Duisburg. Oberbürgermeister Sören Link berichtet im Interview, wie er die Corona-Krise und das Krisen-Management erlebt, was ihn freut, ärgert und besorgt.

Oberbürgermeister Sören Link (SPD) hat die Duisburger in der Corona-Krise über die sozialen Medien mehrfach zur Solidarität mit den Risikogruppen aufgerufen und die Landesregierung scharf kritisiert. Zum Krisenstab hat er einen kurzen Draht. Am Telefon spricht er mit uns über die Not der Duisburger Unternehmen, die Ausnahmesituation für sich und die Politik und den Kampf gegen das Virus in der Stadt.

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Herr Link, wo befinden Sie sich gerade?

In meinem Büro im Rathaus.

Allein?

Ja. Aber das Rathaus ist nicht ganz menschenleer. Viele Mitarbeiter arbeiten allerdings mit ihren Laptops und Tablets von zu Hause aus. Meine Referenten habe ich auch ins Homeoffice geschickt. Ich komme noch ins Büro, weil sich hier die vielen Videokonferenzen und Telefonschalten besser koordinieren lassen, zum Beispiel mit anderen Bürgermeistern, den Ratsfraktionen und mit dem Verwaltungsvorstand, den Beigeordneten. Diese Besprechungen sind übrigens disziplinierter als sonst – da lernen wir auch für die Zeit nach der Krise.

Was löst diese Krise in Ihnen persönlich aus?

Mir tut es weh, dass ich meine Eltern, meinen Neffen, meine Freunde nicht treffen kann. Das fällt mir schwer, aber das müssen wir wie alle Duisburger aushalten, um das Virus zu bekämpfen. Überhaupt fehlt mir der Kontakt zu den Menschen. Ich bin außerdem stolz. Stolz auf meine Mannschaft. Hier arbeiten viele über ihre Erschöpfungsgrenzen hinaus, machen einen herausragenden Job. Ich mache mir aber auch Sorgen um unsere Wirtschaft. Wir sehen zwar gerade, wie stark unsere Volkswirtschaft ist, dass die Politik Milliardenhilfen beschließen kann, aber keiner weiß, wie lange sie das aushalten muss. Ich habe Sorge, dass das Geld von Bund und Land nicht schnell genug ankommt und gesunde Firmen in Duisburg aufgeben müssen.

Duisburg in der Corona-Krise: „Der Druck ist hinter den Kulissen noch viel größer“

Was kann die Stadt tun?

Wir können kommunale Abgabe stunden, begründet auch zinsfrei. Firmen können Absenkungen der Vorauszahlungen auf die Gewerbesteuer beantragen. Wir prüfen im Austausch mit unserer Wirtschaftsförderung, der GfW, und anderen Kommunen ständig, was wir noch machen können. Ich finde die Idee der SPD Duisburg gut, auf Sondernutzungsgebühren für die Gastronomie zu verzichten. Unsere Sparkasse setzt auf Wunsch die Tilgung von Darlehen für drei Monate aus. Aber das sind alles nur bessere Gesten. Die Duisburger Unternehmer brauchen jetzt Geld in der Kasse – kurzfristige Unterstützung wie in Bayern.

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Sie und Stadtdirektor Martin Murrack, beides Sozialdemokraten, haben die Landesregierung vorige Woche scharf öffentlich kritisiert, weil sie Ihrer Meinung nach nicht entschieden genug vorgegangen war. Aus der CDU heraus wurde Ihnen „Wahlkampf“ vorgeworfen.

Es ist in der Tat nicht die Zeit für Wahlkampf. Der Druck auf uns als Stadt ist hinter den Kulissen aber noch viel größer – das geben wir längst nicht alles weiter. Ich habe die Landesregierung auch als einer der ersten öffentlich gelobt, als sie den Rettungsschirm mit 25 Milliarden auf den Weg gebracht hat. Aber wenn ich mir als OB Sorgen machen muss, dass in Duisburg gesunde Unternehmen über die Wupper gehen könnten, weil andere ihren Job nicht richtig machen, dann melde ich mich zu Wort. Die unterschiedlichen Einschränkungen zwischen den Kommunen waren auch nicht gut. Da muss ich für Duisburg auf Missstände hinweisen dürfen.

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Warum hat die Stadt Duisburg nicht wie Bochum und Gelsenkirchen schon vor dem Kontaktverbot eigenständig „Ansammlungsverbote“ erlassen?

Das hatten wir vorbereitet, wir wären handlungsfähig gewesen, wenn sich Kanzlerin Merkel und die Ministerpräsidenten am Wochenende nicht geeinigt hätten. Aber eine bundes- beziehungsweise landesweite Regelung ziehen wir vor – Regelverstöße müssen ja sanktioniert werden. Darum haben wir gewartet.

Corona-Kurve abflachen: „Eine Prognose ist nicht möglich“

Ralf Krumpholz leitet den Krisenstab, der Dezernent für Gesundheit, Verbraucherschutz und Feuerwehr. Wer entscheidet aktuell, was die Stadt macht: Sie als Oberbürgermeister oder er?

Der OB ist immer letztverantwortlich und eingebunden. Aber um handlungsfähig zu sein, muss die Stadt zurzeit manchmal sehr schnell entscheiden können. Dafür brauchen wir den Krisenstab. Wir stimmen uns sehr schnell ab, schreiben viele SMS, das klappt gut.

Mobile Testteams, Drive-in-Testzentren, Sichtungszentren, nun ein Behelfskrankenhaus: Stadt und Feuerwehr setzen schnell viele wirksame und vernünftige Maßnahmen um. Es wirkt, als funktioniere das Krisenmanagement gut, mitunter besser als in anderen Städten.

Das ist ja kein Wettbewerb. Wir haben alle dasselbe Ziel. Wir Oberbürgerbürgermeister tauschen uns eng untereinander aus, um voneinander zu lernen. Und wir haben auch bei der Feuerwehr sehr kreative Leute, sind zudem gut vernetzt mit den Krankenhäusern. Was richtig gut geklappt hat, war die Übersetzung der Regeln zum Kontaktverbot in mehrere Sprachen – die sind über WhatsApp unfassbar weiterverbreitet worden. So haben wir viele erreicht, an die wir sonst schwer rankommen. Wenn ich mit dem Auto durch die Stadtteile fahre, wirkt alles sehr ruhig. Für eine Stadt mit einer halben Million Einwohnern gibt es wenige Probleme bei der Einhaltung der Beschränkungen. Mein Eindruck ist: Die Bevölkerung zieht bis auf sehr wenige Ausnahmen richtig gut mit.

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Können wir das exponentielle Wachstum der Infektionskurve in Duisburg verhindern? Werden die Krankenhäuser hier alle schwer Erkrankten gut behandeln können?

Das ist das Ziel all unserer Bemühungen. Wir müssen dafür Zeit gewinnen. Das Gesundheitssystem funktioniert, und wir sind in Duisburg gut aufgestellt. Ich bin im Moment zuversichtlich, dass wir die Kurve drücken können, aber eine Prognose ist nicht möglich.

„Ich bin stolz auf die Solidarität und die Hilfsbereitschaft“

Düsseldorfs OB Thomas Geisel (SPD) hat eine Strategie gefordert, das öffentliche Leben und das Wirtschaftsleben bald wieder hochzufahren und statt der massiven Einschränkungen für alle gezielter die Alten und Schwachen zu schützen.

Man muss wegen der Wirtschaft langfristig denken. Aber ich bin kein Virologe. Wir als Stadt Duisburg halten uns an die wissenschaftlichen Vorgaben von Robert-Koch-Institut und Bundesregierung. Die Experten haben auch die nächsten Monate im Blick und werden bewerten, wie sinnvoll solche Strategiewechsel sind.

Erinnern Sie sich an die Anfrage der FDP im Rat am 30.1.? „Derzeit wird in der Presse von einer Gefahr durch einen sog. Coronavirus berichtet. Unsere Partnerstadt Wuhan scheint betroffen zu sein. … Welche Vorbereitungen sind von Seiten der Stadt für die Prävention getroffen“. Einige Ratsleute haben geschmunzelt. Was haben Sie damals gedacht?

Ich habe gehofft, dass es nicht zu einem größeren Ausbruch, zu einer Pandemie kommt. Dass das alles so schnell geht und unser Leben hier in Duisburg so stark verändert, hätte ich nicht für möglich gehalten. Das geht uns ja allen so.

Was bedeutet diese Ausnahmesituation für die Kommunalpolitik?

Wahlkampf spielt bei den Parteien keine Rolle mehr. Die Wahlvorbereitungen sind zum Erliegen gekommen. Die Landregierung wird prüfen, ob der Wahltermin 13. September zu halten ist. Die Kommunalpolitik, die Arbeit des Rates sollte aber nicht vollends ruhen, die Mitglieder sollten weiter mitbestimmen können. Darum machen wir trotz der Absage der Ratssitzung am Montag eine Sondersitzung des Haupt- und Finanzausschusses.

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Was bedeutet die Krise für Duisburg?

Ich sehe zuerst das Miteinander. Die Bürger kümmern sich umeinander, stehen sich bei. Ich bin stolz auf die Solidarität und Hilfsbereitschaft der Duisburger. Meine größte Sorge gilt unserem Wirtschaftsstandort. Ich habe Sorge, dass hier vieles von dem kaputt geht, was wir in den letzten Jahren angeschoben haben. Ich hoffe, dass die Mittel von Bund und Land jetzt schnell ankommen, aber auch, dass sie uns später nicht im Stich lassen. Denn auch den Kommunen entgehen durch die Wirtschaftskrise Milliarden an Steuergeldern.