Duisburg. Obdachlose aus Osteuropa stellen Behörden und Vereine vor eine neue Herausforderung. Die Kommunikation sei schwierig. Es fehlen Sprachvermittler.
In Duisburg ist die Zahl der Obdachlosen, die in städtischen Notunterkünften übernachtet haben, stark rückläufig. Häufiger sieht man jüngst wieder solche, die ungeschützt im Freien schlafen, zum Beispiel rund um den Hauptbahnhof. Während im Jahr 2016 noch 623 Personen Hilfe beanspruchten, waren es zwei Jahre später nur noch 359 untergebrachte Personen, wie die Stadt auf Nachfrage mitteilt. In diesem Jahr nächtigten bisher 207 Personen in städtisch bereitgestellten Unterkünften. Warum viele Obdachlose aber durchs Raster fallen:
Bartosz Kaminski* lebt in Duisburg auf der Straße. „Sechs Monate schlafe ich schon hier“, sagt er in gebrochenem Deutsch. Gemeint ist die Straßenbahn-Unterführung am Duisburger Hauptbahnhof. Jede Nacht sucht er sich dort einen Platz, mit dabei hat er zwei große Tüten mit seinen Habseligkeiten.
Rückreise in das Heimatland oder Endstation Straße
Bartosz Kaminski kommt aus Polen. „Ich wollte hier arbeiten“, sagt der Obdachlose über die Gründe, warum er nach Duisburg kam. Gefunden hat er aber keinen Job. Warum nächtigt er nicht in einer der Notunterkünfte? „Keine Papiere“, seine ernüchternde wie kurze Antwort.
Ihm fehlen die Einkünfte oder Sozialleistungsansprüche, die somit eine dauerhafte Versorgung durch die Stadt verhindern. Von der Stadt gibt es in solchen Fällen „Hilfen zum Aufsuchen der heimischen Botschaft“. Auch die „Rückreise in das Heimatland“ wird angeboten. Bisher schlägt er sich aber auf der Straße durch und „macht Platte“, wie es heißt.
Kein Einzelfall – Arbeit lockt nach Duisburg
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Bartosz Kaminski ist kein Einzelfall: Die Hoffnung auf Arbeit bringt einige Osteuropäer nach Duisburg, sagt der Verein „Gemeinsam gegen Kälte“. Es sind EU-Bürger, die im Rahmen der Arbeitnehmerfreizügigkeit hierher kommen, aber keinen Job finden. Mal enden sie auf dem „Arbeiterstrich“ in Duisburg-Hochfeld und werden zu Tagelöhnern oder gehen komplett leer aus. „Jeden Tag haben wir an unserem Bus Polen dabei“, sagt Schreiber, Vorsitzender des Vereins.
Mit ihrem Betreuungsmobil versorgt der Verein in Duisburg Menschen, die auf der Straße leben. Sie verteilen Kleidung und vermitteln etwa in soziale Einrichtungen. Der Verein könne nur auf Hilfe hinweisen, sie anzunehmen ist Sache des Einzelnen. Mit dem MediBus wird darüber hinaus medizinische Versorgung für unversicherte Obdachlose ermöglicht. Zweimal die Woche werden etwa das Rathaus Hamborn, der Immanuel-Kant-Park oder der August-Bebel-Platz angefahren.
Sprache ein großes Hindernis bei der Vermittlung
Ohne Papiere, die eine Herkunft nachweisen, „sei es für die Ämter ein großes Problem, diese Menschen ins System zu bringen“, sagt Schreiber. Im direkten Kontakt am Bus sei die Sprache das größte Hindernis – bisher könne der Verein nur mit Händen und Füßen mit betroffenen Obdachlosen aus Osteuropa kommunizieren.
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Doch um etwa in Duisburg gestrandete Polen zu vermitteln oder in Unterkünfte zu bringen, „sind intensive Gespräche notwendig“, sagt Schreiber. Aber ein Sprachvermittler fehlt bisher. Die Stadt sei informiert und man sei bemüht eine Lösung zu finden – „doch wer finanziert das?“, fragt Schreiber. Der Verein alleine könne solche Kosten nicht decken, gleichzeitig sei der Einsatz eines Dolmetschers nicht unbedingt planbar. „Das sind alles Hindernisse, die eine vernünftige betreuerische Vermittlung unmöglich machen.“
Viele Obdachlose wollen nicht in Unterkünfte
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Nicht wenige Obdachlose wollen aber erst gar nicht in eine Unterkunft, sagt Schreiber. Argumente wie „da werde ich beklaut“ oder „da kann ich nicht trinken“, seien Gründe. „Die Obdachlosen-Unterkünfte in Duisburg sind auch nicht in der Innenstadt“, so Schreiber. Dies sei auch ein Teil der Erklärung, warum die Zahlen der durch die Stadt untergebrachten Obdachlosen rückläufig sind. Laut Einschätzung des Vereins „Gemeinsam gegen Kälte“ sind die Zahlen der Obdachlosen in den vergangenen Jahren stabil geblieben.
Städte sind zur Bereitstellung einer Unterkunft verpflichtet
In Deutschland wird zwischen „freiwilliger“ und „unfreiwilliger“ Obdachlosigkeit unterschieden.
Städte oder Gemeinden sind verpflichtet, ein vorläufiges und befristetes Unterkommen für unfreiwillig Obdachlose zu ermöglichen.
Die Verpflichtung kommt zustande, weil Obdachlosigkeit mehrere „Individualrechtsgüter“ gefährdet, darunter die Garantie der Menschenwürde nach Artikel 1 des Grundgesetzes.
Ein Großteil der Obdachlosen in Duisburg kommt bei Freunden und Bekannten unter, „nur ein kleiner Teil lebt auf der Straße“, sagt Ute Bichtawi, Leiterin der Zentralen Anlauf-, Beratungs- und Vermittlungsstelle (ZABV) des Diakoniewerk Duisburg. In Kooperation mit der Stadt ist das ZABV für alle allein stehenden Wohnungslosen in Duisburg Ansprechpartner und Vermittler in Unterkünfte.
Gleichzeitig ziehen soziale Kontakte einige ehemalige Obdachlose tagsüber zurück auf die Straße. „Jeder Obdachlose, der auf der Straße lebt, hat an seinem eigenen Schicksal großen Anteil“, sagt Kurt Schreiber vom Verein „Gemeinsam gegen Kälte“. Dabei schränkt er ein: „Die Polen aber oft ausgenommen.“
* Name geändert.