Duisburg-Obermeiderich. In Obermeiderich verwurzelte Menschen staunen über die Noten beim Stadtteil-Check. Fazit: Ihr Zuhause brauche eine bessere Öffentlichkeitsarbeit.
Als kleiner Junge ist Hans-Bernd Preuß nach Obermeiderich gezogen und will auch jetzt im Ruhestand nirgendwo sonst leben. Der frühere Pfarrer lebt direkt neben der Kirche an der Emilstraße und gilt mit seinen 71 Jahren als Obermeidericher Urgestein. Mit seiner Nachfolgerin, Pfarrerin Sarah Süselbeck, blickt er auf die Ergebnisse des Stadtteil-Checks. Dabei können die beiden Geistlichen durchaus einige Noten nachvollziehen, haben bei anderen aber gestaunt.
Dass der Stadtteil in der Kategorie Gemeinschaftsgefühl nur als ausreichend (4,02) benotet wurde, ist für beide unverständlich. Denn aus Sicht der Evangelischen Kirche, so Süselbeck, sei gerade Obermeiderich „eine gesellige Gemeinde, die viel auf die Beine stellt“ und zudem „kreativ und hilfsbereit“ ist. So verweist Preuß etwa auf die Kirchenkneipe Emils Pub, die vor Corona von bis zu 100 Leuten besucht wurde – und beim Rudelgucken vor der Kirche während der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 „war der halbe Stadtteil hier, das war ein Familienfest“.
Kulinarisch ist in Obermeiderich trotz Kneipensterben noch alles gut
Wer jedoch keinen Bezug zu einer Kirche oder einem Sportverein habe, könne sich bestimmt einsam fühlen, räumen die Theologen ein, zumal auch etliche Treffpunkte weggefallen seien. Ohne Mühe zählt Preuß einige Gaststätten und Kneipen auf, die inzwischen geschlossen sind oder – wie die Zwitscherstube – nur noch punktuell öffnen. „Es ist schwierig, Räume für größere Feiern wie Konfirmationen zu finden“, meint Preuß und wünscht sich mehr Gaststätten mit Veranstaltungssälen.
Trotzdem finden die Pfarrer das gastronomische Angebot gut – von Döner, Pizza über Pommes bis zu gutbürgerlicher Küche gibt es alles in Obermeiderich. Das schlägt sich auch in der Note Befriedigend wieder. Besser noch – und mit 2,8 an der Spitze – ist Einkaufen. „Die Grundversorgung ist richtig gut“, findet Süselbeck und zählt auf: einen Baumarkt, fußläufig mehrere Discounter und das Mercator-Center mit einem großen Real und vielen kleinen Geschäften. „Zum Klamotten-Shoppen muss ich aber woanders hin.“
Die schlechte Freizeit-Note (3,64) erscheint zunächst unverständlich
Deutlich besser benotet hätte die 40-jährige Mutter allerdings die Freizeitmöglichkeiten (3,64). „Wir haben ein Schwimmbad“, schwärmt sie und verweist mit Hans-Bernd Preuß auf viele Sportvereine – darunter der MSV Duisburg mit seinem Trainingsgelände. Die MSV-Turnabteilung, die auch für die Kleinsten ein Mutter-Kind-Turnen anbietet, lobt Süselbeck ebenso wie den Kanuverein am Rhein-Herne-Kanal. „Als Kind kann man im Landschaftspark Fahrradfahren lernen“, betont sie und findet auch Spazierwege sowie die Fahrradstrecke in die Stadt super.
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Für Ruheständler Preuß steht jedoch fest: „Der Landschaftspark ist die Attraktion für Obermeiderich.“ Denn er liegt ja nur teilweise in Mittelmeiderich. Die eher dürftige Freizeit-Note erklären sich die beiden damit, dass Obermeidericher, die östlich des Kanals wohnen, sich eher nach Oberhausen orientieren und viele Angebote im Stadtteil womöglich gar nicht kennen.
Öffentlicher Nahverkehr bleibt im Stadtteil umstritten
Zumal der Kanal auch eine Grenze für guten und schlechten Nahverkehr (Note: 3,41) sein könnte. Östlich davon brauche es nämlich bessere Verbindungen ins restliche Meiderich und in die Duisburger City – obwohl es in Meiderich allein drei Zugbahnhöfe gibt. Dagegen ist die Umgebung der evangelischen Kirche durch die Straßenbahn 903 besonders gut angebunden. Allerdings merkt Preuß an, dass auch die Gemeinde vor Corona sonntags Shuttlebusse einsetzt, um Gläubige zu Gottesdiensten an die Emilstraße zu fahren.
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Außerdem findet Sarah Süselbeck es „total komisch“, dass angeblich wenig für Senioren gemacht werde (Note: 3,54). „Wir haben das Christophoruswerk, die mobiles Wohnen und altersgerechtes Wohnen anbieten.“ Doch nach kurzer Pause fällt ihr auf, dass der Großteil der Seniorenangebote für Frauen ist. Zwar gibt es das Bürgerhaus Hagenshof, „aber uns fehlt ein spezielles Begegnungszentrum mit regelmäßigem Kartenspielen, Bingo-Nachmittagen oder Kaffeetrinken“, wo man immer hingehen und andere Obermeidericher treffen könne.
Fazit: „Obermeiderich braucht eine bessere Öffentlichkeitsarbeit“
Die Durchschnittsnote von 3,63 empfindet Pfarrerin Sarah Süselbeck aber als deutlich zu schlecht. Ihr Fazit: „Obermeiderich braucht eine bessere Öffentlichkeitsarbeit. Die Leute wissen wohl gar nicht, was es hier an tollen Sachen und Angeboten gibt.“ Da stimmt Hans-Bernd Preuß uneingeschränkt zu – denn das Leben dort sei richtig schön.