Duisburg. Duisburg hat gut 51.000 Straßenbäume. Zuletzt wurden aber Jungbäume gefällt. Anwohner und Politiker fordern daher ein fachmännisches Baumkonzept.
Duisburg wird immer grüner. Das zumindest behauptete zuletzt Stadtentwicklungsdezernent Martin Linne und verwies darauf, dass mehr Bäume gepflanzt als abgeholzt werden. Mit Zahlen kann die Stadtverwaltung diese Behauptung nicht belegen – denn sie erhebe keine Daten zu gefällten Bäumen. Immerhin steigt aber nachweislich die Anzahl der Straßenbäume, der Bestand sei „nach den schweren Verlusten des Zweiten Weltkrieges ständig aufgebaut worden“. Auch in Meiderich werden Jungbäume neugepflanzt. Doch scheinen sie oft Probleme zu haben.
Aktuell gebe es rund 51.000 Straßenbäume in Duisburg, ihre Anzahl ist nach Auskunft von Stadtsprecher Sebastian Hiedels seit „einigen Jahren“ um Tausend Bäume gestiegen. Hinzukommen 140.000 Bäume in Parks. „Früher war es deutlich grüner“, beklagt dennoch der Duisburger Kevin Wölk und blickt dabei vor allem auf Meiderich. „Mir fallen immer mehr Brachflächen auf, wo zuvor Bäume gestanden haben“, so der 42-Jährige. Insbesondere in seiner Nachbarschaft zwischen dem Stadtpark und der Herzklinik. Vereinzelt ersetzen sogar Gehplatten frühere Baumscheiben.
Nicht überall in Duisburg werden leere Baumscheiben nachgepflanzt
„Ziel ist es, überall dort, wo Bäume gefällt wurden, mindestens genauso viele Bäume nachzupflanzen“, so der Stadtsprecher. „Das ist allerdings nicht an jedem Standort möglich.“ Weil etwa der Platz zum Wachsen für Wurzeln oder für eine große Krone mit vielen Laubblättern fehlt. Zudem werden demnach nicht immer sofort neue Bäume gesetzt, sondern diese Maßnahme wird „oftmals zeitlich verschoben“ und „im Frühjahr des nächsten Jahres nachgeholt“.
Nicht alle neugepflanzten Jungbäume überleben
Dennoch bleibt bei Kevin Wölk und seinen Nachbarn der Eindruck, dass rund um die Letjensstraße die Straßenbäume abnehmen und dass viele der Jungbäume gar nicht erst überleben. Die Stadt entfernt nach eigenen Angaben abgestorbene Bäume umgehend, jedoch verbleiben die Stümpfe bis dort neugepflanzt oder neugepflastert wird. Auch zwischen Herzklinik und Stadtpark stehen inzwischen viele gekappte Stämme. Einige sind von Pflanzen überwuchert. An anderen sprießen aber wieder grüne Ästchen und Blätter. Sie sind also nicht tot.
Wuchernde Baumwurzeln könnten in Meiderich Parkplätze kostenDie Ursachen für eine Fällung kenne man in Duisburg meistens nicht, kritisiert Kerstin Ciesla. Laut der Vorsitzenden der Duisburger BUND-Kreisgruppe lässt die Verwaltung und die städtischen Wirtschaftsbetriebe diesbezüglich Transparenz vermissen. „Daher haben wir oft nicht mehr das Vertrauen, dass fachkompetente Entscheidungen getroffen werden“, so die Naturschutzexpertin weiter. „Es ist eine Unsitte in Duisburg, alte Bäume zu fällen, ohne die Qualität großkroniger Bäume zu berücksichtigen.“
Nur unzureichender Ersatz für Kahlschlag alter Duisburger Bäume?
Diese Kritik unterstützt auch der Meidericher Kevin Wölk, der für gefällte Altbäume mit voller Krone einen „adäquaten Ersatz“ fordert. Ein einziger kleiner Jungbaum sei unzureichend, weil man berücksichtigen solle, wie viel Kohlenstoffdioxid (CO2) die Jungbäume im Vergleich zu alten Riesen umwandeln können. Dass die frischen Bäumchen am Straßenrand, etwa neben Autoparkplätzen, jemals auch nur annähernd hundert Jahre alt werden dürfen, bezweifelt der 42-Jährige angesichts vieler Negativbeispiele in dem Wohnviertel und in der gesamten Stadt.
Für ihn machen die Experten im Rathaus nur „Lippenbekenntnisse“, wenn sie auf den „menschengemachten Klimawandel“ und „die zunehmende Hitzeentwicklung“ reagieren wollen, aber in Meiderich weniger Bäume ersetzen, als sie fällen lassen. „Die Priorisierung liegt ganz klar auf parkenden Autos“, bemängelt Wölk. Während die Autos immer größer und breiter werden, weigere sich die Stadt, wachsenden Baumen entsprechenden Raum zu geben. Statt auf den Asphalt, fordert er, solle die Verwaltung lieber ihren Fokus auf Bäume und Grünflächen legen – und „dann muss man auch mal Parkplätze opfern“.
Bestimmungen verbieten teilweise größere Baumscheiben
Manch eine Bestimmung verbietet jedoch, Baumscheiben zu vergrößern, worauf Sebastian Hiedels hinweist. So sei das nicht möglich, wenn dadurch der Gehweg zu schmal wird. Für ihn ist eine Mindestbreite von anderthalb Metern vorgeschrieben.
Seine Beobachtungen bezüglich der Meidericher Straßenbäume hat Wölk zusätzlich mit dem Umweltamt geteilt und erkundigte sich dort unter anderem nach einem Baumkonzept für den Stadtteil. Die Antwort, die der Redaktion vorliegt, fällt sehr ernüchternd aus. Demnach gibt es lediglich eine gesamtstädtische Planung, aber keine Pläne für Meiderich oder andere Stadt- oder Ortsteile.
Das bestätigt Stadtsprecher Sebastian Hiedels auf Nachfrage: „Es sind weiterhin keine konzeptionellen Planungen für einzelne Stadtteile durch das Umweltamt geplant. Aber natürlich lassen sich aus einem flächendeckenden Gesamtplan für die Stadt Informationen für einzelne Orte herauslesen.“
Verwirrung um Straßenbaumkonzept für Duisburg-Meiderich
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Genau das beißt sich jedoch mit Forderungen aus der Bezirksvertretung Meiderich/Beeck. Da Straßenbäume in Meiderich-Berg ihren Baumscheiben längst entwachsen sind, Randsteine aus dem Fundament gebrochen haben und wuchernde Wurzeln Gehwege und gepflasterte Straßen zerstören, soll die Stadt Lösungsmöglichkeiten präsentieren. Denn auch dort stellt sich die Frage, ob Bäume auf Kosten von Parkplätzen erhalten werden sollen.
Ein neues Gesamtkonzept soll die Lösung für die betroffene Spichernstraße und ihre Nebenstraßen bringen, hieß es bereits im Oktober 2021. Damals schloss ein Experte vom Stadtentwicklungsamt einen Kahlschlag wegen des Klimaschutzes aus: „Wir sind dankbar für jeden Baum und würden nie einen Baum für einen unnötigen Parkplatz entfernen.“ Die Bezirksvertreter äußerten den Wunsch, sich bei der Erarbeitung dieses Straßenbaumkonzepts einzubringen.
Von einem gesamtstädtischen Konzept, das lediglich auf Stadtteile oder gar auf einzelne Straßen heruntergebrochen werde, sagt Christof Eickhoff (CDU), sei nicht die Rede gewesen. Sondern von einem Straßenbaumkonzept für Untermeiderich, zu dem Meiderich-Berg gehört. Seine Fraktion hatte damals die Anträge gestellt, mit denen die Stadt aufgefordert ist, eine fachmännische Lösung für die wuchernden Bäume vorzuschlagen. „Passiert ist bisher noch nichts“, betonte der Fraktionsvorsitzende erst kürzlich im Gespräch mit der Redaktion.
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Den Grund dafür kennt der Stadtsprecher. Er bleibt dabei, dass keine Stadtteilkonzepte für Straßenbäume vorgesehen sind. „Zunächst sollen die Arbeiten an den Alleenkonzepten abgeschlossen werden“, sagt er, „bevor dann die kontinuierliche Umsetzung des Straßenbaumkonzeptes folgt, was sicher eine geraume Zeit in Anspruch nehmen wird“. Mit den angesprochenen Plänen für Untermeiderich und Meiderich-Berg seien „gesamtstädtisch anzuwendende Regeldetails zum Umgang mit Bäumen in engen Straßen“ gemeint.
Ein Duisburger Straßenbaumkonzept auf Bezirke, Ortsteile, Wohnviertel oder sogar einzelne Straßen herunterzubrechen muss laut Naturschützerin Kerstin Ciesla tatsächlich nicht kompliziert sein. Sie regt an, Straßenbäume bei allen Planungen künftig zunächst vorrangig zu behandeln, wie beispielsweise Häuser, und entsprechend drumherum zu planen. Nur noch im Einzelfall, wenn etwa die Verkehrssicherungspflicht berührt ist, würden dann Bäume gefällt. Dies wird jedoch kaum derselbe Vorschlag sein, den die Stadt Duisburg bald erarbeitet.
>> BESTAND AN STRAßENBÄUMEN SOLL WEITERHIN WACHSEN
● Straßenbäume binden Feinstaub, verbessern die Luftqualität, senken die Temperatur und erhöhen die Luftfeuchtigkeit. Daher will die Stadt Duisburg den Bestand kontinuierlich erhöhen und nutzt dazu einen Plan, der 2008 bis 2012 erarbeitet wurde. „Oberste Priorität haben Straßen, die bisher ohne Baumbestand sind, gefolgt von Straßen mit schadhaftem oder überaltertem Bestand“, fasst Stadtsprecher Sebastian Hiedels zusammen.
● An den Duisburger Straßen überwiegen Linde, Platane, Ahorn und Robinie. Neben diesen vier Hauptarten, wurden in den vergangenen Jahren auch noch andere Arten angepflanzt, darunter Kirschen, Apfeldorn, Rotdorn, Roßkastanien, Baumhasel, Weißbuchen, Schnurbäume, Götterbäume, Ginkgo, Amberbäume, Wildbirnen, Eichen, Wildäpfel, Leberhülsenbäume, Eschen, Ulmen, Erlen und Ebereschen.
● Die Neupflanzung eines Straßenbaumes kostet samt Standortvorbereitung rund 10.000 bis 15.000 Euro.