichen Besucherrückgang samt viel Kritik 2019 und zwei Jahren Corona-Zwangspause wollte der städtische Veranstalter Duisburg Kontor den Jahrmarkt endgültig beerdigen und eine neue Sportpark-Kirmes an der Schauinslandreisen-Arena in Neudorf schaffen.
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Ausschlaggebend dafür war eine stadtweite Standortanalyse. „Wir sehen in Beeck zukünftig kein großes Volksfest mehr“, lautete im März das Fazit von Kontor-Geschäftsführer Uwe Kluge. Schaustellerverbände stimmten ihm zu, glaubten aber nicht, dass sie am Stadion Geld verdienen könnten. Als dann die politische Mehrheit für die Sportpark-Kirmes bröckelte, blieb die aktuelle Volksfestsatzung in Kraft, und so musste Duisburg Kontor eine Beecker Kirmes organisieren, die weder die Stadt noch die Schausteller wollten. Das ist jetzt krachend gescheitert.
Denn die Karussellbetreiber und Budenbesitzer zeigten kaum noch Interesse an der einstigen größten Kirmes am Niederrhein. Zwar war der Jahrmarkt in Beeck bereits Ende 2021 ausgeschrieben, vor der Idee mit dem Stadion-Jahrmarkt, und hatte noch 180 Bewerbungen bekommen. Das ist laut Duisburg Kontor vergleichsweise wenig. Zu wenig. Zumal aus diesen Bewerbungen nur 90 lose Zusagen wurden. Schließlich unterzeichneten nur 54 Schausteller überhaupt einen Vertrag. Nur vier Großfahrgeschäfte waren darunter. Bei der als zu klein kritisierten Kirmes 2019 waren immerhin noch 150 Schausteller dort.
„Das wäre der Todesstoß gewesen“: Nur Mini-Rummel ohne Feuerwerk
Zudem wäre das beliebte Feuerwerk abgesagt worden, weil im und am nahen Landschaftspark Duisburg-Nord traumatisierte Kriegsflüchtlinge in Notunterkünften leben. „Wenn wir die Kirmes so durchgezogen hätten, wäre das der Todesstoß gewesen“, betont Bezirksbürgermeister Peter Hoppe (SPD). Er zieht damit das Fazit der Krisensitzung am Dienstagabend zwischen Schaustellern, Duisburg Kontor, Politikern und örtlichen Vereinen. Sie alle hatten einstimmig die Absage vorgeschlagen, die die Stadtspitze daraufhin letztendlich am Mittwoch beschloss.
Ebenso einhellig haben sich jedoch alle Beteiligten darauf verständigt, die Beecker Kirmes zu retten. „Einen so engagierten Kampf für die Kirmes habe ich noch nie erlebt“, sagt Jeffrey Schneider, Vize des Schaustellervereins Groß-Duisburg. Demnach hat das Gezerre um den Jahrmarkt-Standort Duisburgs Ruf in der Branche nicht geschadet, „im Gegenteil“. Dass jetzt Kirmesbeschicker, die Stadt, Politiker und örtliche Vereine alle zusammensitzen sieht nicht nur Schneider positiv.
Stadt Duisburg soll zeitgemäßes, neues Programm für die Beecker Kirmes erarbeiten
Dennoch dürfe man nicht zu viel erwarten, ergänzt Ralf Reminder. „Dass wir in nur einem Jahr eine Superkirmes haben, das ist nicht machbar.“ Denn dafür hält der Vorsitzende des Alten Vereins Reisender Schausteller Duisburg die Rahmenbedingungen für zu schwierig.
Zumal der Kirmesplatz neben dem Oberhof und der Evangelischen Kirche unbedingt ertüchtigt werden muss. Denn für Betreiber großer Fahrgeschäfte sei er völlig unattraktiv. Die Fahrzeuge wiegen demnach gut 60 Tonnen und deren Hydraulikstempel zermalmen den Schotter auf dem Platz zu feinem Staub. Die Folge: Die Großkarussells müssten danach aufwendig gereinigt werden, was vier bis fünf Tage in Anspruch nehme.
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Der Platz allein, da sind sich alle Beteiligten einig, kann die Beecker Kirmes jedoch nicht vor dem Ende retten. „Duisburg Kontor muss ein komplett neues Konzept erarbeiten“, betont Reminder ein weiteres Ergebnis der Krisensitzung. Dass neuerdings wieder die Vereine, Schulen und Kindergärten eingebunden werden, reicht demnach längst nicht aus. Vielmehr müssten Ideen her, wie man Menschen zur Kirmes lockt, die nicht wegen Karussells, Zuckerwatte oder Losbuden kommen würden.
„Wir brauchen ein zeitgemäßes, neues Programm“, bestätigt auch die grüne Ratsfrau Pelin Osman als bekennende Kirmesliebhaberin. „Jugendliche sind bisher überhaupt nicht angesprochen.“ Ohnehin müsse man künftig „die breite Masse ansprechen“, auch alle Altersgruppen. Der Veranstalter müsse „Angebote für alle“ machen und dafür unbedingt berücksichtigen, dass Beeck „inzwischen sehr divers“ sei. Dazu gehört für Pelin Osman aber auch ein vernünftiger Nahverkehr, insbesondere weil auf dem Rummel auch gefeiert und Alkohol getrunken wird. Jedoch fahren seit sieben Jahren Ersatzbusse durch den Stadtteil, weil nicht genügend funktionierende Straßenbahnen da sind.
„Junge Leute wollen einen Adrenalinkick haben, das schafft man nicht mit einem Autoscouter“, sagt die SPD-Ratsfrau Jülide Celenk. Erst der von der Stadt aufgearbeitete Kirmesplatz könne entsprechende Fahrgeschäfte nach Duisburg locken. Dieser solle dann aber ganzjährig genutzt werden, etwa für Trödelmärkte oder für Streetball-Turniere. „Wir werden alle gemeinsam an Lösungen arbeiten“, verspricht Pelin Osman stellvertretend für alle Gruppierungen der Krisensitzung.
Es bleiben noch viele offene Fragen
So optimistisch auch alle Beteiligten sind, zur Zukunft der Beecker Kirmes bleiben noch viele offene Fragen. Die wohl wichtigste ist die Anzahl der Schausteller und die kalkulierte Besucherzahl. Veranstalter Uwe Kluge macht aktuell dazu keine Vorgaben. Jedoch ruhe seine Hoffnung auf den Karussellbetreibern und Budenbesitzern.
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„Alle, die die Beecker Kirmes kennen, kommen mit großen Erwartungen“, ist sich Wilma Hohmann vom Netzwerk Oberhof sicher. Ihr und den übrigen Vereinsvertretern gehe es primär darum, die „Tradition in Beeck zu erhalten“. Notfalls auch in kleinem Rahmen, aber mit mehr lokalem Charme als bei den vergangenen Ausgaben.
„Wir sind für jeden Euro dankbar, für jede Veranstaltung“, sagt Schausteller Ralf Reminder, doch „eine kleine Vorstadtkirmes ist nicht mehr die Beecker Kirmes“. Er und seine Kolleginnen und Kollegen wünschen sich daher ernsthafte Anstrengungen, im Duisburger Norden in einigen Jahren wieder die größte Kirmes am Niederrhein auszurichten. Die alte Größe zu erreichen, gibt auch Jülide Celenk der Stadt als Ziel vor, wohingegen Bezirksbürgermeister Peter Hoppe genau das für unmöglich hält. Er setzt darauf, dass Duisburg Kontor gute Ideen hat, bleibt aber auch offen dafür, aus einer sterbenden Kirmes künftig ein zeitgemäßes, „riesiges Familienfest“ zu machen.
>> KRITIK AN DER ABSAGE DER DIESJÄHRIGEN KIRMES
● Duisburg hat zwei Schaustellerverbände, die beide die Absage der Beecker Kirmes mittragen. Zwar hat Mike Bengel, Vorsitzender Schaustellervereins Groß-Duisburg, den Rückzieher noch am Mittwoch als Fehler und als „Sargnagel“ bezeichnet.
● Er fehlte jedoch krankheitsbedingt seit Monaten bei Sitzungen. Sein Vize Jeffrey Schneider ist davon überzeugt, wäre Mike Bengel bei Krisensitzung dabei gewesen, hätte sich seine Kritik an der getroffenen Entscheidung erübrigt.