Duisburg. Duisburger Obdachlose trifft Corona hart. Sie können kaum noch betteln und die Ansteckungsgefahr auf der Straße ist hoch. Wie man helfen kann.

Das Coronavirus verschlimmert die Lage für Obdachlose in Duisburg, denn Einnahmen brechen weg und die Ansteckungsgefahr ist hoch. In den menschenleeren Einkaufsstraßen können sie kaum noch betteln, um so immerhin an ein wenig Geld zu kommen. „Die Schnorrerei geht jetzt gar nicht mehr“, erklärt Kurt Schreiber vom Verein „Gemeinsam gegen Kälte“. Außerdem bedeuten die vielen abgesagten Veranstaltungen, dass sie weniger Pfandflaschen sammeln können, um sie gegen Bargeld einzutauschen. „Wegen Corona fällt die Existenzgrundlage der Obdachlosen weg“, so Schreiber.

„Das ist ein Riesenproblem“, findet auch Bodo Gräßer, Leiter der Bahnhofsmission in Duisburg, die sich um Obdachlose kümmert. Einer von ihnen spiele sonst etwa Musik auf der Königsstraße und auf dem Bahnhofsvorplatz, um sich etwas Münzgeld zu verdienen. „Einnahmen hat er momentan gleich null“, sagt Gräßer und bedauert, dass die Bahnhofsmission in dieser schwierigen Zeit den Obdachlosen ihre Hilfe nicht wie gewohnt anbieten könne. Denn die Mitarbeiter dürfen den Bedürftigen nicht zu nahe kommen. „Unsere Räumlichkeiten sind geschlossen und wir vermeiden weitestgehend den persönlichen Kontakt zu den Wohnungslosen.“

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Die Corona-Ansteckungsgefahr ist groß

Vor der Corona-Krise sind Ehrenämtler des Vereins „Gemeinsam gegen Kälte“ mit einem umgebauten Rettungswagen, dem Medizinmobil, zu Hilfsbedürftigen gefahren. Eine Pflegekraft und ein Arzt haben „kleinere Wehwehchen mit Pflastern, aber auch eiternde Wunden mit Verbänden“ behandelt, erzählt der Vereinsvorsitzende Kurt Schreiber. „Aber wir müssen in Zeiten von Corona nach jeder einzelnen Behandlung den kompletten Wagen desinfizieren.“ Die Stadt Duisburg schreibt dies so vor, doch der Verein kann das nicht stemmen. Außerdem fehlt die nötige Schutzkleidung, um auch die eigenen Helfer vor einer Ansteckung zu schützen. Das Medizinmobil fährt daher vorerst nicht mehr.

Mit ihrem Verein „City-Wärme“ engagiert sich Bärbel Ebert ebenfalls für Obdachlose. Sie bemängelt, dass öffentliche Toiletten geschlossen sind. Die offizielle Begründung laute: keine Zeit für die Desinfektion. „Dafür habe ich kein Verständnis“, sagt Ebert. Denn: „Obdachlose können sich praktisch nicht die Hände waschen, Duschen geht gar nicht.“ Demnach sind diese Menschen stark gefährdet, sich mit dem Corona-Virus anzustecken. Umso mehr, weil ihr Immunsystem durch das Leben auf der Straße ohnehin leicht angreifbar ist. Denn viele Wohnungslose leiden an Krankheiten und können sich nicht gesund ernähren. „Sie sind die Schwächsten im Glied“, betont Bärbel Ebert, „und jetzt lässt man sie so alleine.“

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Viele Hilfsangebote brechen in der Corona-Krise weg

Denn viele Hilfsangebote sind wegen des Virus eingeschränkt worden oder komplett weggefallen: Die Tafel hat ihre Ausgabestellen geschlossen und liefert nun, „der Verein ,Bürger für Bürger’ gibt kein Essen mehr aus, das Medizinmobil fährt nicht mehr“, zählt Ebert nur einige Beispiele auf. Immerhin: Ihr Verein City-Wärme schaffe es, die aktuellen Hygienevorschriften zu erfüllen. Dadurch kann er weiterhin Lebensmittel und Pflegeprodukte verteilen.

Dagegen kümmere sich die Stadt Duisburg nicht ausreichend um die Obdachlosen, kritisiert Bärbel Ebert. Sie fordert, dass Container und mobile Toiletten aufgestellt werden wie in Dortmund oder Bochum. All dies erwarte sie vom zuständigen Gesundheitsdezernenten Ralf Krumpholz (Grüne). Ebenfalls macht sie Oberbürgermeister Sören Link (SPD) für die Situation verantwortlich. Er betone nämlich immer wieder, dass es in Duisburg keine Obdachlosen gebe, und damit spiele er das Problem herunter. Bärbel Ebert und verurteilt außerdem, dass das Ordnungsamt Bußgelder verteilt, wenn sich die Betroffenen zusammenfinden. Dass sich keine Gruppen in der Öffentlichkeit bilden dürfen, treffe die Menschen, die auf der Straße leben, enorm hart. Außer ihrer Gemeinschaft, so Ebert, hätten sie nämlich sonst nichts.

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Stadt Duisburg setzt Kontaktverbot auch bei Wohnungslosen durch

Die Stadt Duisburg stellt allerdings fest, dass viele Obdachlose das aktuelle Kontaktverbot befolgen. Das bestätigte ein Sprecher auf Anfrage und bekräftigt, dass die vom Land NRW erlassene Coronaschutzverordnung ausnahmslos für alle Bürger gelte. Daher setzt die Stadt sie auch gegen Wohnungslose durch, indem sie Gruppen auflöst oder Platzverweise ausspricht und kontrolliert. Zudem bestätigt der Sprecher, dass die Stadt auch Ordnungswidrigkeitenverfahren einleitet, wenn das Kontaktverbot missachtet wird.

Die Kritik, dass sich die Stadt in Zeiten von Coronanicht um ihre Obdachlosen kümmert, möchte die Diakonie Duisburg allerdings relativieren. So nimmt Ute Bichtawi, die bei der Diakonie Wohnungslose unterstützt, eher wahr, dass sich die Stadtverwaltung „viel Gedanken“ mache, wie sie die Hilfsbedürftigen trotz strenger Hygieneregeln versorgen könne. Sie ist überzeugt: „Das dauert jetzt zwar, aber die Stadt wird bald gute Lösungen haben.“

Auch Duisburger Bürger können Obdachlose unterstützen

Nicht nur die Behörden und Hilfsvereine können jedoch die Obdachlosen unterstützen, sondern jeder Duisburger. Bodo Gräßer von der Bahnhofsmission nennt dafür zwei Wege: Spenden und Wohnungen vermitteln. Wer Wasser, Kleidung oder Kosmetik verschenken will, kann die Spenden bei den Hilfsvereinen abgeben. Zusätzlich können Bürger ihre Spenden in Plastiktüten verstauen und an öffentlichen Plätzen ablegen oder an sogenannte Gabenzäune hängen.

Der Schritt von der Straße in eine Einrichtung oder Wohnung ist mühselig

Für die Betroffenen sei es natürlich sicherer, wenn sie von der Straße in Wohnungen zögen, weiß Gräßer. Doch: „Dafür muss aber auch die Bereitschaft da sein, zurück ins System zu gehen.“ Zwar gebe auch niederschwellige Einrichtungen für sie. Den Schritt dorthin schaffen diese Menschen aber meist schon nicht mehr, weil sie bereits lange auf der Straße leben. „Dann ist es mühselig für sie, aus ihrer gewohnten Umgebung zu gehen“, so Bodo Gräßer. Zusätzlich bewirkten oft Suchterkrankungen und Depressionen, dass Obdachlose auf der Straße blieben.