Duisburg-Rheinhausen. Nach dem Tod von Rolf Karling läuft die Arbeit des Vereins in Rheinhausen weiter. Denn Ute Muders hat dem Vereinsgründer etwas versprochen.

Ein bisschen ist es so, als sei er noch da. Auf den ersten Blick läuft im Ladenlokal an der Brahmsstraße alles wie gehabt. Einmal um die Ecke reicht die Schlange, die sich im Eingangsbereich gebildet hat. Jetzt, kurz vor Weihnachten, haben die ehrenamtlichen Mitarbeiter allein mit der Ausgabe der Essensmarken alle Hände voll zu tun. Weiter hinten, wo’s gemütlich wird, warten warme Kleidung, Deko und Christbaumkugeln in prall gepackten Kisten auf Abnehmer. Rund drei Monate nach dem Tod des Vereinsvorsitzenden Rolf Karling am 1. Oktober hat „Bürger für Bürger“ zur Normalität zurückgefunden.

Und das bedeutet aktuell: Bis zu 80 tägliche Bedarfsgemeinschaften allein in der Essensausgabe in Hochemmerich, dazu in Schulen, Kindergärten, Jugend- und Hilfseinrichtungen. An Heiligabend um 12 Uhr haben sich doppelt so viele angemeldet, bis zu 150 Familien und Einzelpersonen werden in Rheinhausen erwartet, außerdem rund 130 in Hochfeld. Sagt eine, die es weiß: Ute Muders sitzt inmitten des hektischen Alltags, hält die Post von heute in einer Hand, telefoniert mit der anderen und versucht parallel, alle Mitarbeiterfragen zu beantworten, die auf sie einprasseln. „Rolf fehlt uns, jeden Tag“, sagt die 61-Jährige, die sich seit Oktober als Vize-Chefin um alles kümmert. „Aber ich werde den Verein in seinem Sinne weiterführen.“

Ute Muders hat ein Versprechen abgegeben

Ute Muders nimmt ihre Aufgabe ernst. Weil sie ein gutes Herz hat, Ehrenamtlerinnenehrensache – aber auch, weil sie Karling kurz vor seinem Tod versprochen hat, die Arbeit des Vereins fortzuführen. Und dazu ist sie fest entschlossen, auch wenn ihr anfangs alles über dem Kopf zusammenzubrechen drohte, auch wenn die Gesundheit ihr gerade wieder einen Strich durch die Rechnung gemacht hat.

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Bei einem Sturz zog sich die ehemalige Gastronomin einen Bruch des Oberschenkelhalses zu. Aber inzwischen ist sie mit Hilfe von Krücken wieder auf den Beinen. „Muss“, kommentiert sie kernig. Und stellt überhaupt erstmal klar: Entgegen anderslautender Gerüchte, die zuletzt zu ihr drangen, bleibt der Verein Bürger für Bürger „definitiv“ bestehen. Und: „Viele Veränderungen wird es nicht geben.“

Vereinsgründer Rolf Karling war stadtbekannt

Dafür steht sie gemeinsam mit Birgit Karling, der Schwester des Verstorbenen. Die beiden haben die Herausforderung angenommen, die ihnen das Versprechen an den streitbaren, stadtbekannten Vereinsgründer auferlegt hat. Beide bleiben im Vorstand, während die übrigen Posten neu besetzt werden. Zurzeit ist Muders als kommissarische Vorsitzende im Dienst – sobald wie möglich wird sie eine Mitgliederversammlung mit Wahlen ansetzen, sich im Amt bestätigen lassen und einen neuen Vize suchen.

Um die Straßenambulanz muss sie sich schon nicht mehr kümmern. Die hat Michael Schatta übernommen. Er, Tierarzt und Heilpraktiker, verteilt saubere Spritzen und gibt frei verkäufliche Medikamente aus. Muders ist zurzeit mit Aufräumen beschäftigt. In mehrfacher Hinsicht, wie sie einräumt. Nach dem Ausscheiden Karlings ging erst einiges drunter und drüber – zuletzt war er krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage, sich um alles zu kümmern. Dazu kommt ein weiblicher Blick, der sich an dem Durcheinander im Ladenlokal stört.

Einige Veränderungen stehen an

Muders will künftig mehr wegschmeißen, das hat sie sich vorgenommen, „man kann nicht alles annehmen, was gebracht wird. Darunter ist auch viel Schrott.“ Außerdem will sie in den Vereinsräumen ein Rauchverbot durchsetzen. „Die Leute kriegen einen Unterstand draußen vor der Tür.“ Und die Couch-Ecken würde sie gern durch Biertisch-Garnituren ersetzen. „Hier schlafen ja alle ein.“

Rolf Karling hat sie kennengelernt, als sie als Zwei-Euro-Jobberin in einem Kindergarten arbeitete. Damals lieferte der frischgekürte Vereinschef einmal pro Woche Obst und Gemüse an die Einrichtung und nutzte die Gunst der Stunde, um Muders zu überreden, bei Bürger für Bürger mitzuarbeiten. Sie willigte ein – und fand sich schnell als Mini-Jobberin im neu bezogenen Ladenlokal an der Brahmsstraße wieder. „Das hat Spaß gemacht, eine tolle Zeit.“

Die Nacht der 1000 Lichter findet auch 2020 statt

Die beiden verstanden sich gut, so Muders, „schon weil wir beide widerspruchsfreudig sind. Und eh ich mich’s versah, war ich Vize. Allerdings habe ich gleich klar gestellt: Ich mache dir nicht den Kaffee!!“ Zwölf Jahre dauerte die Zusammenarbeit. „Wir waren jeden Tag zusammen, von morgens bis abends. Das färbt ab. Die Leute sagen oft: Mensch Ute, der Spruch hätte auch vom Rolf sein können.“

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Was ihr am meisten fehlt? Muders überlegt. Sie sieht plötzlich wieder traurig aus. „Ich vermisse Rolf. Er war ein echter Kumpel und hat viel für Rheinhausen getan. Auch mir persönlich hat er sehr geholfen.“ Schon deshalb wird sie alles daran setzen, dem Verein eine gute Chefin zu sein. „Die Zusagen für die Nacht der 1000 Lichter im kommenden Jahr habe ich schon.“ Die Nacht, die am Vorabend des Unglücks an die Opfer der Love-Parade-Katastrophe erinnert, findet auch 2020 statt. Rolf Karling hätte es gefreut. „Dieses Ereignis lag ihm am Herzen.“