Duisburg. Die Schießerei und der Polizeieinsatz sind Tagesgespräch in Duisburg-Hamborn. Der Alltag geht weiter, doch es gibt auch Ängste und Sorgen.
Die Schießerei am Hamborner Altmarkt und der Großeinsatz der Polizei sind am Donnerstagmorgen Tagesgespräch im Stadtteil. Dort ist zwar trotz der teilweisen Sperrung schnell wieder Leben eingekehrt. Doch im Duisburger Norden kennt man an diesem Tag nur ein Thema.
Angelika Kapelski hilft ehrenamtlich im Kulturzentrum „Kulturiges“ im Rathaus. Längst hat sie „viele Gerüchte“ gehört, auch über angebliche Tote, sagt die 57-Jährige. Doch sie vertraut lieber auf gesicherte Fakten.
Nach der Schießerei ist in Duisburg-Hamborn wieder der Alltag eingekehrt
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„Ich empfinde die Gegend nicht als gefährlich, fühle mich hier nirgendwo bedroht“, sagt sie. Und sie ist überzeugt: „Hamborn ist genauso sicher wie die Stadtmitte.“ Überall in Duisburg, meint Kapelski abgeklärt, könne man ja unverschuldet ausgeraubt werden.
Von Clans, Rockern oder organisierter Kriminalität habe sie im Stadtteil bis auf die Schießerei am Mittwochabend nichts mitbekommen. Aber auch nach grausamen Schwerverbrechen müsse man weitermachen, findet Angelika Kapelski. Sie arbeitet im Silberpalais, wo 2007 im Restaurant Da Bruno die Mafiamorde stattfanden. Zudem lebte sie früher in Rheinhausen, als die Rocker vom Satudarah MC dort ihr Deutschland-Hauptquartier hatten und sich mit anderen Gruppen bekriegten. Damals sei sie möglichst nicht mehr abends alleine vor die Tür gegangen.
Das sei jetzt im Duisburger Norden ganz anders: „Ich fühle mich hier sicher und habe wirklich, wirklich, wirklich keine Probleme.“ Dennoch wünscht sie sich mehr Polizeipräsenz, auch damit mehr Autofahrer die Tempolimits einhalten. Natürlich hofft sie, dass die Täter der Altmarkt-Schießerei gefunden und bestraft werden, aber dass „nicht der Stadtteil verurteilt wird“.
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Hamborner Markt: „Wenn sowas tagsüber passiert, haben wir ein Problem.“
Seinem normalen Alltag kann Reinhold Küllenberg am Donnerstag nicht nachgehen. Dreimal wöchentlich steht der Obst- und Gemüsehändler mit seinem Stand auf dem Markt. Heute traf er wie gewohnt um 5 Uhr früh dort ein, „aber alles war abgeriegelt“. Eine gute Stunde habe er gewartet, bis die Polizei unmissverständlich klargemacht habe: „Der Markt wird heute nicht stattfinden.“ Küllenberg fuhr kurzerhand nach Beeck, in der Hoffnung, die für Hamborn eingekauften Frischwaren dort noch loszuwerden.
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Der Familienbetrieb verkauft seit Jahrzehnten seine Produkte auf dem Altmarkt. „Sowas habe ich hier noch nicht erlebt“, sagt Küllenberg. „In Hamborn – das ist einfach Wahnsinn.“ Gleichwohl habe er von einer Rocker- oder Clan-Szene in dieser Gegend nie etwas mitbekommen. „Aber wir sind ja nur tagsüber hier, wenn Markt ist.“ Auch größere Motorradzusammenkünfte seien ihm noch nicht aufgefallen.
Dennoch bereitet der Vorfall von Mittwochabend Küllenberg Sorge, im Hinblick auf womöglich wegbleibende Kundschaft: „Wenn sowas mal tagsüber passiert, haben wir ein Problem.“
Im Modehaus Feller hat sich die Lage schnell normalisiert. „Wir haben gut zu tun“, sagt Chef Andreas Feller am Mittag. Nur draußen fehlt das lebendige Markttreiben. „Die Händler sind stinksauer“, berichtet der Kaufmann, der die Absage des Marktes für überzogen hält.
Wie sicher fühlen sich die Menschen in Hamborn?
Feller, Vorsitzender des Werberings, betreibt nicht nur sein Geschäft am Altmarkt, sondern wohnt auch dort. Zu kriminellen Banden sagt er: „Natürlich weiß man, dass es hier Treffpunkte gibt, und das weiß auch die Polizei. Aber man kriegt davon nichts mit. Wir leben nicht in Angst.“ Die Polizei zeige Präsenz. Vor allem aber würden die Banden ihre Angelegenheiten ja unter sich klären – „die haben an den normalen Bürgern doch gar kein Interesse“.
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„Das hätte man sich so nicht träumen lassen“, sagt Buchhändlerin Margit Meier als Ur-Hambornerin mit Blick auf den Vorfall. Ihre Buchhandlung Lesezeichen liegt ein wenig abseits vom Markt und schließt um 18 Uhr, so dass Margit Meier von der Schießerei erst am Donnerstagmorgen erfahren hat.
Sie fühle sich tagsüber sicher, sagt sie. Ein Überfall auf ihr Geschäft liege schon 20 Jahre zurück. Sie bedauert jedoch, dass viele traditionelle Geschäfte in Hamborn geschlossen haben und das Einkaufen im Stadtteil an Attraktivität verloren habe. „Hochfeld ist das Vorzeigeprojekt – aber es gibt auch noch andere Stadtteile“, sagt Margit Meier.
Sonja Herzberg merkt an, dass viele Menschen in Hamborn durchaus Angst vor Clankriminalität hätten. „Das Gerede über die Clans ist hier omnipräsent, und die Eskalation von Mittwochabend bestätigt die schlimmsten Befürchtungen.“ Die Anwaltskanzlei der Mietrechtsspezialistin ist im neuen Sparkassen-Gebäude an der Duisburger Straße, zudem berät sie auch für den Mieterbund Rhein-Ruhr am Rathaus.
Sorge um „tausende rechtschaffene Migrantinnen und Migranten“
Dass es organisierte Kriminalität gibt, werde schon lange gemunkelt. So bleibe nicht unbemerkt, dass Ladenlokale teils für sehr hohe Summen renoviert und umgebaut werden. Dabei seien für Hauseigentümer „in diesem Brennpunktstadtteil“ keine hohen Mieten zu erzielen. Dazu kämen Wettlokale am Altmarkt und an der Jägerstraße. Dass das Clan- und Rockermilieu durchaus Privatkredite zu Wucherzinsen vergibt und auch an Geldwäsche beteiligt ist, gelte als offenes Geheimnis. „Viele Menschen fühlen sich hier nicht mehr sicher und nicht mehr wohl.“
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Dennoch findet sie Hamborn weiterhin sehr lebenswert, verweist auf eine gute Nahversorgung, viele junge Familien mit Kindern, auf schöne Parks, schöne Nebenstraßen und gute Nachbarschaft. Wenngleich sie selbst weiterhin im Stadtteil arbeiten und am Jubiläumshain wohnen bleiben will, werden wohl „perspektivisch viele Menschen wegziehen“.
Zudem befürchtet Herzberg, dass „die tausenden rechtschaffenen Migrantinnen und Migranten“ in Hamborn und im Duisburger Norden durch den Vorfall am Altmarkt „verunglimpft“ und zu Unrecht „mit Clans und Rockern in einen Topf geworfen werden“.